Im August 2019 gab es bei der sachsen-anhaltinische CDU-Stadtverband Landsberg einen kritischen Beitrag „Zum Umgang mit Kritikern – im Land, in der Politik und in der CDU im Speziellen“. Prägnant zusammengefasst schrieb der Autor folgendes:
„Wo es um Geld oder um Macht geht, gibt es Menschen die zum eigenen Vorteil handeln. Jemand der Missbrauch von politischen Ämtern oder von Staatsgewalt bemerkt, sollte die Hand heben und darauf hinweisen können, zuerst gegenüber dem zuständigen Kontrollgremium. Eigentlich sollte das schon ausreichen.“[1]
Schwere Vorwürfe bis hin zu verdeckten Straftaten bereits 2019
Weiter hieß es selbstkritisch auf den Stadtverband Landsberg im Saalekreis bezogen:
„Am Beispiel Landsberg, aber auch an vielen anderen Stellen im Saalekreis und in Sachsen-Anhalt lässt sich zeigen, dass diese Kontrolle nicht mehr funktioniert und von Vielen wohl auch nicht gewollt ist. Stattdessen gibt es Seilschaften und offenbar geheime Absprachen. Stadträten und Kreistagsabgeordneten wurden Auskunftsrechte verweigert, Mehrheiten im Unrecht blockierten Aufklärung und deckten Eigennutz und Straftaten, Amtsträger missbrauchten ihre Stellungen und Aufsichtsbehörden schauten weg.
Als in Landsberg einzelne Aufrechte aufstanden und trotz Ehrenamt mit eigener Zeit und auf eigene Kosten auf Missstände hinwiesen, wurden wir ausgegrenzt.“
Austritt aus einer Partei, die nur am Machterhalt interessiert ist und offenbar manches zu verbergen hat
Offenbar ist diese Ausgrenzung von parteiinternen Kritikern zwischenzeitlich weiter eskaliert. Wie zunächst die BILD-Zeitung am 01.01.2021[2] berichtete, traten zum Jahreswechsel insgesamt 16 Mitglieder aus ihrer bisherigen Partei aus. Auf der Webseite des Stadtverbandes wurden die Gründe für den Paukenschlag immerhin öffentlich und damit transparent kommuniziert:
„Begründung unseres Parteiaustritts
Sehr geehrte Landesvorstände,
sehr geehrte Vorstände der CDU des Saalekreises,wir, (…) haben heute den Austritt aus der Christlich Demokratischen Union Deutschlands erklärt.
Einige von Ihnen denken jetzt sicherlich, dass Sie somit endlich Ihr Ziel erreicht haben, weitere kritische Mitglieder, die Wert auf Transparenz und Satzungstreue gelegt haben, „zu entsorgen“. Herr Holger Stahknecht sagte vor einigen Monaten auf großer Bühne sinngemäß, dass Mitglieder die auf ihre Rechte pochen „das Spielfeld verlassen sollen“. Das tun wir jetzt.
Einige von uns, z.B. aus den Reihen des Stadtverbands Landsberg, haben in den vergangenen Jahren viel mitgemacht. Manche wurden von Herrn Bommersbach bedroht oder es wurde erfolglos versucht, sie aus der Partei auszuschließen, weil sie ihre Rechte wahrnahmen. Dabei haben wir nicht mehr getan als zum Beispiel darauf hinzuweisen, dass einzelne Kreisvorstände und Amtsträger im Saalekreis keine oder zu wenig Beiträge zahlten und das fanden wir unfair den satzungstreuen Mitgliedern gegenüber. Sogar die Staatsanwaltschaft bejahte bezüglich einiger Kreisvorstände, z.B. den Herren Hayn, Runkel, Schwab, Bühligen den Tatverdacht der Unterschlagung. Passiert ist aber nichts weiter. Herr Hayn wurde zum Kreisvorsitzenden gemacht, obwohl er zuvor jahrelang als Schatzmeister Hauptverantwortlicher war.
Andere von uns haben alles mit angesehen und aus der Ferne miterlebt. Auf Parteitagen wurde zunächst einigen Vorständen zweimal die Entlastung verweigert, in der Folgezeit schaffte es der Vorstand aber alles unter den Teppich zu kehren, ohne echte Transparenz herzustellen. Das Bundesparteigericht der CDU wies dem Vorstand Verfehlungen nach. All das hat nicht ausgereicht um ein echtes Umdenken zu bewirken. Was hat ein Vorstand zu verbergen, der selbst der eigenen Rechnungsprüferin nicht ohne einstweiliges Verfügungsverfahren vollständige Einsicht in die Buchführung und alle Unterlagen gewährt? Bis heute, bald wird neu gewählt. Auch die Rechnungsprüfer.
