(letzte Aktualisierung am 03.03.2024 um 10:47 Uhr)
Am 01.03.2024 fand am Landgericht Hildesheim im Raum 147 die Fortsetzung der Hauptverhandlung gegen die Ex-Soldatin Sabrina Bu. statt. Auch dieses Mal war es zu einer Raumverlegung gekommen. Weiterhin ging es um den Vorwurf einer angeblichen Gehorsamsverweigerung gegen die am 24.11.2021 eingeführte Duldungspflicht des militärischen Personals gegen eine Injektion mit SARS-COV‑2.
Bereits am 05.01.2024, 15.01.2024, 30.01.2024, 09.02.2024, 23.02.2024 und 26.02.2024 (Teil 1 hier, Teil 2 hier) war unter Richter Dr. Julian Lange verhandelt worden. Zusammenfassungen zu den Verhandlungsterminen vom 05.01.2024, 15.01.2024, 30.01.2024 sowie über den Verfahrensverlauf wurden für die Epoch Times erstellt (siehe hier, hier und hier).
Im Zentrum der letzten Verhandlungstermine stand die Frage, inwiefern am 13.01.2022 von Oberstabsfeldwebel Mike He. ein weiterer Impfbefehl erteilt worden sei. Den Zeugen He. sowie Hauptfeldwebel Thorsten Br. zufolge sei es an diesem Tag zu einem 6‑Augen-Gespräch mit der Angeklagten gekommen. Anlässlich dieses 6‑Augen-Gesprächs seien die Zeugen Oberfeldwebel Stephan Go. und Oberfeldwebel Waldemar Kr. zuvor aus dem Raum geschickt worden. Dabei habe die Angeklagte He. gegenüber zunächst bekundet, sich nicht gegen COVID-19 „impfen“ zu lassen. Dann sei ihr ein erneuter Impfbefehl gegeben worden, dessen Verweigerung als Wehrstraftat zu verfolgen sei und mit einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren bedroht ist:
„§ 20 Gehorsamsverweigerung
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren wird bestraft,
1. wer die Befolgung eines Befehls dadurch verweigert, daß er sich mit Wort oder Tat gegen ihn auflehnt, oder
2. wer darauf beharrt, einen Befehl nicht zu befolgen, nachdem dieser wiederholt worden ist.
(2) Verweigert der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 den Gehorsam gegenüber einem Befehl, der nicht sofort auszuführen ist, befolgt er ihn aber rechtzeitig und freiwillig, so kann das Gericht von Strafe absehen.“
Ein Lügengebäude beginnt zu wanken
Bereits die Teileinlassung der Angeklagten vom 23.02.2024 brachte deutliche Zweifel an den Aussagen der Belastungszeugen. Das Verlesen von Telegramnachrichten der Angeklagten an ihre Schwester am 26.02.2024 (siehe hier) brachte das Lügengebäude der Zeugen noch deutlicher ins Wanken und schließlich entzog eine neue Information, die nach dem 26.02.2024 bekannt wurde und in diesem Text erstmals thematisiert werden kann, den Aussagen der Belastungszeugen jede Grundlage.
Die Temperaturen am Morgen des 01.03.2024 waren kühl, eine Jacke angebracht, dennoch zeigten die rosa Blüten vor Gericht und Staatsanwaltschaft, dass der Frühling bereits Einzug gehalten hat.
Mit Spannung erwartete Verhandlung
Um 09:55 Uhr waren alle Plätze im Zuschauerraum mit insgesamt 21 Zuschauern, darunter einem Mädchen im Grundschulalter, belegt. Neben Staatsanwältin Kira-Franziska Rupprecht sowie den ersten beiden Anwälten für die Verteidigung befanden sich auch die Protokollantin sowie zwei Justizbeamte im Verhandlungssaal.
Bereits im Vorfeld der Verhandlungen hatte sich eine neue Sensation herumgesprochen, also noch bevor diese vom Vorsitzenden Richter Dr Julian Lange verkündet worden war: der für den heutigen Tag angekündigte Zeuge Waldemar Kr. würde nicht kommen, da er an dem fraglichen 13.01.2022 gar nicht vor Ort war und daher auch nichts zu den Ereignissen jenes Tages aussagen konnte. Mithin waren sowohl die Angeklagte wie auch ihr Vater jeweils sehr hoffnungsvoll auf den Ausgang der Hauptverhandlung. Auch die Schwester der Angeklagten war da. Diese bestätigte dann auch den Empfang der am 23.02.2024 bei Gericht vorgetragenen Telegramnachrichten vom 13.01.2022.
Anders als die Protokollantin legte die Staatsanwältin auch an diesem Tag großen Wert darauf, dass von ihr keine Foto- oder Filmaufnahmen gemacht würden. Auch für irgendwelche Statements war sie zu keiner Zeit bereit.
Die Abschlussverhandlung beginnt
Bereits um 10:01 Uhr fand sich auch der Pressesprecher des Landgerichts Hildesheim im Raum ein. Als weitere Prozessbeobachter waren neben dem Autor wieder der Datenanalyst Tom Lausen (Autor des Buches „Die Intensiv-Mafia“) sowie Oliver Ahrens (Prometheus24_7) vor Ort. Als der Vorsitzende Richter mit seinen beiden Schöffen den Saal betrat, befanden sich nun auch alle drei Anwälte an ihrem Platz: Sven Lausen, Ivan Künnemann sowie Gert-Holger Willanzheimer.
Um 10:06 Uhr verkündete Lange den Beschluss zu den Beweisanträgen vom 26.02.2024. Das Verlesen der Antwort der Bundesregierung vom 19.02.2024 auf die schriftliche Anfrage 2 / 208 werde nach § 244 Abs. 3 Nr. 2 abgelehnt, da die Tatsache, die bewiesen werden soll, ohne Bedeutung sei.
Auch das Verlesen der Wehrdisziplinakte sei nach § 244 Abs. 3 Nr. 2 ohne Bedeutung, da die Tatsache, die bewiesen werden sollte, aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung sei.
Befehle dürfen nie hinterfragt werden…
Die Frage der Notwendigkeit bzw. Sinnhaftigkeit der verhandelten Befehle sei unerheblich. Maßgeblich sei, dass Befehle gegeben worden seien und diese zu beachten seien. Der mögliche dienstliche Zweck der Befehle begründe eine unmittelbare Duldungspflicht gemäß des in eine scharfe Kritik genommenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.09.2023 (Urteil vom 21.09.2023 – BVerwG 2 WD 5.23).
Als Prozessbeobachter sieht man sich hier deutlich an das Zitat des ehemaligen RKI-Präsidenten Lothar Wieler vom 28.07.2020 erinnert:
„Diese Regeln werden wir noch monatelang einhalten müssen. Diese müssen der Standard sein. Die dürfen überhaupt nie hinterfragt werden. Abstandhalten, Händehygiene, und dort, wo wir Abstand nicht halten können, zusätzlich Alltagsmasken oder Mund-Nasenschutz tragen und das gilt für drinnen und draußen. Also das ist die Grundregel, die dürfte und sollte niemand mehr in Frage stellen, das sollten wir einfach so tun.”[1]
Lange zufolge könne die Akte zwar mögliche weitere Gründe beitragen, nicht jedoch belegen, dass sich Oberstabsfeldwebel Mike He. am 13.01.2022 allein im Raum mit der Angeklagten befunden habe. Aus dem behaupteten Fehlen dieser Angabe in der Akte könne die Kammer keine Schlüsse ziehen.
Zeuge für Zeugnis ungeeignet
Um 10:09 Uhr nahm Lange Bezug auf Blatt 25 bis 28 von Band 5 der Akte mit dem Aktenzeichen 28.01.2024. Die Ladung des Zeugen Oberfeldwebels Waldemar Kr. war zunächst nicht beantwortet worden. Daraufhin habe Lange in der Kaserne angerufen. Dabei sei ein Hauptmann Fro. als stellvertretender Kompaniechef an den Apparat gegangen. Eine Vernehmung des Zeugen Kr. dürfte nicht notwendig sein, da diese sich im besagten Monat durchgängig im Rahmen einer Hilfeleistungsanforderung in einem Impfzentrum im Einsatz befunden habe.
