Urteil gegen Kai­ser wegen des Vor­wurfs der Volksverhetzung

Nach einer öffent­li­chen Sit­zung vom 01.06.2023 beschloss das Amts­ge­richt Roten­burg (Wüm­me) ein Urteil wegen des Vor­wurfs der Volks­ver­het­zung nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 a), c) StGB in der Straf­sa­che gegen die AfD-Poli­ti­ke­rin Marie-Thé­rè­se Kai­ser (Az. 7 Cs 800 Js 40349/21 (296÷22).

Am 21.06.2023 berich­te­te die Kreis­zei­tung, dass Kai­sers Rechts­an­wäl­tin Dr. Anna Leo­no­re Lab­itz­ke Rathert  gegen das Urteil in Beru­fung gegan­gen sei[1].

Haupt­ver­hand­lung am Land­ge­richt Verden

Ein Jahr spä­ter, am 06.05.2024, wur­de am Land­ge­richt Ver­den die inter­na­tio­nal beach­te­te Beru­fungs­ver­hand­lung gegen Kai­ser wegen des benann­ten Vor­wurfs der Volks­ver­het­zung nach § 130 StGB ver­han­delt. Zu den han­deln­den Per­son und dem Beginn der Ver­hand­lung lesen Sie bit­te Teil 1 des Berichtes.

Die Beru­fungs­ver­hand­lung begann pünkt­lich. Rechts­an­walt Dr. Björn Cle­mens rüg­te bereits um 09:18 Uhr, noch bevor der vor­sit­zen­de Rich­ter Hei­ko Halb­fas inhalt­lich vor­tra­gen konn­te, dass ein Zuschau­er nicht hät­te her­ein­kom­men kön­nen. Damit sei der Grund­satz der Öffent­lich­keit nicht erfüllt (vgl. hier­zu § 169 GVG). Über die Grün­de, wes­halb die­ser kei­nen Ein­lass erhielt, ist nichts bekannt.

© 2024 Cri­ti­cal News —  Vor­sit­zen­der Rich­ter und Schöf­fen am LG Verden

Halb­fas über­prüf­te als ers­tes die Per­so­na­li­en der Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten, ver­wies auf die Straf­an­zei­ge gegen Kai­ser aus dem Jah­re 2022, die erst­in­stanz­li­che Ver­ur­tei­lung durch das Amts­ge­richt Roten­burg vom 01.06.2023 sowie ihren frist­ge­recht ein­ge­gan­ge­nen Ein­spruch gegen das Urteil aus dem Sep­tem­ber 2022.

Das Amts­ge­richt Roten­burg hat­te Kai­ser nach § 130 StGB gemäß Blatt 1 Band 2 der Akte wegen des Vor­wurfs der Volks­ver­het­zung für schul­dig befunden.

Rechts­an­walt Dr. Cle­mens ver­lang­te zu Beginn der Haupt­ver­hand­lung die Ver­le­sung des gesam­ten Urteils der Vor­in­stanz mit weni­gen  Aus­las­sun­gen. Ins­be­son­de­re sei­en die Abschnit­te II und ab IV Nr. 5 vor­zu­tra­gen. Die­sem Antrag wur­de statt­ge­ge­ben. An die­ser Stel­le fol­gen die ent­spre­chen­den Ori­gi­nal­zi­ta­te aus dem Urteil der ers­ten Instanz.

Die Ver­le­sung des Urteils des Amts­ge­richts Rotenburg

„Im Rah­men ihrer poli­ti­schen Betä­ti­gung betreibt die Ange­klag­te eine auf ihren Namen lau­ten­de, für Jeder­mann abruf­ba­re und der Öffent­lich­keit zugäng­li­che Inter­net­prä­senz in dem sozia­len Netz­werk Face­book, über die sie regel­mä­ßig Inhal­te tei­le. Bei der Wahl zum Deut­schen Bun­des­tag am 26.09.2021 stell­te sie sich als Kan­di­da­tin der Par­tei „Alter­na­ti­ve für Deutsch­land“ für ein Direkt­man­dat zur Wahl.

Um Auf­merk­sam­keit zu gene­rie­ren und poten­ti­el­le Wäh­ler für sich ein­zu­neh­men, set­ze die Ange­klag­te am 17.08.2021 gegen 16:00 Uhr einen unter der URL http://​www​.face​book​.com/​s​t​o​r​y​/​p​h​p​?​s​t​o​r​y​_​f​b​i​d​=​3​2​8​3​2​1​1​8​2​3​5​3​3​7​9​&​i​d​=​1​0​0​0​5​5​2​6​4​9​9​3​711 abruf­ba­ren Bei­trag ab, der aus einer Bild­teil sowie einem Text­teil bestand.

Bei dem bild­li­chen Teil des Bei­trags han­del­te es sich um eine von der Ange­klag­ten selbst erstell­te Gra­fik. Die­se zeig­te sie selbst, in die Kame­ra sehend und vor einem blau­en Hin­ter­grund. In der obe­ren lin­ken Ecke der Gra­fik befand sich – in signi­fi­kant ver­grö­ßer­ter, wei­ßer Fett­schrift – auf einem leuch­tend roten Hin­ter­grund und damit optisch als Blick­fang stark her­vor­ge­ho­ben – der Text „Afgha­ni­stan-Flücht­lin­ge“.

Dar­un­ter befand sich mit wenig Abstand der eben­falls mit­tels ver­grö­ßer­ter, wei­ßer Fett­schrift optisch in den Vor­der­grund gerück­te und auf blau­em Hin­ter­grund deut­lich her­vor­ge­ho­be­ne Text „Will­kom­mens­kul­tur für Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen?“

Bei­de Tex­te bil­de­ten auf­grund der farb­li­chen, text­li­chen und grö­ßen­mä­ßi­gen Abstim­mung auf­ein­an­der optisch eine zusam­men­ge­hö­ri­ge Ein­heit, wobei die gestal­te­ri­sche Her­vor­he­bung bei­de Text­zei­len auch im Hin­blick auf die gesam­te Gra­fik deut­lich in den Vor­der­grund stell­te und hier­durch eine auf den ers­ten Blick erkenn­ba­re Ver­bin­dung zwi­schen den Tex­ten entstand.

Zwi­schen die­se im Vor­der­grund ste­hen­de Tex­te füg­te die Ange­klag­te eine wei­te­re, indes in den Hin­ter­grund tre­ten­de Auf­schrift mit dem Inhalt „Ham­bur­ger Bür­ger­meis­ter für „unbü­ro­kra­ti­sche Auf­nah­me“ ein. Die­se war gekenn­zeich­net durch ein stark ver­klei­ner­tes und gegen­über dem blau­en Gra­fik­hin­ter­grund trans­pa­ren­tes Schrift­bild. Im Erschei­nungs­bild bil­de­te die­ser unauf­fäl­lig und erschwert erkenn­ba­re Text einen Gegen­satz zu den wei­te­ren Textzeilen.

In den unte­ren Teil der Gra­fik füg­te die Ange­klag­te das Logo der Par­tei „Alter­na­ti­ve für Deutsch­land“, den Slo­gan „Deutsch­land. Alles nor­mal.“ sowie ihren Namen mit einem Hin­weis auf die Kan­di­da­tur ein.

Hin­sicht­lich der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf das bei den Akten – Bl. 6 d. A. – befind­li­che Licht­bild der in Rede ste­hen­den Gra­fik Bezug genommen.

Unter­halb die­ser Gra­fik befand sich der text­li­che Teil des von der Ange­klag­ten erstell­ten Bei­trags, der wie folgt lautete:

„Ham­bur­ger #Will­kom­mens­kul­tur für #Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen?

Der Ham­bur­ger Bür­ger­meis­ter Peter Tsch­ent­scher (SPD) möch­te „unmit­tel­bar und unbü­ro­kra­tisch“ 200 „Geret­te­te“ aus Afgha­ni­stan aufnehmen.

Welt 17.08.2021:

https://www.welt.de/regionales/hamburg/article233181841/Nach-Taliban-Machtübernahme-Hamburg-will-200-gefaehrdete-Afghanen-aufnehmen.html.

Für Ham­burg sind die Zah­len bereits alar­mie­rend genug:

„Jeder Drit­te Ham­bur­ger hat aus­län­di­sche Wur­zeln. (…) Auf­fäl­lig ist der gro­ße Anteil jun­ger Men­schen mit #Migra­ti­ons­hin­ter­grund. (…)53,4 % aller u18-jäh­ri­gen Ham­bur­ger hat aus­län­di­sche Wurzeln(….)“

Auf Platz 2 der Bevöl­ke­rung mit Migra­ti­ons­an­teil in Ham­burg (außer­halb der EU)? Afghanistan!