Und jetzt reicht es eben. Wie schon andere aufrechte Mitglieder der CDU Saalekreis vor uns in den letzten Monaten, möchten wir nicht länger Teil einer Partei sein, die auf Kreis- Landes- und Bundesebene ihre eigenen Werte zum Machterhalt aufgibt und sich weder an die eigenen Regeln noch teilweise an die Gesetze unseres Staates hält. Ebenso wie viele andere Bürger sind wir frustriert davon, was aus dieser Partei geworden ist. Damit können wir uns nicht mehr identifizieren.
Eigentlich wollten einige von uns eine außerordentliche Mitgliederversammlung im Saalekreis einberufen, um die Mitglieder über diverse Sachverhalte aufzuklären und abstimmen zu lassen. Dieses Engagement möchten wir für diese Partei nun nicht mehr aufbringen, hoffen aber, dass andere Mitglieder das Unrecht in dieser Partei erkennen und nicht wegschauen.“[3]
Zu den Ausgetretenen gehörten drei Vorstandsmitglieder
Dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) war dieser Paukenschlag nur eine Kurzmeldung wert, aus der die Brisanz der Vorwürfe allerdings höchstens ansatzweise hervorging:
„16 Personen treten zum Jahreswechsel aus der CDU im Saalekreis aus. Darüber hat am Donnerstag der CDU-Stadtverband Landsberg auf seiner Internetseite informiert. Der Stadtverband veröffentlichte zudem ein gemeinsames Begründungsschreiben von 13 Ausgetretenen. Anstoß für das Verwürfnis seien nicht gezahlte Mitgliedsbeiträge gewesen, auf die die Ausgetretenen hingewiesen haben sollen, dem aber innerhalb der Partei nicht nachgegangen sein soll. Zu den ausgetretenen Parteimitgliedern gehört unter anderem Georg Chyla, der nach Angaben der Partei seit mehr als 50 Jahren Mitglied der CDU gewesen ist.“[4]
Hier wäre es zum Beispiel wert gewesen, darauf hinzuweisen, dass Georg Chyla als Beisitzer zum Vorstand des CDU-Stadtverbandes Landsberg gehörte. Weitere Vorstandsmitglieder unter den Ausgetretenen sind Hubert Ehrenberg (Beisitzer) sowie Georg Scheuerle (Stellvertretender Vorsitzender).[5] Ebenfalls erwähnenswert gewesen wären relative Zahl zur Zahl zur Größe des Landsberger Stadtrates. Per Mai 2019 gehörten dem Stadtrat der Stadt Landsberg insgesamt 28 gewählte Mitglieder an, davon entfielen 8 Sitze auf die CDU[6], darunter auch der oben benannte Georg Scheuerle. Sein Austritt bedeutet also einen Verlust von 12,5 Prozent der Ratssitze für die CDU, wobei bislang die Bürgerliste mit 10 Sitzen die stärkste Fraktion im Rat war.
Aus den bisherigen Presseinformationen geht nicht hervor, ob die Ausgetretenen Zuflucht in einer neuen Partei gefunden haben oder aber der Politik nunmehr gänzlich den Rücken gekehrt haben.
[1] „Zum Umgang mit Kritikern – im Land, in der Politik und in der CDU im Speziellen“ in: „cdu-landsberg.de“ vom 28.08.2019. Download unter https://cdu-landsberg.de/zum-umgang-mit-kritikern-im-land-in-der-politik-und-in-der-cdu-im-speziellen/, zuletzt aufgerufen am 02.01.2021 um 14:16 Uhr
[2] „Austrittswelle erschüttert CDU im Saalekreis“ in: „bild.de“ vom 01.01.2021 um 19:11 Uhr. Download unter https://www.bild.de/regional/sachsen-anhalt/sachsen-anhalt-news/partei-austrittswelle-erschuettert-cdu-im-saalekreis-74705984.bild.html, zuletzt aufgerufen am 02.01.2021 um 14:19 Uhr
[3] „16 Parteiaustritte und ihre Begründung – Paukenschlag im Saalekreis“ in: „cdu-landsberg.de“ vom 31.12.2020. Download unter https://cdu-landsberg.de/16-parteiaustritte-und-ihre-begruendung-paukenschlag-im-saalekreis/, zuletzt aufgerufen am 02.01.2021 um 14:27 Uhr
[4] „16 Parteiaustritte aus der CDU im Saalekreis“ in: „mdr.de“ vom 31.12.2020. Download unter https://www.mdr.de/sachsen-anhalt/kurznachrichten-ueberblick-sachsen-anhalt-donnerstag182.html#sprung1, zuletzt aufgerufen am 02.01.2021 um 14:37 Uhr
[5] „Vorstand des CDU Stadtverbandes“ in: „cdu-landsberg.de“. Download unter https://cdu-landsberg.de/staff-category/vorstand-des-cdu-stadtverbandes/, zuletzt aufgerufen am 02.01.2021 um 14:46 Uhr
[6] „Verwaltung. Fraktionen des Landsberger Stadtrates“ in: „stadt-landsberg.de“. Download unter https://www.stadt-landsberg.de/verwaltung/stadtrat/fraktionen/ /, zuletzt aufgerufen am 02.01.2021 um 15:13 Uhr