Konkret ergab sich schließlich, dass sich Kr. vom 03.01.2022 bis zum 26.01.022 im Rahmen einer Hilfeleistungsanforderung in einem Impfzentrum in Mönchengladbach befand.
Das von dem Belastungszeugen Hauptfeldwebel Thomas Br. behauptete Rausschicken des Zeugen Kr. am 13.01.2022 steht somit im Widerspruch zu der Abwesenheit desselben in der Kaserne zum maßgeblichen Zeitpunkt.
Lange selbst verkündete daher um 10:13 Uhr, dass man vor diesem Hintergrund auf die Vernehmung des Zeugen Kr. verzichten könne. Auf Nachfrage war auch Staatsanwältin Rupprecht damit einverstanden. Um 10:14 Uhr verkündete sie, dass sie kein Bedürfnis mehr zur Erhebung weiterer Beweise sehe.
Forderung nach Schlussvorträgen
Vor diesem Hintergrund forderte Lange das Hören der Schlussvorträge. Außerdem führte er aus, dass eine Verständigung nach § 257 c StPO nicht stattgefunden habe:
„§ 257c
Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten
(1) 1Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. 2§ 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) 1Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. 2Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. 3Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
(3) 1Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. 2Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. 3Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. 4Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.
(4) 1Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. 2Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. 3Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. 4Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.
(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.“
Willanzheimer verweist auf langes Vorgespräch
Um 10:04 Uhr begann als erster Rechtsanwalt Willanzheimer mit seinem Schlussplädoyer. Das Gericht selbst habe bekundet, dass die behaupteten Befehle vom 29.11.2021 sowie 06.12.2021 nicht mehr Teil des Verfahrens seien. Am 15.12.2021 sei ein weiterer Befehl per Telefon erteilt worden. Ob dies wirklich ein neuer Befehl gewesen sei, habe von Major Gr. nicht sicher erinnert werden können. Entscheidend sei, ob am 13.01.2022 ein Befehl erteilt worden sei.
Hierzu habe die Angeklagte eine Teileinlassung gegeben, nachdem die vorherigen Einlassungen der Zeugen sehr erstaunlich gewesen seien. So hätte es ein angebliches 6‑Augen-Gespräch anstelle eines 4‑Augen-Gespräches gegeben. Die Behauptung, dass der Zeuge Br. zwei Personen rausgeschickt habe, sei nach Aussage der Angeklagten nicht zutreffend. Tatsächlich habe es keinen Befehl des Zeugen He. gegeben, sich „impfen“ zu lassen. Vielmehr habe er alles Weitere direkt an seinen Vorgesetzten weitergegeben.
Glücksfund als Gamechanger
Zum Glück habe die Angeklagte die Textnachricht vom 13.01.2022 um 06:34 Uhr gefunden. Demnach habe He. unter anderem gesagt „Da haben wir ein Problem“. Dies weise nach, dass die Aussagen der Angeklagten korrekt seien. Auch die ursprüngliche Aussage von Richter Peter Peschka vom 26.02.2024 belege, dass es ein 4‑Augen-Gespräche gewesen sei, auch wenn es dieser dann zu einem 6‑Augen-Gespräch umformulieren wollte. Wieso sollte He. einen erneuten Befehl erteilen, wenn er sagt, dass nun beide ein Problem hätten und er sich an seinen Chef wenden wollte. Es habe also auch an dieser Stelle keinen Befehl gegeben.
Der Vorhalt aus mehreren Vernehmungen mit der Unterschrift von Frau Bu. habe eindrucksvoll geklungen: wieso habe Frau Bu. dagegen keine Einwendungen erhoben? Hierbei sei zu beachten, dass ein Vernehmungsprotokoll bei der Bundeswehr nicht mit dem bei der Polizei vergleichbar sei. Häufig sei der Vernehmende der höchste Dienstgrad, den ein Soldat während seiner ganzen Dienstzeit zu Gesicht bekäme. Bei Hauptmann Blanca Bl. habe es ein langes Vorgespräch gegeben, bevor es überhaupt zu dem relevanten Satz im Protokoll gekommen sei. Willanzheimer wolle dies jetzt nicht weiter ausweiten. Es dürfte Einigkeit bestehen, dass die Angeklagte auf Kosten der Staatskasse freizusprechen sei.
Rechtsanwalt Künnemann hält sein Plädoyer
Ab 10:21 Uhr sprach nun Künnemann seinen Schlussvortrag: alle drei Zeugen hätten offenbar gelogen. Major Gr. konnte aus seiner Wahrnehmung nur über die Morgenlage berichten. Darüber hinaus habe er sich ausschließlich auf Wertungen seiner Untergebenen verlassen. Er habe Aussagen seiner Untergebenen an Hauptmann Bl. allein als Wertungen weitergegeben. Den Befehl vom 13.01.2022 habe er nur vom Hörensagen weitergegeben.
Die Ausführungen seien sehr detailarm gewesen. Auch ohne nähere Prüfung sei er davon überzeugt gewesen, dass die verlesene WhatsApp-Nachricht ein Befehl gewesen sei. Das Wichtigste bei Gr. sei es, dass er vor dem 13.01.022 keinen Grund gesehen habe, disziplinarisch gegen die Angeklagte vorzugehen. Hätte es bis zu diesem Zeitpunkt bereits Befehlsverweigerungen gegeben, sei dies nicht glaubhaft und lebensfremd.
Vernehmung mit Suggestivfragen
Frau Bl. habe die Angaben ihren Vorgesetzten ohne eigene Prüfung, also ohne Kenntnis des tatsächlichen Sachverhalts, übernommen. Sie habe eine Suggestivfrage gestellt, um die von der Angeklagten angestrebte Bestätigung des strafrechtlichen Tatvorwurfs zu erhalten und dies, ohne die Angeklagte in strafrechtlicher Hinsicht zu belehren: „Das wird in jedem Fall schon einmal unanständig.“
Die Motivlage von Frau Bl. sei für Kenner der Coronahistorie offensichtlich: Bl. habe ihre „Impfungen“ nach eigenen Angaben zusammen mit Generalmajor Breuer erhalten, der am 30.11.2022 damit betraut worden sei, die „schleppende Impfkampagne“ in Gang zu bringen:
Rechtsanwalt Künnemann zitierte aus einem Artikel der Tagesschau vom 30.11.2021 um 18:24:
„Generalmajor Carsten Breuer soll nach dem Willen der Ampel-Parteien die schleppenden Corona-Impfungen noch vor Weihnachten auf Trab bringen. Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz stellte den Offizier, der in den vergangenen Jahren die Amtshilfe der Streitkräfte führte, am Dienstag als seinen künftigen Leiter des neuen Krisenstabs vor.“[2]
Ungeimpfte in der Gruppe von Bl. dürften hinsichtlich ihrer Beziehung zu Breuer blamabel gewesen sein. Fakt sei, dass sie keine eigene Wahrnehmung gehabt habe. Somit sei ihre Aussage für die Feststellung des Tatvorwurfs ohne Bedeutung.
Kein Durchkommen für Gehorsamsverweigerer
He. habe deutliche Belastungstendenzen aufgewiesen. Seine Verkündung der Duldungspflicht beim Antreten sei nach seinem Rechtsverständnis ein Befehl gewesen, obwohl Major Gr. unter Vorhalt des Wortlauts diesen nicht als Befehl verstanden hätte. Auch wenn Oberstabsfeldwebel He. sich entspannt gegeben habe, sei er doch gegenüber seinen Vorgesetzten für die Schwierigkeiten mit der ungeimpften Angeklagten in seinem Zug in der Verantwortung.
Der Zeuge Go. hingegen habe bekundet, was Realität sei. Er könne sich nicht erinnern, bei einem Personalgespräch mit der Angeklagten rausgeschickt worden zu sein. Eigentlich hätte Go. bekunden müssen, dass es kein solches Rausschicken gegeben habe. Dazu habe er sich nicht durchgerungen, aber immerhin habe er die Angeklagte nicht zu Unrecht belastet. Es sei jedoch lebensfremd, wenn mit der „ungeimpften Schwurblerin“ ein Personalgespräch geführt werde und man sich nicht mehr daran erinnere. He. habe es wohl irgendwie durchdrücken müssen, dass eine Gehorsamsverweigerung durchkommen würde. Dazu habe er sich weitere Zeugen dazu gedichtet. Auch privat sei He. laut dem Zeugen Go. mit dem Zeugen Br. bekannt gewesen. Offenbar hatte er die Abordnung des Zeugen Kr. nicht im Kopf, sondern nur, dass Go. und Kr. wohl öfter rausgeschickt worden seien. Damit hätte er wohl erwartet, dass sie in seinem Sinne aussagen würden.