Ham­bur­ger Abend­blatt 08.06.021:

https://​www​.abend​blatt​.de/​H​a​m​b​u​r​g​/​a​r​t​i​c​l​e​2​3​2​4​7​9​7​3​7​/​h​a​m​b​u​r​g​-​d​i​e​-​m​e​i​s​t​e​n​-​w​e​n​i​g​s​t​e​n​-​m​i​g​r​a​n​t​e​n​-​e​i​n​w​o​h​n​e​r​-​s​t​a​t​i​s​t​i​k​a​m​t​-​s​t​a​d​t​t​e​i​l​e​-​b​e​z​i​r​k​e​-​m​i​g​r​a​t​i​o​n​s​h​i​n​t​e​r​g​r​u​n​d​.​h​tml

Frau­en und jun­ge Mäd­chen fal­len den kul­tur­frem­den Mas­sen als ers­te zum Opfer Gera­de Afgha­nen sind bei Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen nach neu­es­ten Zah­len des BKA über­pro­por­tio­nal vertreten:

An jedem ein­zel­nen Tag wer­den im Durch­schnitt zwei Mäd­chen oder Frau­en in Deutsch­land von Män­ner­grup­pen ver­ge­wal­tigt! (…) Jeder zwei­te Tat­ver­däch­ti­ge hat­te kei­ne deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit. Häu­fig kamen die Män­ner aus isla­mi­schen Län­dern: Afgha­ni­stan, Syri­en, Irak. Beson­ders Afgha­nen sind – gemes­sen an ihrem gerin­gen Bevöl­ke­rungs­an­teil – über­pro­por­tio­nal stark vertreten.

2018 waren 6 % der Tat­ver­däch­ti­gen Afgha­nen. In der Gesamt­be­völ­ke­rung machen sie aber nur 0,3 Pro­zent aus. Die meis­ten von ihnen begin­gen die Tat noch im lau­fen­den Asylverfahren.

Bild Zei­tung 31.07.2021

https://​www​.bild​.de/​p​o​l​i​t​i​k​/​i​n​l​a​n​d​/​p​o​l​i​t​i​k​-​i​n​l​a​n​d​/​n​e​u​e​-​s​c​h​o​c​k​-​z​a​h​l​e​n​-​d​e​s​-​b​k​a​-​j​e​d​e​n​-​tag–           zwei-gruppen-vergewaltigungen-77243610.bild.html

Damit nicht genug. Inzwi­schen wer­den im gan­zen Land mehr und mehr Stim­men laut, die for­dern, afgha­ni­sche Flücht­lin­ge auf­zu­neh­men. Erwar­tet und nun also ein zwei­tes „Flücht­lings­jahr“ wie bereits 2015?

Laut Medi­en­be­rich­ten soll es etwa 7000 soge­nann­te Orts­kräf­te geben, die zusam­men mit der Bun­des­wehr vor Ort im Ein­satz waren. Geht man durch­schnitt­lich von 5 Kin­dern und einer Frau pro Per­son aus, kommt man auf gan­ze 49.000 Peros­nen. Bei Kos­ten von „nur“ 2.000 Euro p. P. im Monat lie­gen die jähr­li­chen Kos­ten bei 1,176 Mil­lar­den Euro.“

Was sind Ortskräfte?

An die­ser Stel­le sei der Aus­zug aus dem Urteil des Amts­ge­richts Roten­burg kurz unter­bro­chen, um den Begriff „Orts­kräf­te“ zu erläu­tern. Orts­kräf­te sind Ein­hei­mi­sche, die von einem Unter­neh­men „für eine Tätig­keit ein­stellt. Dies gilt auch, wenn ein Unter­neh­men eine Per­son im Aus­land ein­stellt und die­se Per­son in einen Dritt­staat ent­sen­det.“[2]

Nun zurück zum Vor­trag aus dem Urteil des Amtsgerichts:

„RND 16.08.2021

https://​www​.rnd​.de/​p​o​l​i​t​i​k​/​a​f​g​h​a​n​i​s​t​a​n​-​c​h​a​o​s​-​a​u​f​-​d​e​m​-​f​l​u​g​h​a​f​e​n​-​d​e​r​-​h​o​f​f​n​u​n​g​-​k​a​b​u​l​-​L​Q​T​X​E​V​D​Q​G​N​C​H​R​H​T​J​B​W​L​H​5​3​V​V​Z​4​.​h​t​m​l​.​?​f​b​c​i​i​d​=​l​w​A​R​2​D​I​Q​5​F​5​l​w​A​X​7​5​9​M​Q​i​f​u​g​A​x​7​H​z​y​p​A​w​c​F​9​U​4​0​f​Z​6​H​r​y​6​5​v​s​H​J​W​D​I​O​Z​N​_​lsc

Aus­ge­rech­net die­je­ni­gen, die erst in der ver­gan­ge­nen Woche behaup­te­ten, man kön­ne kos­ten­lo­se Schnell­tests im Rah­men der #Coro­na-Kri­se nicht län­ger ermög­li­chen, da die­se auf Dau­er zu teu­er sei­en, for­dern nun laut­stark die Auf­nah­me tau­sen­der Men­schen. Die Kos­ten blei­ben am deut­schen Steu­er­zah­ler hän­gen – mal wieder.

Doch war­um kön­nen Flücht­lin­ge nicht hei­mat­nah in Sicher­heit gebracht werden?

War­um hel­fen die vie­len jun­gen Män­ner nicht dabei, ihr Land und ihre Fami­li­en vor der Tali­ban zu schüt­zen und aus eige­ner Kraft wie­der auf­zu­bau­en, nach­dem die west­li­chen Län­der Jahr­zehn­te mit dem Ver­such, west­li­che Wert zu impor­tie­ren, geschei­tert sind? Wie konn­te die Tali­ban eine bes­tens aus­ge­rüs­te­te Armee bin­nen weni­ger Tage der­ma­ßen über­rum­peln? Fehl­te der Wil­le, sich dem ent­ge­gen­zu­set­zen? Fra­gen über Fragen.

Es ist wich­tig, dass Deutsch­land in die­ser Situa­ti­on kei­ne fal­schen Signa­le sen­det. Wir kön­nen und wol­len nicht alle auf­neh­men. Prio­ri­tät muss die Eva­ku­ie­rung deut­scher Staats­bür­ger haben.

Poli­tisch ist es unse­re Auf­ga­be, die Ver­ant­wort­li­chen für die­sen Krieg zu benen­nen und sinn­lo­se Ein­sät­ze unse­rer Bun­des­wehr künf­tig zu ver­mei­den, damit kei­ne Sol­da­ten mehr im Kampf um Men­schen­rech­te und Frie­den, Impe­ria­lis­mus und Gewalt zum Opfer fallen.“

Die Ange­klag­te unter­stell­te mit ihrem öffent­li­chen geteil­ten Bei­trag – ins­be­son­de­re durch die in rei­ße­ri­scher Wei­se mit bewusst angst­schü­ren­den und für den Betrach­ter aus die­sem Grund von ihr beson­ders her­vor­ge­ho­be­nen Begriff­lich­kei­ten – der Grup­pe der aus Afgha­ni­stan geflüch­te­ten und flüch­ten­den Men­schen – pau­schal – die Bege­hung schwers­ter und aus Sicht der Bevöl­ke­rung beson­ders ver­ab­scheu­ungs­wür­di­ger Straf­ta­ten, nament­lich die gemein­schaft­li­che Bege­hung von Ver­ge­wal­ti­gun­gen. Durch die­se pau­scha­le Kri­mi­na­li­sie­rung von erheb­li­chem Gewicht sprach sie die­ser Grup­pe das Recht ab, als gleich­wer­ti­ge Per­so­nen in der staat­li­chen Gemein­schaft Fuß zu fas­sen und in die­ser ihr Leben zu führen.

Ihr war bewusst, dass bei einem unbe­fan­ge­nen Betrach­ter ange­sichts der selek­ti­ven und ver­kür­zen­den Wort­wahl, der Art und Wei­se der her­vor­ge­ho­be­nen Gestal­tung prä­gnan­ter Begriff­lich­kei­ten sowie der im Text­teil dar­ge­bo­te­nen – voll­kom­men aus dem Kon­text geris­se­nen – ver­meint­li­chen Fak­ten Empö­rung, Angst und Feind­se­lig­keit gegen­über die­ser Grup­pe her­vor­ge­ru­fen wer­den. Dar­auf kam es der Ange­klag­ten unge­ach­tet der von ihr erkann­ten Aus­wir­kun­gen an, um den Fort­gang ihrer poli­ti­schen Kar­rie­re durch die Gene­rie­rung von Auf­merk­sam­keit und die Gewin­nung von Wäh­ler­stim­men zu befördern.“

Gericht unter­stellt, lie­fert aber kei­ne Fakten

An die­ser Stel­le erscheint es aus Sicht des Autors ange­bracht, das Zitat aus der Urteils­be­grün­dung zu kom­men­tie­ren. Das Amts­ge­richt Roten­burg unter­stellt Kai­ser kon­kre­te Absich­ten, ohne hier­für jeweils einen Beweis zu erbrin­gen. Genau­so gut könn­te die Ange­klag­te dem Gericht unter­stel­len, dass die­ses sie unab­hän­gig von ihren Aus­füh­run­gen vor Gericht zwin­gend ver­ur­tei­len woll­te. Wei­ter wird behaup­tet, Zita­te „voll­kom­men aus dem Kon­text“ geris­sen zu haben und spricht von „ver­meint­li­chen Fak­ten“. Auch hier wer­den kei­ne Bele­ge gebracht, son­dern ein­fach nur stumpf Din­ge behaup­tet, was dar­auf schlie­ßen las­sen könn­te, dass das Gerichts sich nicht inhalt­lich mit Kai­sers Gedan­ken aus­ein­an­der­ge­setzt hätte.

Was unter­schei­det Flücht­lin­ge von Geflüchteten?

Im gesam­ten Text nutzt das Gericht im Übri­gen den Begriff „Geflüch­te­te“ anstel­le von „Flücht­lin­gen“. Dies deu­tet dar­auf hin, dass der vor­sit­zen­de Rich­ter einer als links­grün ange­se­he­nen Ideo­lo­gi­sie­rung von Wör­tern nahe­ste­hen könnte:

„Flücht­lin­ge unter­schei­den sich von Migrant:innen dadurch, dass ihre Migra­ti­on erzwun­gen ist, sie in ihrem Hei­mat­land eine begrün­de­te Furcht vor Ver­fol­gung haben und unter den bestehen­den Umstän­den nicht in ihr Hei­mat­land zurück­keh­ren können.

[…]

Wir von Plan Inter­na­tio­nal ver­wen­den den Begriff „Geflüch­te­te Men­schen“ statt „Flücht­ling“, auch wenn dies nicht der kor­rek­te Rechts­be­griff ist. Die Bezeich­nung „Flücht­ling“ gilt unter vie­len Orga­ni­sa­tio­nen als abwer­tend und wird in fach­li­chen Krei­sen kaum noch ver­wen­det. Zum einen, weil die Endung ‑ling häu­fig ver­nied­li­chend oder abschät­zig kon­no­tiert ist (Däum­ling, Fies­ling), und zum ande­ren, weil die Flucht allein die Men­schen nicht beschreibt und auch nicht die Kom­ple­xi­tät ihrer Flucht­er­fah­run­gen wider­spie­gelt. Oft ist ein ver­ge­be­ner Sta­tus auch nur zeit­wei­se gül­tig und ihre jewei­li­ge Schutz­form kann sich noch ändern.“[3]

Wer macht pau­scha­le Unterstellungen?

„Sie han­del­te mit dem Ziel, ange­sichts der auf­grund der bestehen­den Ver­un­si­che­rung in der Gesell­schaft poli­tisch von der von ihr erzeug­ten Feind­se­lig­keit und Angst gegen­über Men­schen ins­be­son­de­re afgha­ni­scher Her­kunft zu pro­fi­tie­ren, wobei sie die Ankün­di­gung des Ham­bur­ger Bür­ger­meis­ters, Peter Tsch­ent­scher, zur Auf­nah­me geflüch­te­ter Men­schen aus Afgha­ni­stan zwar zum Anlass für ihren Bei­trag nahm, sich aber in der Sache auf pau­scha­le Unter­stel­lun­gen beschränkte.“

Auch an die­ser Stel­le lässt das Gericht Neu­tra­li­tät ver­mis­sen, da Kai­ser kon­kre­te Quel­len für ihre Behaup­tun­gen ange­führt und aus die­sen zitiert hat­te. Wie man die­se Quel­len bewer­tet, hät­te durch­aus dis­ku­tiert wer­den kön­nen; „pau­scha­le Unter­stel­lun­gen“ erscheint aber von Sei­ten des Gerichts wie eine halt­lo­se Unter­stel­lung Kai­ser gegenüber.

Das Urteil wur­de wie folgt wei­ter verlesen:

„Der unbe­fan­ge­ne Betrach­ter muss­te durch die Art und Wei­se der Gestal­tung der Gra­fik, auch und gera­de vor dem Hin­ter­grund der Aus­sa­gen im Text­teil, den Ein­druck gewin­nen sowie den ange­sichts des­sen ver­meint­lich nahe­lie­gen­den Schluss zie­hen, dass die Auf­nah­me geflüch­te­ter Men­schen aus Afgha­ni­stan zwangs­läu­fig zur Bege­hung gemein­schaft­li­cher Ver­ge­wal­ti­gun­gen durch die­se Grup­pe in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land füh­ren wird. Eine kri­ti­sche Sach­be­hand­lung der Migra­ti­ons­po­li­tik im Sin­ne eines demo­kra­ti­schen Mei­nungs­kamp­fes oder Dif­fe­ren­zie­run­gen nahm die Ange­klag­te nicht vor. Es kam ihr auch nicht dar­auf an, eine Debat­te durch die For­mu­lie­rung einer Fra­ge­ge­stel­lung her­bei­zu­füh­ren. Es han­del­te such inso­weit um eine rhe­to­ri­sche Fra­ge­stel­lung, die die Ange­klag­te selbst beant­wor­tet hat. Auf­grund ihrer grund­sätz­lich ableh­nen­den Ein­stel­lung gegen­über Men­schen afgha­ni­scher Her­kunft war die Ange­klag­te an einer Emo­tio­na­li­sie­rung gele­gen, um mit der ihr ver­füg­ba­ren Reich­wei­te Hass zu schü­ren und hier­von selbst zu profitieren.“

An die­ser Stel­le wur­den wie bean­tragt wei­te­re Tei­le des Urteils und der Urteils­be­grün­dung über­sprun­gen und mit Abschnitt II Nr. 5 fortgesetzt:

„5.

a.

Durch ihre pau­scha­le Äuße­rung hat die Ange­klag­te die Ange­klag­te [sic] die natio­na­le Grup­pe der aus Afgha­ni­stan stam­men­den, geflüch­te­ten Men­schen in bös­wil­li­ger Wei­se ver­ächt­lich gemacht. Ver­ächt­lich­ma­chen ist jede auch bloß wer­ten­de Äuße­rung, durch die jemand als der Ach­tung der Staats­bür­ger unwert oder unwür­dig hin­ge­stellt wird. Dies kann durch die Kund­ga­be von Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen oder Wert­ur­tei­len ver­wirk­licht werden.

So liegt der Fall hier, denn mit ihrer pau­scha­len Äuße­rung ist bei einem unbe­fan­ge­nen Betrach­ter der Ein­druck erweckt wor­den, es han­de­le sich bei aus Afgha­ni­stan geflüch­te­ten Per­so­nen per se um Straf­tä­ter (MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl. 2021, StGB § 130 Rn. 52). Die Ange­klag­te hat mit der von ihr erstell­ten Gra­fik gera­de die Ableh­nung der Auf­nah­me aus Afgha­ni­stan stam­men­der Per­so­nen in die Bun­des­re­pu­blik kund­ge­tan und sie damit als der Ach­tung der Staats­bür­ger unwür­dig hingestellt.

b.

Durch die vor­ste­hend genann­te Tat­hand­lung hat die Ange­klag­te die Men­schen­wür­de der betrof­fe­nen Per­so­nen­grup­pe angegriffen.

Die­sem Merk­mal kommt die Funk­ti­on der Begren­zung des Tat­be­stands auf beson­ders mas­si­ve Schmä­hun­gen, Dif­fa­mie­run­gen und Dis­kri­mi­nie­run­gen zu. Die Vor­schrift knüpft inso­weit an Art. 1 GG an. Es genügt inso­weit nicht, wenn nur der sozia­le Gel­tungs­an­spruch der Betrof­fe­nen ver­letzt und ihnen damit die Mög­lich­keit genom­men wird, unvor­ein­ge­nom­me­ne Gemein­schaft mit den ande­ren zu haben. Ein Angriff auf die Men­schen­wür­de setzt viel­mehr vor­aus, dass sich die feind­se­li­ge Hand­lung nicht nur gegen ein­zel­ne Per­sön­lich­keits­rech­te wie etwa die Ehre rich­tet, son­dern den Men­schen im Kern sei­ner Per­sön­lich­keit trifft, indem er unter Miss­ach­tung des Gleich­heits­sat­zes als min­der­wer­tig dar­ge­stellt und ihm das Lebens­recht in der Gemein­schaft bestrit­ten wird. Ein noch wei­ter­ge­hen­der Angriff etwa auf das bio­lo­gi­sche Lebens­recht an sich ist jedoch nicht erfor­der­lich (MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl. 2021, § 130 Rn. 55).