Oberstabsfeldwebel als Hellseher?
Die Fehlerhaftigkeit der Angaben von He. lasse sich durch die Abordnung des Zeugen Kr. nach Mönchengladbach sowie die von der Verteidigung vorgelegten Telegramnachrichten beweisen. Diese würden belegen, dass der Zeuge He. gesagt habe, dass Bu. es sich noch einmal überlegen sollte.
He. habe aber gesagt, dass er es schon zuvor gewusst habe, dass sie sich nicht „impfen“ lassen wolle; das passe nicht zusammen. Die Angeklagte habe ein disziplinarisches Handeln erwartet, daher sei sie nicht überrascht gewesen, dass sie fortan ihre Uniform ausziehen solle. Die Unterstellung eines strafrechtlichen Vorwurfs sei ihr nicht gemacht worden, deshalb habe sie ohne nähere Prüfung das Protokoll unterschrieben. Die Angeklagte sei Künnemann zufolge natürlich freizusprechen.
Der dritter Verteidiger hält sein Plädoyer
Um 10:31 Uhr setzte Lausen seine Abschlussrede damit an, dass er entsetzt sei, dass man bereits 11 Verhandlungstage damit vergeudet habe, eine solche Bagatelle hochzustilisieren.
Das Ganze habe bereits beim Amtsgericht Holzminden begonnen. Die dortige Hauptverhandlung habe inklusive Plädoyers und Urteilsverkündigung nur 45 Minuten gedauert. Richter Scharfetter habe He. nicht einmal für einen bedeutenden Zeugen gehalten, sondern ihn vielmehr einfach nach Hause geschickt. Auch die Staatsanwaltschaft habe kein Interesse an Mike He. bekundet. Für sein Urteil habe der Amtsrichter nicht einmal den 13.01.2022 gebraucht.
Normalerweise habe die Staatsanwaltschaft die Pflicht zum Ermitteln. Hier sei es jedoch nicht so gewesen. Tatsachen seien hier tatsächlich nicht ermittelt worden. Im Wesentlichen seien Wertungen übernommen worden, um einen Sachvorgang anzuzeigen, der niemals aus dem Kreis der Bundeswehr hätte heraustreten dürfen. Die Bundeswehr hätte auch so genug wehrdisziplinarische Maßnahmen zur Verfügung gehabt.
Soldatenprozess in Hildesheim kein Einzelfall
Der Zeuge Mei. habe am 24.01.2022 trotz des ihm bekannten Antrags auf Dienstzeitverkürzung eine Strafanzeige gestellt. Dabei habe sich die Bundeswehr an die selbst gegebenen Regeln zu halten. Im Rahmen vieler gleichgelagerter Verfahren aus der Coronazeit sehe er immer wieder dasselbe.
In diesem Strafverfahren sei Frau Bu. hereingelegt worden. Dies widerspreche dem soldatischen Grundsatz von Kameradschaft und Fürsorge (siehe § 12 Soldatengesetz). Bu. sei unter anderem Opfer ihrer Offenheit und Gutgläubigkeit geworden. Vor 2021 / 2022 hätte Lausen sich nicht vorstellen können, dass ein Herr He. so weit gehen würde, dass er in Hildesheim zu diesem Vorgang am 27.02.2023 so ausgesagt habe. Dabei habe er einen klaren Ablauf bekundet und nun andere Zeugen präsentiert, und diese offenbar zu Falschaussagen angestiftet. Das dürfte nicht folgenlos bleiben.
Dienstvorschriften für Vorsitzenden Richter belanglos?
Frau Bu. sei geradezu in dieses Verfahren reingezogen worden. Immer wieder sei behauptet worden, dass es nur darum ginge, ob Befehle erfolgt und rechtmäßig seien. Mit Beharrlichkeit sei von Dr. Lange zunächst gesagt, dass die Dienstvorschriften keine Bedeutung gehabt hätten (siehe hier).
Anschließend seien die Dienstvorschriften ins Verfahren eingeführt worden, aber mit Ausnahme der Urlaubsvorschriften dennoch bei der Ablehnung von Beweisanträgen missachtet worden. Dann hätte auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts keine Bedeutung gehabt. Das Verständnis zum Soldatenrecht hatte das Gericht sich offenkundig nicht erarbeitet. Auch er selbst habe es sich erst erarbeiten müssen.
Es sei fraglich, jemandem eine medizinische Maßnahme zu befehlen, wenn man selbst kein Mediziner sei. Die hierzu ergangene, „seltsame Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts“ sei ihm bekannt. Bezogen auf die Influenza-Impfung sei hierzu auch ein Beweisantrag gestellt worden (siehe hier), aber abgewiesen worden. Dann hätte man auch davon hören und erfahren können, ob mit nicht gegen Influenza geimpften Soldaten vergleichbar umgegangen worden sei. Lausen habe verschiedene Akten hierzu, unter anderem aus dem Verteidigungsministerium, gelesen. Durch das Coronavirus sei eine vollständig neue Lebenslage geschaffen worden. Das heiße aber nicht, dass man sich deshalb über Regeln hinwegsetzen dürfte. Man hätte ja auch neue Regeln erschaffen können, was aber nicht passiert sei. Daher sei alles an den alten Regeln zu messen, die ja bereits vorgelegen hätten.
Wieder Verweis auf zentrale Dienstvorschriften
Als Verteidiger habe er zeigen müssen, dass die Regeln sehr klare Vorschriften machten. Disziplinarvorgesetzte hätten die gesetzten Regeln zu beachten. Demnach hätte ein Soldat sich erst beim Sanitätsdienst vorstellen müssen, um etwaige Kontraindikationen auszuschließen. Eine mögliche Zwangsimpfung werde allein in Ziffer 209 der zentralen Dienstvorschrift A 840 / 8 thematisiert.
Hierzu äußerte sich das Bundesverwaltungsgericht am 07.07.2022 wie folgt:
„Der Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit kann auch nicht mit dem Argument bestritten werden, dass für den Fall der Impfverweigerung kein unmittelbarer Zwang vorgesehen ist. Zwar ist weder in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG noch an anderer Stelle des Soldatengesetzes eine Zwangsimpfung vorgesehen. Darum wird körperlicher Zwang in Nr. 209 ZDv A‑840/8 ausdrücklich untersagt.“[3]
Nicht jede Bitte an Soldaten sei ein Befehl
Wenn Soldaten in einen Gewissenskonflikt zwischen einem Befehl und einer nicht anwendbaren Vorschrift komme, dürfte dies für viele Soldaten anfänglich ein Problem gewesen sein. Sicher habe man hierbei zunächst an eine Bitte, ein Gesuchs etc. gedacht und nicht an einen Befehl. Auch in der Vergangenheit sei das nicht so gewesen. Also seien Soldaten zunächst animiert und ihnen nichts befohlen worden. Die Boosterkampagne habe man erstmal in Schwung bringen wollen. Dabei sei an die Soldaten die Bitte herangetragen worden, sich als Vorbilder für die Kampagne zu zeigen, um die Kampagne damit in Schwung zu bringen.
Ein Befehl sei das Letzte, was auf der Tagesordnung stehe. An dieser Stelle schrieben weder Staatanwältin noch Schöffen, sondern allein der Richter mit.
Die Behauptung, dass die Bundeswehr überwiegend Befehle aussprechen würde, sei Lausen zufolge nicht der Normalfall. Dies sei für ihn das Ergebnis vieler Gespräche mit Soldaten gewesen. Wenn etwas „Gib mir mal den Bleistift rüber“ geäußert würde, sei dies eine normale Aufforderung und kein Befehl. Es gäbe einen Freiraum, der den denkenden Soldaten in den Mittelpunkt stellte.
Der klassische Befehl sei weder allgemein, noch in diesem Verfahren, Standard bei der Bundeswehr gewesen.
Hat Rupprecht ihre Pflichten erfüllt?
Natürlich müsse ein Staatsanwalt eine Strafanzeige annehmen, habe aber auch die Pflicht, diese zu überprüfen. So sei Lausen ein anderer Fall bekannt, wo es zu einer Nachvernehmung des Disziplinarvorgesetzten gekommen sei. Dies hätte man auch hier machen müssen. Dann hätte man festgestellt, so Lausen, dass hier kein anzeigepflichtiger Vorgang vorgelegen hätte.
Immer wieder habe es von Zeugen die Aussage gegeben, dass die „Impfung“ nicht so beliebt gewesen sei, während andere dies freiwillig getan hätten. Es seien nicht alle Soldaten so überzeugt gewesen. Eine Pflicht in einer Situation einzuführen, wo das Vakzin nur bedingt zugelassen sei, „ist ein schwieriges Unterfangen“, vor allem als Befehl.
§ 17 a) des Soldatengesetzes gäbe das nicht her. Die Begrifflichkeit „Impfbefehle“ sei rechtlich so nicht existent. Dieser § 17 a) sehe auch vor, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Ablehnung vorsehe.
Was geschah in der fehlenden 1/2 Stunde?
Auch die Vernehmungsregeln seien grob verletzt worden. Angeklagte bei einer militärischen Vernehmung hätten gegenüber ihrem Disziplinarvorgesetzten eine Wahrheitspflicht. Eine solche Vernehmung sei allerdings nicht mit einem Strafprozess vergleichbar. Hier hätte alles schnell gehen müssen, so dass auch Unregelmäßigkeiten auffielen.
Die Vernehmung habe laut Protokoll 38 Minuten gedauert. Lausen habe für das langsame Lesen nur 1:12 Minuten benötigt, zuzüglich 5 bis 6 Minuten Zeit zum Tippen. Was sei in den restlichen 30 Minuten geschehen? Wurde Bu. etwa durch das später anschließende Gespräch zur Religion bewusst abgelehnt und reingelegt? Offenbar sei die Angeklagte bereits mit dem ersten Satz reingelegt worden. Lausen habe auch schon ordentliche Protokolle gesehen. Jemand „nur mit einem Satz abzuholen“, sehe sehr nach Absicht aus.
Freispruch nur durch Zufall
In jedem Fall wäre ein Soldat in angemessener Weise zu vernehmen. Beinahe sei es zu einer Verurteilung gekommen, wenn nicht in letzter Sekunde die Telegramnachricht aufgetaucht. Hätte man diese vorher gefunden, so hätte man viele Verhandlungstage ersparen können.
Auch Oberstleutnant Stephan Mei. hätte bei der Vernehmung kein Interesse an einer Sachverhaltsaufklärung gehabt. Er habe zwei Vernehmungen ohne Bemühen um eine Sachaufklärung gemacht. Um das disziplinarische Verfahren abzuschließen, habe er „den Deckel zumachen“ wollen. Ziel sei gewesen, dass die Angeklagte ihre Uniform ausziehen sollte. Wieso dies Ziel gewesen sei, habe Lausen selbst nicht verstanden. Bu. habe schließlich niemanden gefährdet, sonst hätte sie den Vizekommandeur der Kompanie am 07.12.2021 auch nicht stundenlang fahren dürfen.
Strafprozess sei nicht erforderlich gewesen
Auch im Fall einer Kontraindikation gegen eine Injektion mit COVID-19 hätte man die Situation auf andere Art und Weise verhandeln können. Ein Strafprozess sei also nicht nötig gewesen.
Richter Lange habe am 29.11.2021 richtig erkannt, dass kein Befehl im Sinn von § 20 Wehrstrafgesetz vorgelegen habe.
Der im Raum stehende Impfbefehl vom 15.12.2021 sei gar nicht in der Strafanzeige erwähnt worden und dann „plötzlich zum Befehl umgejazzt“ worden. Tatsächlich finde man keine Befehle, sondern wisse, dass man solche gegeben habe. Ein solcher Disziplinarvorgesetzter müsse gegebenenfalls etwas Anderes tun.
Natürlich könne man alles als Befehl interpretieren. In diesem Verfahren hatten viele Soldaten entweder keine Ahnung vom Soldatenrecht oder gelogen. Soldatenaussagen seien immer hochkritisch zu hinterfragen. Auch sei stets der Sachverhalt aufzuklären. Ohne Kenntnis des Inhalts sei keine Wertung möglich. Dies gelte auch in Bezug auf die während des Verfahrens aufgetauchte WhatsApp.
Sehr viele interessante Versäumnisse
Auch diese sei nicht von der Staatsanwaltschaft ermittelt worden oder von der Bundeswehr freiwillig herausgerückt worden. Es habe sehr viele „interessante Versäumnisse“ gegeben. So sei Bu. im Urlaub gewesen, als Herr Gr. angeblich seinen Impfbefehl gegeben habe. Zumindest lasse sich nicht mit absoluter Sicherheit ein Befehl erkennen. Vielmehr müsse hier wohl ein Appell an die Soldaten gesehen werden, sich an die Vorgaben des Vorgesetzten zu halten.
Während des Urlaubs gäbe es keine Pflichten für einen Soldaten außer bei dringender Notwendigkeit oder im Fall einer Urlaubsverkürzung. Auch Gr. selbst habe den Urlaub nicht für gar keinen Tag aufgehoben. Bewiesen worden sei hier eigentlich nichts. Gr. habe dabei eine sehr interessante Rolle gehabt. Er sei „wie die Spinne im Netz“ gewesen.
Gr. habe Frau Bl. vorgeschickt und sich auch nicht selbst vernehmen lassen. Offenkundig habe er in der Disziplinarakte keine Spuren hinterlassen wollen. Das sei ihm auch gelungen. Es hätte sich aber die Frage gestellt, woher Frau Bl. die Kenntnisse für den so genannten „Tenor“ gehabt habe. Also habe alles auf Angaben von Gr. beruht, der selbst nicht dabei gewesen war. Er habe seine Informationen nur von He. haben können. Es habe demnach Anzeichen für ein kollusives Zusammenwirken gegeben.
Alles nach Vorschrift
Um 11:06 Uhr führte Lausen aus, dass alles nach den Vorschriften erfolgen müsse. Offenbar habe es keinen disziplinarrechtlichen Grund gegeben, da Bu. im Urlaub gewesen und Kinderbetreuung gemacht habe.
Man müsse Lausen zufolge also nur über den 15.12.2021 und den 13.01.2022 sprechen. Es habe keine überzeugenden Gründe für einen Befehl am 15.12.2021 gegeben. Im Februar 2023 habe Gr. beim Landgericht Hildesheim behauptet, dass Bu. sich unerlaubt von der Truppe entfernt habe. Dies konnte erst im Nachgang widerlegt werden. Dabei sei das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst eine sehr schwere Anschuldigung. Zu Recht sei gegen ihn daher eine Strafanzeige wegen uneidlicher Falschaussage gestellt worden.
Am schlimmsten wöge der angebliche Impfbefehl vom 13.01.2022. Ein Zeuge habe eine Wahrheitspflicht nicht nur bei der Bundeswehr, sondern auch gegenüber dem Gericht. Behauptet worden sei ein Vorgang, der so nie stattgefunden haben könnte. Benannt wurde Kr. als Zeuge, der angeblich rausgeschickt worden sei, der aber tatsächlich vom 03.01.2022 bis zum 26.01.2022 abgeordnet gewesen sei. Offenbar habe der Zeuge seine eigene Geschichte nicht mehr für glaubwürdig gehalten. Deshalb habe er drei angebliche Zeugen erfunden: Br., Go. und Kr. Nur der Zeuge Go. machte offenbar den Versuch, nicht weiter zu belasten.
Wollte Zeuge etwas mitteilen?
Bei seiner Vernehmung habe Go. berichtet, dass Br. und He. vorher telefonischen Kontakt gehabt hätten. Sei dies ein versteckter Hinweis gewesen?
Behauptet wurde, dass unmittelbar zum Dienstgespräch ein Zeuge herbeigerufen worden sei. Bl. habe offenbar keinen Zeugen gebraucht. Dies sei also die nächste Lüge gewesen; das habe also nicht gestimmt.