Das ist hier der Fall.

Denn der Ange­klag­ten kam es gera­de dar­auf an, aus Afgha­ni­stan geflüch­te­ten oder flüch­ten­den Men­schen in ihrer Gesamt­heit die grund­sätz­li­che Bereit­schaft und Fähig­keit zur Bege­hung schwers­ter und von der Bevöl­ke­rung als beson­ders ver­werf­lich emp­fun­de­ner Straf­ta­ten zu unter­stel­len. Mit die­ser Behaup­tung ist insi­nu­iert, dass die betrof­fe­nen Per­so­nen grund­sätz­lich erheb­lich cha­rak­ter­lich ver­roht sind und über­dies eine beson­ders nied­ri­ge Hemm­schwel­le zur Bege­hung von Gewalt­ta­ten auf­wei­sen. Es han­delt sich inso­weit um eine mas­si­ve Dif­fa­mie­rung. Die Ange­klag­te lehnt näm­lich auch gera­de des­halb die Auf­nah­me der betrof­fe­nen Per­so­nen in die Gemein­schaft ab. Dies kommt ins­be­son­de­re im Text­teil des Bei­trags zum Aus­druck („Frau­en und jun­ge Mäd­chen fal­len den kul­tur­frem­den Mas­sen als ers­tes zum Opfer“).

c.

Die Ange­klag­te kann sich hin­sicht­lich des von ihr ver­brei­te­ten Inhalts nicht mit Erfolg auf das Recht auf freie Mei­nungs­äu­ße­rung aus Art. 5 GG berufen.

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gibt jedem das Recht, sei­ne Mei­nung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu ver­brei­ten. Der Grund­rechts­schutz besteht unab­hän­gig davon, ob die Äuße­rung ratio­nal oder emo­tio­nal, begrün­det oder grund­los ist und ob sie von ande­ren für nütz­lich oder schäd­lich, wert­voll oder wert­los gehal­ten wird. Über den Inhalt einer Äuße­rung hin­aus erstreckt sich der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auch auf ihre Form, so dass auch pole­mi­sche oder ver­let­zend for­mu­lier­te Äuße­run­gen in den Schutz­be­reich des Grund­rechts fal­len. Ins­be­son­de­re in der öffent­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung, zumal im poli­ti­schen Mei­nungs­kampf, ver­mit­telt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG das Recht, auch in über­spitz­ter und pole­mi­scher Form Kri­tik zu äußern. Dass eine Aus­sa­ge scharf und über­stei­gert for­mu­liert ist, ent­zieht sie des­halb nicht dem Schutz­be­reich des Grund­rechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 24. Sep­tem­ber 2009 – 2 BvR 2179/09).

Eine inhalt­li­che Begren­zung von Mei­nungs­äu­ße­run­gen kommt jedoch im Rah­men der all­ge­mei­nen Geset­ze im Sin­ne des Art. 5 Abs. 2 GG in Betracht. Die Gerich­te haben bei der Aus­le­gung und Anwen­dung des § 130 StGB die aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG abzu­lei­ten­den ver­fas­sungs­recht­li­chen Anfor­de­run­gen zu beach­ten, damit die wert­set­zen­de Bedeu­tung des Grund­rechts auch auf der Ebe­ne der Norm­an­wen­dung im kon­kre­ten Fall zur Gel­tung kommt (BVerfG, Beschluss vom 13. Febru­ar 1996 – 1 BvR 262/91).

Um ein sol­ches, all­ge­mei­nes Gesetz han­delt es sich bei dem Straf­tat­be­stand des § 130 StGB. Inso­weit ist es ergän­zend anzu­mer­ken, dass der his­to­ri­sche Gesetz­ge­ber in § 130 StGB ein Delikt gegen die Mensch­lich­keit (BT-Drs. III, 1746, S. 3) und einen „wich­ti­gen und unver­zicht­ba­ren Bei­trag“ zur Bekämp­fung aus­län­der­feind­li­cher Pro­pa­gan­da (BT-Drs. 12, 6853, S. 18), sieht, wobei gera­de pau­scha­le Dif­fa­mie­run­gen bekämpft wer­den müs­sen. Auch der neue­ren gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lung ist inso­weit Rech­nung zu tragen.“

Ech­te Fra­ge oder Fra­ge­zei­chen nur rhetorisch?

„Die Ange­klag­te hat die zen­tra­le Auf­schrift des ver­fah­rens­ge­gen­ständ­li­chen Bei­trags als Fra­ge („Afgha­ni­stan-Flücht­lin­ge – Will­kom­mens­kul­tur für Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen?“) for­mu­liert. Inso­weit ist ver­fas­sungs­recht­lich von Belang, ob es sich um eine rhe­to­ri­sche, oder aber eine ech­te Fra­ge handelte.

Rhe­to­ri­sche Fra­gen sind nur schein­bar Fra­gen. Sie wer­den nicht um einer Ant­wort wol­len geäu­ßert, son­dern bil­den viel­mehr Aus­sa­gen, die recht­lich ent­we­der wie ein Wert­ur­teil oder aber wie eine Tat­sa­chen­be­haup­tung zu behan­deln sind. Ech­te Fra­gen ste­hen dage­gen unter dem Gesichts­punkt der Mei­nungs­frei­heit Wert­ur­tei­len gleich (BVerfGE 85, 23, 32). Die Unter­schei­dung hat anhand des Kon­texts und der Umstän­de der Äuße­rung zu erfolgen.

Sind meh­re­re Deu­tun­gen mög­lich, ist die Wahl zu begrün­den. Im Inter­es­se eines wirk­sa­men Grund­rechts­schut­zes ist jedoch im Zwei­fel von einem wei­ten Fra­ge­be­griff aus­zu­ge­hen (BverfGE 93, 266, 293).

Vor­lie­gend dürf­te es sich zwar um eine rhe­to­ri­sche Fra­ge han­deln, denn die Ange­klag­te erwar­te­te erkenn­bar kei­ne Ant­wort auf die Fra­ge, son­dern beant­wor­te­te die­se mit ihrem Bei­trag viel­mehr selbst. Das Gericht hier­bei jedoch unter Beach­tung des wei­ten Fach­be­griffs und ins­be­son­de­re ange­sichts des Kon­texts zum Vor­lie­gen eines Wert­ur­teils aus. [sic!]

Als Vor­aus­set­zung jeder recht­li­chen Wür­di­gung einer in den Schutz­be­reich der Mei­nungs­frei­heit fal­len­den Äuße­rung muss dabei ihr Sinn zutref­fend erfasst wor­den sein (BVerfG, Beschluss vom 13. Febru­ar 1996 – 1 BvR 26/91). Da schon auf der Deu­tungs­ebe­ne Vor­ent­schei­dun­gen über die recht­li­che Zuläs­sig­keit einer Äuße­rung fal­len, erge­ben sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur spe­zi­fi­sche Anfor­de­run­gen an die Aus­le­gung und Anwen­dung grund­rechts­be­schrän­ken­der Geset­ze, son­dern bereits an die ihr vor­ge­la­ger­te Inter­pre­ta­ti­on umstrit­te­ner Äuße­run­gen (BVerfG, Beschluss vom 10. Okto­ber 1995 – 1 BvR 1476, 1980/91).

Ziel der Deu­tung ist die Ermitt­lung des objek­ti­ven Sinns einer Äuße­rung. Maß­geb­lich ist daher weder die sub­jek­ti­ve Absicht des sich Äußern­den noch das sub­jek­ti­ve Ver­ständ­nis der von der Äuße­rung Betrof­fe­nen, son­dern der Sinn, den sie nach dem Ver­ständ­nis eines unvor­ein­ge­nom­me­nen und ver­stän­di­gen Publi­kums objek­tiv hat (BVerfGE 93, 266, 295).

Dabei ist stets vom Wort­laut einer Äuße­rung aus­zu­ge­hen. Die­ser legt ihren Sinn aber nicht abschlie­ßend fest, denn der objek­ti­ve Sinn wird auch vom Kon­text und den Begleit­um­stän­den einer Äuße­rung bestimmt, soweit die­se für den Reze­pi­en­ten erkenn­bar sind (BVerfGE 93, 266, 295). Die Not­wen­dig­keit der Berück­sich­ti­gung beglei­ten­der Umstän­de ergibt sich in beson­de­rer Wei­se dann, wenn die betref­fen­de For­mu­lie­rung ersicht­lich ein Anlie­gen in nur schlag­wort­ar­ti­ger Form zusam­men­fasst (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Dezem­ber 2007 – 1 BvR 3041/07).

Bei mehr­deu­ti­gen Äuße­run­gen sind sank­ti­ons­recht­lich irrele­van­te Aus­le­gungs­va­ri­an­ten mit nach­voll­zieh­ba­ren und trag­fä­hi­gen Grün­den aus­zu­schlie­ßen, bevor sie ihrer Ent­schei­dung eine zur Anwen­dung sank­tio­nie­ren­der Nor­men füh­ren­de Deu­tung zugrun­de legen (BVerfGE 114, 339, 349). Dabei braucht das Gericht nicht auf ent­fern­te, weder durch den Wort­laut noch die Umstän­de der Äuße­rung gestütz­te Alter­na­ti­ven ein­zu­ge­hen oder gar abs­trak­te Deu­tungs­mög­lich­kei­ten zu ent­wi­ckeln, die in den kon­kre­ten Umstän­den kei­ner­lei Anhalts­punk­te fin­den (BVerfGE 93, 266, 295). Bleibt die Äuße­rung mehr­deu­tig, weil sich nicht straf­ba­re Deu­tungs­mög­lich­kei­ten nicht als fern­lie­gend aus­schlie­ßen las­sen, ist die­je­ni­ge Vari­an­te zugrun­de zu legen, die noch von der Mei­nungs­fei­heit gedeckt ist. Inso­weit ist bei der Aus­le­gung von Äuße­run­gen, die einen Bei­trag zur öffent­li­chen Mei­nungs­bil­dung leis­ten, mit Blick auf das Gewicht des Grund­rechts der Mei­nungs­frei­heit in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und die grund­sätz­li­che Ver­mu­tung für die Frei­heit der Rede in der libe­ra­len Demo­kra­tie nicht eng­her­zig zu ver­fah­ren (BVerwG, Urteil vom 30. Novem­ber 2022 – 6 C 12.20 – NVwZ 2023, 602 Rn. 61).

Die Ein­las­sung der Ange­klag­ten, der Inhalt des Pos­tings gebe eine blo­ße Ver­dros­sen­heit hin­sicht­lich der aus ihrer Sicht ver­fehl­ten Asyl­po­li­tik sowie des erwar­te­ten, unkon­trol­lier­ten („unbü­ro­kra­ti­schen“) Zuzugs geflüch­te­ter Men­schen aus Afgha­ni­stan wie­der, fin­det im objek­ti­ven Sinn­ge­halt der Erklä­rung, wie sie von einem unbe­fan­ge­nen Durch­schnitts­bür­ger ver­stan­den wird, kei­ne Grundlage.

Gegen­über der zen­tra­len, pau­schal for­mu­lier­ten und in ihrer Abso­lut­heit durch nichts beleg­ten Behaup­tung, bei aus Afgha­ni­stan geflüch­te­ten oder flüch­ten­den Men­schen han­de­le es sich um Grup­pen­ver­ge­wal­ti­ger, die sich erkenn­bar in rei­ner Dif­fa­mie­rung erschöpft, hat für den unbe­fan­ge­nen Durch­schnitts­be­trach­ter der Bezug auf die – auch optisch in den Hin­ter­grund tre­ten­de – Ankün­di­gung des Ham­bur­ger Bür­ger­meis­ters kei­ner­lei Bedeu­tung für die Bestim­mung des Inhalts. An dem objek­ti­ven Sinn­ge­halt ändert sich inso­weit nichts, denn der Inhalt rich­tet sich unab­hän­gig hier­von ersicht­lich gegen die Grup­pe der aus Afgha­ni­stan geflüch­te­ten Menschen.

Selbst wenn eine Beschrän­kung der Ziel­rich­tung auf die­je­ni­gen aus Afgha­ni­stan flüch­ten­den oder geflüch­te­ten Men­schen, die sich kri­mi­nell ver­hal­ten (haben), grund­sätz­lich denk­bar erscheint, ist dies ange­sichts der selek­ti­ven Wort­wahl des Bei­trags, der Gestal­tung der Aus­sa­gen und ihre gra­fisch her­ge­stell­te Ver­bin­dung fern­lie­gend. Der Schluss, dass die Ange­klag­te  ande­re Per­so­nen die­ser Grup­pe nicht gemeint hat, kann hier gera­de nicht gezo­gen wer­den. Eine der­ar­ti­ge inhalt­li­che Dif­fe­ren­zie­rung ist dem Pos­ting nicht im Ansatz zu ent­neh­men. Viel­mehr hat die Ange­klag­te gera­de kei­ne Unter­schei­dung getroffen.

Unter Berück­sich­ti­gung des gesam­ten Kon­texts han­delt es sich nach Auf­fas­sung des Gerichts um eine Äuße­rung, die nichts zur ver­fas­sungs­mä­ßig gewähr­leis­te­ten Mei­nungs­frei­heit bei­tra­gen kann und soll, son­dern ein­zig dem Zweck dient, Ängs­te zu schü­ren, aus einer grund­sätz­li­chen Ableh­nung zum Hass auf­zu­wie­geln und hier­durch Wäh­ler­stim­men für sich zu gewinnen.

Die Mei­nungs­frei­heit muss im Übri­gen zurück­tre­ten, wenn die Äuße­rung die Men­schen­wür­de antas­tet, denn die­se ist als Wur­zel aller Grund­rech­te mit kei­nem Ein­zel­grund­recht abwä­gungs­fä­hig. Sämt­li­che Grund­rech­te sind Kon­kre­ti­sie­run­gen des Prin­zips der Menschenwürde.

So ist etwa in der gefes­tig­ten Recht­spre­chung aner­kannt, dass bei her­ab­set­zen­den Äuße­run­gen, die such als For­mal­be­lei­di­gung oder Schmä­hun­gen dar­stel­len, die Mei­nungs­frei­heit regel­mä­ßig hin­ter dem Ehren­schutz zurück­zu­tre­ten hat (BVerfGE 61, 1, 12). Im Hin­blick auf Schmäh­kraft genü­gen pole­mi­sche oder auch aus­fäl­li­ge Äuße­run­gen für sich genom­men nicht, viel­mehr muss hin­zu­tre­ten, dass nicht eine Aus­ein­an­der­set­zung in der Sache, son­dern die  Dif­fa­mie­rung im Vor­der­grund steht. Jen­seits pole­mi­scher oder über­spitz­ter Kre­dit muss sie gera­de in der Her­ab­set­zung bestehen (BVerfG 82, 272, 283 f.).

Eine Aus­ein­an­der­set­zung in der Sache ist hier nicht erkenn­bar. Die Aus­le­gung des Inhalts ergibt viel­mehrt, dass die Dif­fa­mie­rung im Vor­der­grund steht.

Der Angriff auf die Men­schen­wür­de als Nega­ti­on des Lebens­rechts der genann­ten Per­so­nen als gleich­wer­ti­ge Per­sön­lich­kei­ten und ihre damit behaup­te­te Unter­wer­tig­keit ist dar­in zu sehen, dass die Ange­klag­te die Grup­pe der aus Afgha­ni­stan geflüch­te­ten Men­schen pau­schal als Per­so­nen abge­stem­pelt hat, die gemein­schaft­lich Ver­ge­wal­ti­gun­gen, also ethisch auf nied­rigs­ter Stu­fe ste­hen­de Straf­ta­ten, bege­hen. Sie hat die­ser Grup­pe hier­durch letzt­lich den mora­li­schen Anspruch abge­spro­chen, Zuflucht in der Bun­des­re­pu­blik zu suchen und ihr Leben in die­ser Gemein­schaft zu erhal­ten. Die Men­schen­wür­de wird inso­weit nicht erst tan­giert, wenn das phy­si­sche Lebens­recht negiert wird.

Zum ande­ren ist bereits auf­grund des Vor­wurfs der „Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gung“ in Ver­bin­dung mit der ver­kürzt dar­ge­stell­ten und aus dem Zusam­men­hang geris­se­nen Sta­tis­tik auf­grund sei­nes Gewichts und sei­ner Pau­scha­li­sie­rung, gera­de wegen der auch optisch her­vor­ge­ho­be­nen Fokus­sie­rung auf das benann­te ver­ab­scheu­ungs­wür­di­ge Ver­hal­ten, eine Dif­fe­ren­zie­rung nicht ersicht­lich und des­halb fern­lie­gend. Viel­mehr spricht nichts dafür, dass die Ange­klag­te über­haupt eine Dif­fe­ren­zie­rung vor­ge­nom­men hat.

Bei dem unbe­fan­ge­nen Durch­schnitts­be­trach­ter wird durch die Über­schrift sowie die in rei­ße­ri­scher Wei­se dar­ge­stell­ten Begriff­lich­kei­ten „Will­kom­mens­kul­tur“ und „Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen“ viel­mehr der Ein­druck erweckt, die Auf­nah­me von Flücht­lin­gen aus Afgha­ni­stan füh­re unwei­ger­lich zur Bege­hung ent­spre­chen­der Taten durch die­se Personengruppe.