Als Zugführer habe He. Autorität gehabt. Außerdem gäbe es bei der Bundeswehr eine Wahrheitspflicht. Bei der Bundeswehr sei es selbstverständlich, dass Männer und Frauen (also ohne Zeugen) im gleichen Raum zusammenarbeiten würden.
Kollusives Zusammenwirken?
Mithin habe der Zeuge He. den Herrn Br. als vermeintlichen Zeugen hinzugezogen. Beide hätten sich offenkundig auf die Angabe eines Gesprächs von 15 bis 20 Minuten geeinigt. Die Männer hätten allerdings keine Inhalte oder Details aussagen können. Für die Glaubwürdigkeit komme es jedoch auf Details an.
So mehr man wisse, umso glaubhafter sei eine Aussage. He. und Br. hätten beide keine Details beibringen können. Entweder habe es also zweimal einen Gedächtnisverlust gegeben oder es sei gar nichts passiert.
Ein Indiz für das tatsächliche Tatgeschehen sei die Teileinlassung von Frau Bu. (siehe hier), wonach es ein nur sehr kurzes Gespräch gegeben habe, dies in Erwartung, dass sie Herrn He. dort vor Dienstbeginn antreffen würde. Motive seien in der Telegramnachricht nicht aufgetaucht. Dadurch sei der Vorgang sehr glaubhaft. Es würde auch für die Glaubwürdigkeit der Angeklagten sprechen, dass diese beim AG Holzminden ganz alleine gewesen wäre, also in der Erwartung, dass auch ohne anwaltliche Begleitung Recht gesprochen würde. Den Protokollen zufolge habe sie dort sehr ehrlich ausgesagt. „Dort hat dann Herr Scharfetter zugeschlagen.“ Der Richter solle die Angeklagte damals angeschrien haben, dass sie nicht lügen sollte.
Es habe jedoch keine ernsthaften Anhaltspunkte gegeben, dass es einen Befehl gab.
Bereute He. sein Verhalten?
Nach Lausens Unterlagen habe He. am Ende seiner Vernehmung vom 05.01.2024 ausgesagt, dass er härter gegen Bu. hätte vorgehen müssen. Wie hätte er härter gegen sie vorgehen können? „Durch einen Befehl.“ Was spräche sonst dafür, dass es keinen Befehl gegeben habe? Sonst wäre die Telegramnachricht an die Schwester anders ausgefallen.
Offenkundig habe He. das Problem an Gr. mit dem Hinweis weitergeleitet, ob Bu. sich das nicht noch einmal überlegen wollte. Neben fehlender Kenntnis zu den zentralen Dienstvorschriften habe He. auch kein Interesse daran gehabt, gegen Frau Bu. mit Befehlen vorzugehen. Hier sei offenbar eine Sache im Nachgang aufgebauscht worden.
Lausen hoffe, dass die Staatsanwaltschaft nun endlich ermitteln werde.
Critical News im Plädoyer erwähnt
Um 11:19 Uhr verwies Lausen auf den Zeugen Mu. Auch dieser habe keine weiße Weste in Bezug auf wahrheitsgemäße Aussagen gehabt. Im Februar 2023 habe Gr. beim Landgericht Hildesheim behauptet, dass Bu. sich unerlaubt von der Truppe entfernt habe. „Hier hat er das Gegenteil behauptet.“ Wieso er hier etwas Gegenteiliges gesagt habe, sei nicht bekannt, es bedeute aber, dass man Aussagen von Mu. nicht vertrauen dürfe. Dann habe er den Versuch unternommen, die verhandelte WhatsApp als Befehl umzudeuten. Fakt sei, das Soldaten nicht lügen dürften.
So ein Handeln dürfe nicht konsequenzenlos bleiben, aber keine Konsequenz für Frau Bu. haben. Dass sie keinen Dienst an der Waffe machen wolle, habe auch Militärpfarrer Ju. ihr beschieden. Dieser sei nicht nur ein erfahrener Pfarrer, sondern sei auch sehr klar und deutlich aufgetreten. Damit habe er Artikel 4 Grundgesetz als Grund gehabt.
Schon hier hätte Her Mei. die Strafakte sofort wieder zumachen müssen, um diesen Sachverhalt schützend zu berücksichtigen.
Nicht einsetzbar außer für Dienstfahrten?
Mit so einer Erklärung sei jemand bei der Bundeswehr nicht mehr einsetzbar. Frau Bu. habe dort im Dienst angemessene Arbeit geleistet. Sie habe aber immer die Verpflichtung, ggf. im Verteidigungsfall andere Menschen zu töten. Diesem Umstand sei im ganzen Vorgang offenkundig kein Respekt entgegengebracht worden.
Sollte es tatsächlich einen Befehl gegeben haben, so hätte dieser aufgehoben werden müssen. Man hätte sie ordnungsgemäß aus der Bundeswehr rauslassen müssen.
Nach dem Aussprechen des Dienstausübungsverbots habe die Angeklagte ab März 2022 bis zu ihrer Erkrankung im Jahre 2023 für über 12 Monate von 07:00 Uhr bis um 16:00 Uhr praktisch im Hausarrest zu Hause bleiben müssen.
Gesetz nicht auf Befehlsketten ausgelegt
Niemanden habe interessiert, was dies mit einem Menschen mache. Sie sei einfach ins Strafverfahren gezogen worden. Die Fürsorgepflicht für die Soldatin sei nicht beachtet worden. Nach außen sei damit kolportiert worden, dass jeder bestraft werden müsse, der nicht mitmache.
Die Auslegung des § 20 Abs. 1 Nr. 2 Wehrstrafgesetz sei in der Literatur anders als in der Rechtsprechung sehr ordentlich aufgearbeitet worden:
„§ 20 Gehorsamsverweigerung
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren wird bestraft,
1. wer die Befolgung eines Befehls dadurch verweigert, daß er sich mit Wort oder Tat gegen ihn auflehnt, oder
2. wer darauf beharrt, einen Befehl nicht zu befolgen, nachdem dieser wiederholt worden ist.“
Hierzu stelle sich die Frage nach dem militärischen Sinn dieser Vorschrift. Berücksichtigt werden müsse der militärische Hintergrund.
Lausen führte als Beispiel einen militärischen Vorgesetzen an, der mit seinen Truppen im Felde sei. Hier würde der Befehl zum Stürmen einer Anhöhe gegeben. 10 von 20 Soldaten bewegten sich sofort, 9 weitere folgten und 1 blieb zurück. Wenn dieser nicht mitmachte, würde diesem mitgeteilt, dass nun ein weiterer Befehl erfolge und der Soldat sich bei Nichtbefolgen strafbar machen würde.
Hier aber angeblich monatliche Impfbefehle mit einem einfachen mathematischen Mechanismus zusammenzufassen, entspreche nicht dem Inhalt von § 20 Nr. 1 Wehrstrafgesetz. Ein Befehl müsse ausführbar sein, und ein zweiter Befehl müsste erteilt werden, solange der erste noch ausführbar sei. Hätte der Gesetzgeber von einer Befehlskette gesprochen, so hätte er Lausen zufolge von zwei oder mehr Befehlen gesprochen.
Was ist mit befristeten Impfbefehlen?
Bei befristeten Impfbefehlen könnte sich ein Soldat de facto immer wieder umentscheiden. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem ersten und dem zweiten Befehl sei erheblich. In einem Strafverfahren sei ein Zeitraum von 9 Monaten zwischen dem ersten und dem zweiten Befehl vorgetragen worden.
Obwohl in diesem Verfahren hier viele Zeugen befragt worden seien, fehle es an einem aufgeklärten Sachverhalt.
Die Sache sei in Wirklichkeit völlig zweifelhaft. Das Verteidigungsministerium könne die Wirksamkeit der „Impfungen“ nicht aus eigenen Daten belegen. Das Bundesverwaltungsgericht sprach in seinem Urteil von einem „Vollzugsdefizit“. Im zweiten Infektionsschutzgesetz vom 19.11.2020, also noch vor Beginn der „Impfkampagne“ seien die kassenärztlichen Vereinigungen zwingend dazu angehalten worden, ihre Daten weiterzugeben. Datenquellen hätten die Krankenhäuser und Arztpraxen sein müssen:
„§ 13 Weitere Formen der epidemiologischen Überwachung; Verordnungsermächtigung
[…]
(5) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und, soweit die Angaben bei ihnen vorliegen, die für die Durchführung von Schutzimpfungen verantwortlichen Einrichtungen und Personen haben für Zwecke der Feststellung der Inanspruchnahme von Schutzimpfungen und von Impfeffekten (Impfsurveillance) dem Robert Koch-Institut und für Zwecke der Überwachung der Sicherheit von Impfstoffen (Pharmakovigilanz) dem Paul-Ehrlich-Institut in von diesen festgelegten Zeitabständen folgende Angaben zu übermitteln:
1. Patienten-Pseudonym,
2. Geburtsmonat und ‑jahr,
3.Geschlecht,
4.fünfstellige Postleitzahl und Landkreis des Patienten,
5. Landkreis des behandelnden Arztes oder der für die Schutzimpfung verantwortlichen Einrichtung oder Person,
6. Fachrichtung des behandelnden Arztes,
7. Datum der Schutzimpfung, der Vorsorgeuntersuchung, des Arzt-Patienten-Kontaktes und Quartal der Diagnose,
8. antigenspezifische Dokumentationsnummer der Schutzimpfung, bei Vorsorgeuntersuchungen die Leistung nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab,
9. Diagnosecode nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD), Diagnosesicherheit und Diagnosetyp im Sinne einer Akut- oder Dauerdiagnose,
10. bei Schutzimpfungen gegen Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus‑2 (SARS-CoV‑2) zusätzlich die impfstoffspezifische Dokumentationsnummer, die Chargennummer, die Indikation sowie die genaue Stellung der Impfung in der Impfserie.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die zur Durchführung von Schutzimpfungen verantwortlichen Einrichtungen und Personen dürfen personenbezogene Daten verarbeiten, soweit es erforderlich ist, um ihre Verpflichtung nach Satz 1 zu erfüllen. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Folgendes festzulegen:
1. das Nähere zum Verfahren der Übermittlung der Angaben nach Satz 1,
2. Ausnahmen zu den nach Satz 1 zu übermittelnden Angaben.
Das Robert Koch-Institut bestimmt die technischen Übermittlungsstandards für die im Rahmen der Impfsurveillance und der Pharmakovigilanz zu übermittelnden Daten sowie das Verfahren zur Bildung des Patienten-Pseudonyms nach Satz 1 Nummer 1. Eine Wiederherstellung des Personenbezugs der übermittelten pseudonymisierten Daten ist für das Robert Koch-Institut und das Paul-Ehrlich-Institut auszuschließen.“
Grundlage für den § 13 Nr. 5 sei eine deutliche Untererfassung von Impfnebenwirkungen gewesen. Bis heute habe es allerdings keine Lieferung von Daten gegeben. Teilweise könne man solche beim Paul-Ehrlich-Institut oder bei „FragDenStaat“ nachlesen, teilweise seien sie aufgrund fehlender Schnittstellen nicht bekannt.
In seinem Beschluss habe das Bundesverwaltungsgericht 2022 von einem „Vollzugsdefizit“ gesprochen, obwohl jeder Verstoß mit bis zu 25.000 Euro bußgeldbewehrt sei.
Dienstlicher Zweck auch ohne Fremdschutz nachweisbar?
Lausen: „Was machen wir mit einem Gesetz, dass durch die Exekutive nicht vollzogen wird? Schwierig, sehr schwierig.“
Der Nachweis eines Fremdschutzes durch die Corona-Impfung sei nicht nachweisbar.
Ein dienstlicher Zweck müsse sich irgendwie ausdrücken. Das könne man nicht nur behaupten. Die Staatsanwaltschaft habe ja gesagt, wenn es keine deutschen Daten gegeben habe, dann ggf. andere Daten. Für einen dienstlichen Zweck sei eine fehlende Datenlage zu wenig. Eine fehlende Datenlage bedeute auch die Pflicht zur Rückstellung von Befehlen.
Während dieses Vortrages schaute Staatsanwältin Kira-Franziska Rupprecht (nicht nur) um 11:39 Uhr eher zu den Zuschauern oder auf ihren Bildschirm als zu dem vortragenden Rechtsanwalt Sven Lausen.
Waren Impfungen früher weniger notwendig?
Lausen betonte nun, dass er manchmal nicht mit seinen Argumenten durchdringe. In einer offenen Rechtslage solche Befehle durchzugeben, halte er für unzumutbar.
Der Verteidiger verwies nun auf mehrere Verfahren, unter anderem aus den Jahren 1969 und 1983[4] (Bundesverwaltungsgericht Beschluss vom 03.11.1983, Az.: BVerwG 1 WB 108/80) wegen herkömmlicher Impfungen.
1969 habe das Bundesverwaltungsgericht eine Impfverweigerung gegen Tetanus durchgehen lassen, als hierzu angeführt worden sei, dass für die Entwicklung des Vakzins Tierversuche erforderlich seien und der Kläger dies nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könnte. Im Fall aus dem Jahre 1983 sei es um eine Impfung gegen Pocken gegangen. Hier folgte das Gericht dem Begehren des Antragsstellers mit der Begründung, dass die Pocken bereits weitgehend ausgestorben seien.
1982 Duldung in Abhängigkeit von Hauptsacheentscheidung
Im Nachgang zur Hauptverhandlung verwies Lausen ergänzend auf ein Verfahren aus dem Jahre 1982 (Bundesverwaltungsgericht Beschluss vom 22.10.1982, Az.: BVerwG 1 WB 142/82). Im Tenor zu diesem Urteil hieß es unter anderem wie folgt:
„Die Vollziehung des Befehls, daß der Antragsteller seine anstehende Wiederholungsimpfung gegen Pocken zu dulden habe, wird bis zur Hauptsacheentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts – Wehrdienstsenate – in dem Wehrbeschwerdeverfahren 1 WB 108 / 80 ausgesetzt.“ [5]
Lausen: wieso Duldungspflicht nun schon im Januar 2021?
Falls die COVID-19-Injektionen schützen sollten und wirklich so wichtig gewesen wären, hätte man die Duldungspflicht schon im Januar 2021 aussprechen müssen. Im November 2021 habe man aber schon gewusst, dass die Einsatzfähigkeit der Truppe auch so ohne Weiteres möglich gewesen sei und dass keine Daten zum Fremdschutz vorlagen. Es habe hier also offenbar eine politische und keine medizinische Entscheidung zugrundgelegt.
Bisher habe Lausen keine besseren Argumente von der Gegenseite gehört, auch wenn die Argumente der Verteidigung einseitig erscheinen würden.
Vortrag für Verteidigung für Rupprecht ohne Belang?
Um 11:44 Uhr schrieben der Vorsitzende Richter und der jüngere der beiden Schöffen mit, während Frau Rupprecht als Staatsanwältin eher desinteressiert auf ihren Bildschirm oder die Reihen der Zuschauer gerichtet schien.
Lausen gehe davon aus, dass das Gericht auf Basis der beiden letzten Verhandlungstage festgestellt habe, dass es keinen nachweisbaren Sachverhalt gäbe, der mehrere Befehle hergäbe. Nach seiner Meinung habe es gar keinen Befehl gegeben. Somit sei zurück an den Anfang der Prüfungskette zu gehen, womit es also keinen Ansatz für eine Verurteilung der Angeklagten gegeben habe.
Hätte man entsprechend gearbeitet, so hätte man dies von Anfang an wissen können. Es sei ein eindeutiges Ergebnis, das § 20 Abs. 1 Wehrstrafgesetz nicht erfüllt sei. Offenbar habe es jedoch schwere Belastungen von Seiten von Bundeswehrsoldaten zu Lasten von Frau Bu. gegeben. Im Unterschied dazu, habe die Angeklagte keine Spekulationen über die Gründe ihrer ehemaligen Kollegen angestellt, sich also kameradschaftlich verhalten. Die Staatsanwaltschaft habe nun die Pflicht, die Gründe für die Belastungstendenzen der anderen Soldaten herauszufinden.