Die­ser Inhalt stellt einen Angriff auf die Men­schen­wür­de dar.“

Rich­ter Halb­fas been­det Ver­le­sung des Schrift­sat­zes des Amts­ge­richt Rotenburg

Um 09:49 Uhr been­det das Land­ge­richt Ver­den sei­ne aus­zugs­wei­se Ver­le­sung der Urteils­be­grün­dung.  Seit­her habe es kei­ne Ver­stän­di­gungs­ge­sprä­che in der Sache gegeben.

Rich­ter Halb­fas belehr­te Kai­ser nun über ihr Schwei­ge­recht. Es wur­de klar­ge­macht, dass es das Ziel der Ver­tei­di­gung sei, einen Frei­spruch für Kai­ser zu erreichen.

Kai­ser äußer­te sich nun selbst: es sei kei­nes­falls ihre Absicht gewe­sen, alle afgha­ni­schen Flücht­lin­ge pau­schal zu ver­ur­tei­len. Viel­mehr habe sie Fak­ten auf­ge­zeigt und auf sta­tis­ti­sche Auf­fäl­lig­kei­ten hin­ge­wie­sen. Deut­lich habe sie gemacht, wie das Ver­hält­nis der an Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen betei­lig­ten Afgha­nen zu ihrem Bevöl­ke­rungs­an­teil sei. Letzt­lich habe sie Tsch­ent­schers Poli­tik kritisiert.

Offe­ner Debat­ten­raum als Zielsetzung

Die Leser ihrer Posts sei­en alles mün­di­ge Bür­ger. Ihr Anlie­gen sei es, einen Debat­ten­raum zu schaffen.

Die poli­zei­li­che Ver­neh­mung von Kai­ser habe erge­ben, dass sie den tat­ge­gen­ständ­li­chen Post im Zug abge­setzt habe. Halb­fas begehr­te zu wis­sen, wo die­ser über­all ver­öf­fent­licht wor­den sei. Dies sei, so Kai­ser, auf Face­book, Insta­gram und Tele­gram erfolgt. Gege­be­nen­falls hät­te sie auch ein­zel­ne Per­so­nen auf Whats­App indi­vi­du­ell ange­schrie­ben. Ob eine Tei­lung auch auf Twit­ter (heu­te „X“) erfolgt sei, wis­se sie nicht mehr.

Spra­ve inter­es­siert sich für Kai­sers Reichweite

Nun mel­de­te sich Ober­staats­an­wäl­tin Dr. Katha­ri­na Spra­ve das ers­te Mal wäh­rend der Haupt­ver­hand­lung zu Wort:

„Wür­den Sie das heu­te noch­mal so posten?“

Kai­ser ent­geg­ne­te, dass sie natür­lich auch wei­ter­hin kri­ti­sche Fak­ten tei­len wür­de, um einen ent­spre­chen­den Debat­ten­raum zu bie­ten. Ihre Fol­lower hät­ten den Post über­wie­gend posi­tiv aufgenommen.

Die Staats­an­wäl­tin woll­te nun wis­sen, wie vie­le Fol­lower Kai­ser habe. Dar­auf über­prüf­te die Ange­klag­te die für den 06.05.2024 aktu­el­len Zah­len auf ihrem Smart­phone. Auf Insta­gram füh­re sie zwei Accounts, einen mit aktu­ell 15.700 und einen mit 6.961 Fol­lo­wen. Auf Face­book errei­che sie aktu­ell etwa 3.500 Per­so­nen und auf Twit­ter etwa 32.500. Dabei sei die Zahl ihrer Fol­lower bestän­dig steigend.

Hät­ten ihre Anwäl­te bis dahin irgend­wel­che Fra­ge, so Halb­fas. Das sei nicht der Fall.

Nun ver­las Rich­ter Halb­fas Blatt 7 der Akte, in dem es um den Ham­bur­ger SPD-Poli­ti­ker Tsch­ent­scher und ein Wahl­pla­kat der AfD von Kai­ser ging. Die­ses beinhal­te­te einen Zei­tungs­ar­ti­kel aus dem „Ham­bur­ger Abend­blatt“ vom 08.06.2021[3]. In der Bild­un­ter­schrift zum Arti­kel, der sich aktu­ell hin­ter einer Bezahl­schran­ke ver­birgt, heißt es:

„Nach aktu­el­len Zah­len des Sta­tis­tik­amts Nord hat jeder drit­te Ham­bur­ger aus­län­di­sche Wur­zeln. Ende ver­gan­ge­nen Jah­res waren es 700.000 Men­schen – 36,7 Pro­zent aller Ein­woh­ne­rin­nen und Ein­woh­ner Ham­burgs“ [4]

ihrer Face­book-Kachel schrieb Kai­ser dazu:

„Jeder drit­te Ham­bur­ger hat aus­län­di­sche Wurzeln.(…)Auffällig ist der gro­ße Anteil jun­ger Men­schen mit #Migrationshintergrund.(…)53,4% aller u18-jäh­ri­gen Ham­bur­ger hat aus­län­di­sche Wur­zeln(…)“[5]

Als nächs­tes beinhal­te Kai­sers Kachel einen Aus­zug aus einem Arti­kel der BILD-Zei­tung vom 31.07.2021[6]:

„An jedem ein­zel­nen Tag wer­den im Durch­schnitt zwei Mäd­chen oder Frau­en in Deutsch­land von Män­ner­grup­pen vergewaltigt!

DAS ist das scho­ckie­ren­de Ergeb­nis einer BILD-Anfra­ge an das Bun­des­kri­mi­nal­amt (BKA). Dem­nach wur­den im ver­gan­ge­nen Jahr 704 Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gungs­ver­fah­ren gezählt.

Zum Ver­gleich: 2019 waren es 710, 2018 nur mini­mal weni­ger (659).

Bri­sant: Jeder zwei­te Tat­ver­däch­ti­ge hat­te kei­ne deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit. Häu­fig kamen die Män­ner aus isla­mi­schen Län­dern: Afgha­ni­stan, Syri­en, Irak.

Beson­ders Afgha­nen sind – gemes­sen an ihrem gerin­gen Bevöl­ke­rungs­an­teil – über­pro­por­tio­nal stark ver­tre­ten. 2018 waren 6 Pro­zent der Tat­ver­däch­ti­gen Afgha­nen. In der Gesamt­be­völ­ke­rung machen sie aber nur 0,3 Pro­zent aus.

Die meis­ten von ihnen begin­gen die Tat noch im lau­fen­den Asylverfahren.

Auch in Leer sol­len Flücht­lin­ge zu Tätern gewor­den sein. Drei Migran­ten aus Syri­en und dem Irak ver­ge­wal­tig­ten und miss­han­del­ten mut­maß­lich ein Mäd­chen (16, BILD berich­te­te). Es wäre kein Ein­zel­fall, wie die BKA-Schock­zah­len bele­gen.“[7]

Der nächs­te Text von Kai­sers Kachel ver­wies  auf einen Bei­trag der WELT vom 17.08.2021[8]:

„Ham­burg will nach der Macht­über­nah­me der Tali­ban in Afgha­ni­stan 200 Men­schen auf­neh­men – die AfD fin­det, die Stadt sei dafür „zu eng““[9]

Aus einem grö­ße­ren Aus­zug der WELT zitier­te Kai­ser wie folgt:

„Nach der fak­ti­schen Macht­über­nah­me der Tali­ban in Afgha­ni­stan hat Ham­burg ange­bo­ten, Men­schen aus dem Land auf­zu­neh­men. „Die Ent­wick­lung in Afgha­ni­stan ist dra­ma­tisch“, schrieb Ham­burgs Bür­ger­meis­ter Peter Tsch­ent­scher (SPD) am spä­ten Mon­tag­abend auf dem Kurz­nach­rich­ten­dienst Twit­ter. Ham­burg habe ange­bo­ten, „unmit­tel­bar und unbü­ro­kra­tisch 200 Geret­te­te auf­zu­neh­men“.  Innen­se­na­tor Andy Gro­te (SPD) sag­te dem NDR, man sei in kon­kre­ten Gesprä­chen mit dem Bund und wol­le in Ham­burg Erst­auf­nah­me­ka­pa­zi­tä­ten zur Ver­fü­gung stel­len. In Ham­burg lebt seit vie­len Jah­ren eine gro­ße afgha­ni­sche Gemein­schaft, sie gilt als die größ­te Euro­pas.“ [10]

Immer mehr Stim­men hät­ten die Auf­nah­me wei­te­rer Afgha­nen gefor­dert. Dar­aus lei­te­te Kai­ser die Fra­ge ab, ob uns ein zwei­tes Jahr 2015 erwar­ten werde.