Auch jetzt um 11:47 Uhr wirkte Rupprecht sehr desinteressiert. Lausen appellierte an das Gericht und die Staatsanwaltschaft, dass der Staat sich an dieser Stelle bei der Angeklagten zu entschuldigen habe (hier schrieb Frau Rupprecht mit!) und ihr einen hohen Schadenersatz leisten solle.
In Ansehung des Urteils des Amtsgerichts Holzminden sei dieses aufzuheben und Frau Bu. freizusprechen.
Die Staatsanwältin ergreift das Wort
Um 11:48 Uhr stand Staatsanwältin Kira-Franziska Rupprecht auf, um ihr Schlussplädoyer zu halten. Der angeklagte Sachverhalt sei nicht erwiesen worden. Die zeitlichen Angaben der Zeugen He. und Br. würden zusammen passen, jenen der Angeklagten aber widersprechen. Letztlich habe sich kein Befehl nachweisen lassen. Somit könne keine strafrechtliche Verfolgung erfolgen. Von daher fordere die Staatsanwältin einen Freispruch.
Lange verbittet sich Beifalls- oder Unmutsbekundungen
Der nun folgende Applaus des Publikums um 11:50 Uhr wurde von Richter Dr. Lange angemahnt; Beifalls- oder Unmutsbekundungen seien zu unterlassen. Lange gab Bu. nun das letzte Wort. Diese brach allerdings in Tränen aus und war zu keinem Wort mehr in der Lage. Daher wurde um 11:51 Uhr eine Unterbrechung für zwei Minuten verkündet.
Der bei dieser Gelegenheit anwesende Pressesprecher des Landgerichts Hildesheim war auf Nachfrage zu keinem Statement bereit.
Um 11:56 Uhr kamen der Vorsitzende Richter und die Schöffen wieder rein. Bu. stimmte nun den Forderungen ihrer Verteidigung zu. Das Gericht verkündete nun eine weitere Unterbrechung von 20 Minuten. In dieser Zeit wurden weitere Interviews mit den anwesenden Zuschauen geführt.
Finden von Nachrichten göttliches Wunder?
Ein Zuschauer mit Namen Michael führte aus, dass dieser Sieg einzig und allein Gott gehören würde. Der Zufall sei dabei Gottes Art, anonym zu bleiben. Nach der Verkündung der Entscheidung durch die Staatsanwältin äußerten sich auch drei andere Zuschauer zu ihren Eindrücken: „Ich bin glücklich. Ich freu mich so für die Frau. Was anderes hat sie auch nicht verdient.“ bzw. „Das ‚muss einfach vom Tisch. Das ist eine Unverschämtheit, was die Menschen ertragen mussten, die letzten Jahre.“
Noch vor der Urteilsverkündung wurde der Prozessbeobachter Oliver Ahrens von der Staatsanwältin angesprochen, dass er etwaige Fotos oder Videos von ihr löschen sollte.
Um 12:20 Uhr verkündete Lange dann seinen Freispruch und die Rücknahme der Freiheitsstrafe. Die Landeskasse solle die Kosten der beiden Instanzen tragen. Dann führte er seine Urteilsbegründung aus.
Urteilsbegründung geht kaum auf Argumente der Verteidigung ein
Es habe dienstliche Gründe gegeben. Laut Bundesverwaltungsgericht sei die Duldungspflicht für Soldaten zumutbar gewesen, obwohl die Verteidigung dies anders sehe. Nun fasste Lange die strafgegenständlichen Befehle noch einmal zusammen.
Unter anderem führte er aus, dass es keine spätere zeitliche Konkretisierung des Impfbefehls vom 15.12.2021 gegeben habe. Der Zeuge Mu. habe trotz fehlender Angabe der Uhrzeit die Wahrnehmung des Impftermins an diesem Tage erwartet. Major Gr. habe das vorgetragene Telefonat dafür akzeptiert, den Impftermin vom 15.12.2021 nicht wahrzunehmen. Er habe der Angeklagten jedoch aufgetragen, sich bis zum Endes des Urlaubs „impfen“ zu lassen.
Am 13.01.2022 sei die Angeklagte wieder im Dienst gewesen. Da habe es das Gespräch mit He. gegeben, dass sie sich nicht „impfen“ lassen wolle. Der restliche Verlauf des Gespräches sei nicht sicher rekonstruierbar gewesen. Hierzu habe es sich widersprechende Angaben gegeben. Die Aussage eines zweiten Impfbefehls durch Herrn Br. in Bezug auf Herrn He. habe so nicht bestätigt werden können.
Lange unsicher beim Soldatenrecht
Für den 29.11.2021 habe es aufgrund eines fehlenden Termins keinen verbindlichen Befehl gegeben. Insofern könne man hier auch keine „Befehlsverweigerung“ sprechen. Juristisch hätt der Vorsitzende Richter von einer Gehorsamsverweigerung sprechen müssen.
Der 15.12.2021 sei in den Augen der Kammer kein wirksamer Befehl gewesen. Gr. habe akzeptiert, dass die Angeklagte deshalb nicht gekommen sei.
Der erste wirksame Befehl sei Lange zufolge der vom 15.12.2021 von Gr. für den 13.01.2021 gewesen. Dieser sei „natürlich verbindlich und wirksam“. Begründet wurde diese vom Richter mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der Befehl wegen der mutmaßlichen Rechtmäßigkeit der Duldungspflicht zumutbar gewesen sei. Auf diesen Befehl hin hätte sich Bu. beim Impfarzt melden müssen, denn die Duldungspflicht hätte das Einverständnis ersetzt.
Nicht vorhandener Zeuge unsicher?
Aus Sicht der Kammer liege ein Disziplinarvergehen vor, hier aber keine Wiederholung. In Betracht komme nur die Behauptung zum zweitem Impfbefehl vom 13.01.2022 Dies habe aber nicht mit letzter Sicherheit rekonstruiert werden können. Die Aussagen hierzu würden sich diametral gegenüberstehen.
Die Verteidigung habe ausgesagt, dass, die Angeklagte sehr verschüchtert gewesen und hereingelegt worden sei. Von jedem erwachsenen Menschen würde erwartet, dass man etwas überprüfe, bevor man es unterschreibe. Es gäbe jedoch Hinweise, dass He. nicht nachweisbar konstant ausgesagt habe. Einmal habe er nach seiner Aussage alleine mit Bu. gesprochen, einmal sei Br. dabei gewesen.
Detailtiefe unzureichend
Wenn man Zeuge des Gespräches vom 13.01. war, dies erkenne und hierzu vernommen werde und dann den extra bestimmten Zeugen zunächst nicht benenne, passe das nicht. Kro. sei nachweisbar nicht dabei gewesen, während Gro. keine Aussagen hierzu tätigen konnte. Die Aussagen von He. und Be. hätten jeweils einen Zeitraum von 15 bis 20 Minuten, aber keine Gesprächsinhalte zum Füllen dieser Zeitdauer benannt. Die Telegraminhalte sprächen nicht für eine sehr lange Gesprächsdauer.
Nach der Urteilsbegründung ließ sich Lange um 12:32 Uhr eine ergänzende Spitze nicht nehmen. Er habe wohl an der gleichen Verhandlung wie Willanzheimer, nicht jedoch wie Lausen gesessen. Wenn aber die Beweisanträge erst peu à peu gekommen seien und die Textnachrichten erst am fünften Tag der Hauptverhandlung, so lasse er sich kein in-die-Länge-ziehen vorwerfen.
Die Aussagen von Lausen seien nicht immer notwendig oder korrekt gewesen. Lausens Verweise auf bestimmte Urteile, z. B. jene aus dem Jahre 1969, halte er für nicht Ziel führend.
An dieser Stelle ertönte von der Straße Musik, die sich nach den Verlassen des Gerichtes als Demonstration gegen Justizwillkür entpuppte. Beim Verlassen des Verhandlungssaales wurden der vormaligen Angeklagten Blumen überreicht. Mit diesen posierte sie dann im Anschluss auch mit ihrem Verteidigerteam für ein privates Foto.
Um 12:35 Uhr beschloss Lange die Sitzung.
Nachschlag: die Verteidiger äußern sich zum Urteil
Rechtsanwalt Künnemann äußerte sich im Rahmen eines Interviews nach dem Prozess unter anderem wie folgt:
„Die Tenorierung des Urteils, der Freispruch, dass ist aus meiner Perspektive so absolut richtig. Die Begründung, die ist aus meiner Perspektive schief, und zwar sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch bei dem Gericht, weil das ist hier kein klassisches in dubio pro reo gewesen – man konnte das hier nicht aufklären, weil man Zweifel hat, was denn tatsächlich passiert ist, ist dann freizusprechen. Aus meiner Perspektive sind hier die Bundeswehrsoldaten mit Tatsachen belegt […] letztlich ist hier nachgewiesen worden, dass sie bei Gericht gelogen haben. Darauf haben auch alle drei Anwälte im Rahmen ihrer Plädoyers, Schlussvorträge, darauf abgezielt, und dies hätten auch aus der Perspektive der Verteidigung in der Urteilsbegründung einen Nachhall finden müssen. […]“
Willanzheimer: Staatsanwaltschaft ignoriere Tätigwerden zu Gunsten der Angeklagten
Der zweite Verteidiger, Gert-Holger Willanzheimer, teilte unter anderem folgendes mit:
„Ich habe insbesondere seitens der Staatsanwaltschaft die notwendige Objektivität vermisst. Die Staatsanwaltschaft lässt sich immer gern schmeicheln als objektivste Behörde der Welt. Davon habe ich nicht viel gesehen. Selbst nach der Wendung, die der Prozess im letzten Verhandlungstag erfahren hat – die Mandantin hatte ja glücklicherweise, und ich glaube, das hat den ganzen Prozess entscheidend beeinflusst, ein Beweismittel aufgefunden, das die Richtigkeit ihrer eigenen Einlassung und die Unrichtigkeit der Aussagen der Belastungszeugen belegt hat. Daraufhin der Vorsitzende [hat] ja aus meiner Sicht versucht, die Notbremse zu ziehen und versucht, die Staatsanwaltschaft zu befragen, und gefragt, ob das Verfahren wegen Geringfügigkeit an dieser Stelle eingestellt werden könnte. Da hat die Staatsanwältin selbst bei dieser Beweislage unter dem Gesichtspunkt, dass die Staatsanwaltschaft aufgefordert ist, verpflichtet ist, sogar zu Gunsten des Beschuldigten tätig zu werden – das wurde ignoriert. Die Staatsanwältin hat die Zustimmung verweigert, aus heutiger Sicht zum Glück, denn eine Einstellung ist ja natürlich weniger wert als ein Freispruch, und ich hätte von der Staatsanwältin im letzten Termin schon erwartet, dass sie sagt, na gut, die Beweislage ist jetzt so. Es wird sich nicht mehr nachweisen lassen, dass ein zweiter Befehl gegeben wurde und hätte an dieser Stelle den Freispruch angeregt. Das ist nicht geschehen. Insgesamt ist der Verlauf des Prozesses und auch die Urteilsbegründung aus meiner Sicht enttäuschend. Sowohl die Staatsanwaltschaft wie auch das Gericht haben in seiner Urteilsbegründung mehr oder weniger gesagt, na ja, wir müssen in letzter Konsequenz freisprechen, weil allerletzte Zweifel an einer Täterschaft verbleiben. Das ist etwas […] stark übertrieben, denn nach Abschluss der Beweisaufnahme war ziemlich klar, dass zwei […] der Belastungszeugen schlichtweg gelogen haben. Ich glaube, es war ein zurecht gemachtes Ding; die haben sich abgesprochen, und das wird sicher auch noch Nachwirkungen haben. […]“
Lausen: Staatsanwalt tat sich offensichtlich schwer mit einem Freispruch
Sven Lausen als Kopf der Verteidigung sah wenig überraschend den Freispruch als den Höhepunkt des Verfahrens:
„Der war ja selbstverständlich auch berechtigt und musste auch kommen, und ist letztendlich von der Staatsanwaltschaft beantragt worden. Die Staatsanwaltschaft hat sich offensichtlich sehr lange sehr schwer damit getan, musste aber am Ende die Fakten anerkennen, die in den Prozess eingeführt worden sind, und die letztendlich dann auch offensichtliche Zweifel des Gerichtes an der eigenen Urteilsfindung beseitigt haben, also im Hinblick auf einen Freispruch. Warum aber die Verteidigung letztendlich dann die entscheidenden Umstände liefern musste, das sei dahin gestellt. Insofern gab es einen kleinen Hinweis, Vorwurf des Gerichtes, das lange Verfahren habe insbesondere damit zu tun. Ich kann leider da nichts ändern. Die Umstände sind, wie sie waren, und wir sind mit dem Ergebnis zufrieden. Meine Mandantin ist mit dem Ergebnis zufrieden, und insofern ist aus unserer Sicht alles gut gelaufen.“
Verweigerung von Rechtsgespräch habe Verfahren in die Länge gezogen
Der Datenanalyst Tom Lausen als Prozessbeobachter äußerte sich unter anderem wie folgt:
„Letztendlich hat der Richter am Ende noch meinen Bruder gerügt; ich sag ja immer: meinen Bruder möchte man nicht am Arsch haben, das sag ich immer, weil mein Bruder wirklich sehr genau, sehr lange und sehr akribisch arbeitet. Das hat der Richter auch zu spüren bekommen. Er selbst war auch sehr akribisch, nur hat er immer gegen die Angeklagte gearbeitet. Zumindest fühlte sich das ganz deutlich so an, und im Ergebnis kann ich nur sagen hat es eine Rüge gegeben. Nach dem Freispruch hat der Richter noch gesagt, dass der Verteidiger das in die Länge gezogen habe. Das ist ganz im Gegenteil der Fall. Der Richter hat sich einem Rechtsgespräch verweigert, was ich schwer rüge, weil das ist die Gepflogenheit vor Gericht. Er muss nicht, aber es ist die Gepflogenheit; er hat das verweigert. Damit hat er natürlich unendlich viele Beweisanträge heraufprovoziert, die er dann bearbeiten musste anstelle sich einem Rechtsgespräch, was im Sinne des Angeklagten ist, um einfach mal zu sagen, ja, was haben wir jetzt vorliegen, hat er nicht gemacht. Ich finde seine Leistung, nachdem ich anfangs sehr zufrieden war, finde ich seine Leistung am Ende schlecht. Er konnte nicht anders als freisprechen; das hat er dann auch gemacht.“
[1] Siehe z.B. „Lothar Wieler: Corona-Regeln dürfen nie hinterfragt werden“ auf „ruhrkultur.de“. Aufzurufen unter https://ruhrkultour.de/lothar-wieler-faq/corona-regeln/, zuletzt aufgerufen am 01.03.2024.
[2] Birnbaum, Robert „Carsten Breuer offiziell vorgestellt: Ein General leitet den Corona-Krisenstab“ auf „tagesspiegel.de“ vom 30.11.2021 um 18:17 Uhr. Aufzurufen unter https://www.tagesspiegel.de/politik/ein-general-leitet-den-corona-krisenstab-5413783.html, zuletzt aufgerufen am 01.03.2024.
[3] „Beschluss vom 07.07.2022 – BVerwG 1 WB 2.22. Rechtmäßigkeit der Einführung einer Duldungspflicht für Covid-19-Impfungen bei Soldaten“ auf „bverwg.de“. .Aufzurufen unter https://www.bverwg.de/de/070722B1WB2.22.0, zuletzt aufgerufen am 01.08.2024.
[4] Siehe „Bundesverwaltungsgericht Beschl. v. 03.11.1983, Az.: BVerwG 1 WB 108/8“ auf „wolterskluwer-online.de“. Aufzurufen unter https://research.wolterskluwer-online.de/document/dd3cd6b8-f1fa-4dd9-bbe7-5467793819d7, zuletzt aufgerufen am 02.03.2024.
[5] „Bundesverwaltungsgericht Beschl. v. 22.10.1982, Az.: BVerwG 1 WB 142/82“ auf „wolterskluwer-online.de“. Aufzurufen unter https://research.wolterskluwer-online.de/document/045c0bd8-a9de-4a73-9abf-41936c41a6e9, zuletzt aufgerufen am 02.03.2024.