Als nächs­tes ver­wies die Poli­ti­ke­rin in ihrem Post auf einen Bei­trag des Redak­ti­ons­netz­wer­kes Deutsch­land (RND) vom 15.08.2021, in dem die zu hohen Kos­ten für die wei­te­re Bereit­stel­lung kos­ten­lo­ser Schnell­tests the­ma­ti­siert wur­den. Sie stell­te die Fra­ge, wes­halb man Flücht­lin­ge  nicht hei­mat­na­he in Sicher­heit brin­gen könn­te. Deutsch­land sol­le in die­ser Situa­ti­on kei­ne fal­schen Signa­le senden.

Die Vor­le­sung geht weiter

Ab 10:02 Uhr folg­te durch das Gericht die Ver­le­sung aller von Kai­ser ver­link­ten Arti­kel in der von ihr ver­link­ten Rei­hen­fol­ge. Als ers­tes ging es um den Bericht der WELT von 17.08.2021 (sie­he Zita­te oben), dann um jenen des Ham­bur­ger Abend­blatts vom 08.06.2021 (sie­he eben­falls oben). 

In dem als zwei­tes benann­ten Text wur­de wei­ter aus­ge­führt, dass Ein­wan­de­rung in Ham­burg Tra­di­ti­on habe und dass allein in den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren ein Anstieg des Migran­ten­an­teils um 7 % erfolgt sei. Dabei hät­ten auf­fäl­lig vie­le jun­gen Ein­woh­ner einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund. Auf dem zwei­ten Platz unter allen außer­eu­ro­päi­schen Migran­ten befän­den sich die Afghanen.

Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen oft zum Zweck der Demü­ti­gung und Ernied­ri­gung der Opfer[11]

Nun wur­de der ver­link­te Text der BILD-Zei­tung ver­le­sen. Neben den bereits zitier­ten Pas­sa­gen hieß es unter ande­rem, dass nicht jeder, der nach Deutsch­land kom­me, das Land als Zufluchts­ort sehen wür­de. Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen sei­en kei­ne Aus­nah­me und das Grau­en­volls­te, das einer Frau gesche­hen kön­ne. Oft sei­en die Täter jun­ge frus­trier­te Män­ner, die hier­zu­lan­de kei­ne Part­ne­rin aus ihrem Kul­tur­kreis fin­den würden.

Im nächs­ten Link habe Kai­ser auf einen Bei­trag des RND vom 16.08.2021 ver­wie­sen[12]. Dem­nach sei­en tau­sen­de von Men­schen auf der Flucht vor der Tali­ban gestran­det. Das Enga­ge­ment der Inter­na­tio­na­len Gemein­schaft sei nach fast zwan­zig Jah­ren im Cha­os zu Ende gekom­men, wäh­rend die Tali­ban nur eine Woche brau­chen wür­de, um das gan­ze Land zu über­rol­len.  Man­chen Poli­ti­kern wür­de nun däm­mern, dass sie damals einen Feh­ler began­gen hätten.

Das übli­che Ver­fah­ren sei die Ableh­nung von Anträ­gen der Oppo­si­ti­on. Anschlie­ßend wür­de man die­sen dann in Tei­len selbst in Regie­rungs­an­trä­ge ein­brin­gen. Das bis­he­ri­ge Vor­ge­hen sei aller­dings in Zei­ten mul­ti­pler Kri­sen so nicht mehr mög­lich. Auch sei die Lage damals vom Aus­wär­ti­gen Amt falsch ein­ge­schätzt wor­den. Heu­te wol­le Laschet die Luft­brü­cke aus Afgha­ni­stan wei­ter ausweiten.

Die Ver­tei­di­gung möch­te das Bild vervollständigen

Um 10:30 Uhr ende­te die Ver­le­sung der von Kai­ser ver­link­ten Tex­te. Ver­wie­sen wur­de nun von Rich­ter Halb­fas auf eine klei­ne Anfra­ge der Bun­des­re­gie­rung. Dar­aus wol­le er Aus­zü­ge und auch sol­che der Sta­tis­tik ver­le­sen wollen.

Rechts­an­walt Dr. Cle­mens gab nun an, selbst eini­ge Ver­le­sun­gen bean­tra­gen zu wol­len., näm­lich zunächst von Terre des Femmes einen all­ge­mei­nen Über­blick über die „Frau­en-Nicht-Rech­te“ in Afgha­ni­stan, dann eine Bei­trag aus der „Jun­gen Frei­heit“.

Rich­ter Halb­fas woll­te an sich zunächst Blatt 65 der Akte ab der „Vor­be­mer­kung der Bun­des­re­gie­rung“ bis zu Blatt 68 ver­le­sen, doch ent­schied man sich, zunächst den Text von „Terre des Femmes“ ab Blatt 241 der Alte zu ver­le­sen. Dr. Cle­mens wür­de es an die­ser Stel­le aus­rei­chend sein, falls Halb­fas nur Blatt 246 I und III der Akte ver­le­sen würde.

Ein­ge­schränk­te Frau­en­rech­te in Afghanistan

Gemäß Blatt 243 der Akte gestal­te sich die Situa­ti­on der Frau­en in Afgha­ni­stan so, dass sie in allen Lebens­be­rei­chen dis­kri­mi­niert wür­den. Häus­li­che Gewalt, Zwangs­hei­rat u. v. m. sei­en Ter­res des Femmes zufol­ge zur Kon­flikt­lö­sung im gan­zen Reich ver­brei­tet. Frau­en, die sich nicht gesell­schaft­lich kon­form zei­gen wür­den, wür­de man bestra­fen und z. T. getötet.

Nur in weni­gen Berei­chen wie im Gesund­heits­we­sen hät­ten afgha­ni­sche Frau­en dem Arti­kel zufol­ge das Recht, sich beruf­lich zu betä­ti­gen. Auf­stiegs­chan­cen in Ent­schei­dungs­po­si­tio­nen sei­en damit aller­dings nicht verbunden.

In Afgha­ni­stan gäbe es zahl­rei­che Bin­nen­ver­trie­be­ne. Oft sei­en die­se zu Kin­der­ehen oder Zwangs­hei­ra­ten gezwun­gen. Weit ver­brei­tet im Land sei auch sexua­li­sier­te Gewalt. So hät­ten etwa 87 % aller Frau­en Erfah­run­gen mit phy­si­scher, oft sexua­li­sier­ter Gewalt. Benannt wur­den auch hohe Zah­len ermor­de­ter Frauen.

Unter der Tali­ban habe man die Frau­en­schutz­häu­ser geschlos­sen. Vie­le Män­ner, die wegen geschlechts­spe­zi­fi­scher Gewalt inhaf­tiert gewe­sen sei­en, sei­en von der Tali­ban ent­las­sen wor­den, wodurch vor­he­ri­ge Opfer nun erst recht um ihr Leben fürch­ten müssten.

Ver­ge­wal­ti­gun­gen in der Ehe wür­den sel­ten benannt , geschwei­ge denn ange­zeigt. Afgha­ni­schen Frau­en wer­de nicht das Recht zuge­spro­chen, selbst über sich zu bestim­men. Frau­en, die den­noch den Schritt zu einer Anzei­ge gin­gen, wür­den sich selbst gefähr­den und ris­kie­ren, dass man sie anschlie­ßend töte. Dabei erschwe­re die Scha­ria die Ver­fol­gung von Vergewaltigungsfällen.

Ehren­mor­de geschä­hen oft ohne straf­recht­li­che Folgen

Wei­ter ver­le­sen wur­de nun Blatt 247 mit dem Titel „Gewalt im Namen der Ehre“. Dem­nach kön­ne bereits der Ver­dacht vor- oder außer­ehe­li­chen Geschlechts­ver­kehrs Grund für die Tötung einer afgha­ni­schen Frau sei. 15,4 % der jähr­li­chen Ehren­mor­de bezö­gen sich auf Frau­en, die von zu Hau­se flie­hen wür­den[13].

Bei zahl­rei­chen Ehren­mor­den gäbe es weder eine Straf­ver­fol­gung noch eine Ermitt­lung. Viel­mehr beob­ach­te an eine mas­si­ve Zunah­me von Angrif­fen auf Menschenrechtlerinnen.

Nun wur­de ein Bei­trag aus der „Jun­gen Frei­heit“ ver­le­sen. Hier­nach sei immer wie­der von Ein­zel­tä­tern die Rede. 2021 habe es jedoch ins­ge­samt 798 Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen in Deutsch­land gege­ben, dies gemäß Zah­len laut klei­ner Anfra­ge von Ste­fan Brand­ner von der AfD[14]. Der stärks­te Zuwachs sei von 2014 auf 2015 erfolgt.

Wann liegt eine Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gung vor?

Wie wür­den „Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen“ defi­niert? Eine sol­che wer­de ange­nom­men, wenn es mehr als einen Tat­ver­däch­ti­gen gäbe oder die Ver­ge­wal­ti­gung über­fall­ar­tig erfol­ge. Bei­spiel­haft sei der Anstieg in Nie­der­sach­sen von 2021 auf 2022 von 81 auf 110, in Baden-Würt­tem­berg von 36 auf 51 erfolgt.

Über 50 % der Tat­ver­däch­ti­gen sei­en Aus­län­der. Dabei sei ein mög­li­cher Migra­ti­ons­hin­ter­grund deut­scher Täter unbe­rück­sich­tigt gewe­sen. Für die Jah­re 2016 sowie 2018 bis 2022 sei jeweils die Mehr­heit der aus­län­di­schen Tat­ver­däch­ti­gen aus Syri­en oder Afgha­ni­stan gekom­men[15].

Die gerings­te Zahl von Über­grif­fen habe im Saar­land und in Thü­rin­gen gege­ben. Bun­des­weit habe es die größ­te Zahl der Über­grif­fe gegen­über deut­schen Frau­en gege­ben. Dabei sei­en 64 % aller Täter bereits vor­her poli­zei­lich in Erschei­nung getreten.

Brand­ner zufol­ge bedeu­te es für die Opfer einer Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gung ein lebens­lan­ges Trau­ma zu erleiden.

Zuzug von Flücht­lin­gen nach Deutsch­land dür­fe man nicht verhindern

Rich­ter Halb­fas ver­las nun als nächs­tes eines Arti­kel aus der taz vom 25.05.2022. Dem­nach sei­en Auf­nah­me­pro­gram­me vor­erst gestoppt. Es sei erfor­der­lich, Sicher­heits­in­ter­views ein­zu­füh­ren, da sich zahl­rei­che Isla­mis­ten unter den Flücht­lin­gen befin­den würden.

Eine sol­che Gefähr­dung der Sicher­heit kön­ne man nicht hin­neh­men. Das Dilem­ma sei aber, dass man es gleich­zei­tig nicht ver­hin­dern dürf­te, dass Flücht­lin­ge über­haupt nach Deutsch­land kom­men dürften.

Zum Zeit­punkt des taz-Arti­kels sei einer Aus­rei­se aus Afgha­ni­stan nicht mög­lich gewe­sen. Wer aber zurück­rei­se, für den dro­he eine beson­ders hohe Gefahr für Leib und Leben durch die Taliban.

An die­ser Stel­le bestä­tig­te Rich­ter Halb­fas um 10:55 Uhr, dass in den ver­link­ten und von ihm ver­le­se­nen Arti­keln Zah­len benannt wor­den seien.

Bild­zei­tung beklagt feh­len­de öffent­li­che Diskussion

Rechts­an­walt Dr. Cle­mens ver­wies nun auf den Schrift­satz vom 14.04.2023[16] und bat dar­um, dar­aus vor­zu­le­sen. Blatt 66 der Akte erhielt an die­ser Stel­le einen Arti­kel aus der BILD mit dem Titel „Was jetzt pas­sie­ren muss“.

Der Anteil der Afgha­nen an Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen sei drei­mal höher als deren Anteil an der Gesamt­be­völ­ke­rung. Die stei­gen­de Zahl die­ser Taten habe eine deutsch­land­wei­te Dis­kus­si­on aus­ge­löst. Dabei wur­de beklagt, dass die Debat­te sehr lan­ge unter­drückt wor­den sei und Kri­ti­ker oft als Ras­sis­ten und Rechts­extre­me dif­fa­miert wor­den seien.

Vor­la­dung von Nan­cy Fae­ser als Zeu­gin beantragt

Rechts­an­walt Dr. Cle­mens stell­te nun einen Beweis­an­trag zur Ver­neh­mung sowohl der Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin Nan­cy Fae­ser wie auch von Peter Thie­de. Fae­ser sei auf der Bun­des­pres­se­kon­fe­renz vom 09.04.2024 von Thie­de befragt wor­den. Dem­nach habe es gemäß poli­zei­li­cher Kri­mi­nal­sta­tis­tik einen signi­fi­kan­ten Anstie­ge der Kri­mi­na­li­tät durch Migra­ti­on gege­ben. Genau daher habe Fae­ser auch die ent­spre­chen­den Maß­nah­men ver­an­lasst. In dem Video wür­de man sehen, dass auf zwei ent­spre­chen­de Fra­gen, zwei­mal mit „ja“ geant­wor­tet wür­de[17].

Kai­ser habe, so Rechts­an­walt Dr. Cle­mens, nur eine mitt­ler­wei­le von der Bun­des­re­gie­rung aner­kann­te Tat­sa­che the­ma­ti­siert. Es sei damit bewie­sen, dass sie nur den Sach­ver­halt an die Öffent­lich­keit brin­gen woll­te, den Fae­ser nun selbst zuge­ge­ben habe.

Durch das rei­ne Anschau­en des Vide­os der dama­li­gen Bun­des­pres­se­kon­fe­renz kön­ne man mög­li­cher­wei­se auf eine Zeu­gen­be­fra­gung ver­zich­ten. Dies sei aus­drück­lich kein Schau­an­trag, son­dern in der Sache wichtig.

Kai­ser Urhe­be­rin der frag­li­chen Screenshots?

Nun über­nahm wie­der Rich­ter Halb­fas das Szep­ter. Es gehe nun um Blatt 15 und 16 der Akte. Die­se ent­hal­te zwei Screen­shots. Halb­fas bat nun Frau Kai­ser und die ande­ren Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten zu sich nach vor­ne, um die benann­ten Screen­shots anzusehen.

Auf Nach­fra­ge bestä­tig­te Kai­ser, dass dies ihr Face­book­pro­fil sei, das aber ihre Sei­te, nicht jedoch das Pro­fil. Kai­ser erklär­te Rich­ter und Staats­an­wäl­tin an die­ser Stel­le die Unter­schie­de zwi­schen „Freun­den“ auf der einen und „Fol­lo­wern“ auf deren ande­ren Seite.

Die Staats­an­wäl­tin fühl­te sich an die­ser Stel­le zu einer Stel­lung­nah­me gezwun­gen. Ihrer Mei­nung nach hät­ten die vor­ge­tra­ge­nen Tex­te nichts mit dem Ver­fah­ren zu tun. Der Bericht vom April 2024 ste­he ihrer Mei­nung nach in kei­nem Zusam­men­hang mit dem Originalpost.

Spra­ve ver­mu­tet poli­ti­sche Bot­schaf­ten für Publi­kum und Prozessbeteiligte

Viel­mehr stel­le sich, so Ober­staats­an­wäl­tin Dr. Spra­ve, die Fra­ge, ob Kai­ser und ihre Anwalt durch die Ver­le­sung gege­be­nen­falls poli­ti­sche Bot­schaf­ten bei­brin­gen wollten.

Es stellt sich an die­ser Stel­le die Fra­ge, wel­che Per­so­nen nach Spra­ves Mei­nung Emp­fän­ger der mut­maß­lich zu trans­por­tie­ren­den poli­ti­schen Bot­schaf­ten sein soll­ten. Ver­tei­di­gung und wohl auch alle, zumin­dest aber die meis­ten, Zuschau­er stan­den bereits zu Beginn der Ver­hand­lung auf Kai­sers Sei­te. Inso­fern dürf­ten höchs­tens Rich­ter, Schöf­fen, Staats­an­wäl­tin sowie die anwe­sen­den Pres­se­ver­tre­ter Ziel­grup­pe gewe­sen sein, wobei eine maß­geb­li­che Außen­wir­kung allein von den Jour­na­lis­ten zu erwar­ten sein dürfte.

Auf Spra­ves Ein­wand ent­geg­ne­te Dr. Cle­mens als Ver­tei­di­ger, die Tex­te wür­den bele­gen, dass Kai­sers dama­li­ge Gefah­ren­pro­gno­se berech­tigt gewe­sen sei. Also habe Kai­ser damals vor einer dro­hen­den Fehl­ent­wick­lung gewarnt und habe gera­de nicht ein­fach nur Stim­mung gemacht.

Um 11:10 Uhr ent­schied Rich­ter Halb­fas, eine 45minütige Unter­bre­chung zu machen.

Die Pau­se wur­de genutzt, um Dr. Spra­ve auf den Bericht im „Volks­ver­pet­zer [18] (sie­he Zitat in fol­gen­dem Arti­kel: https://​cri​ti​cal​-news​.de/​b​e​r​u​f​u​n​g​s​v​e​r​h​a​n​d​l​u​n​g​_​k​a​i​s​e​r​_​2​0​24/) hin­zu­wei­sen. Läge hier gege­be­nen­falls eine Volks­ver­het­zung durch den Autor des Arti­kels vor. Spra­ve ver­wies auf den Schrift­weg, woll­te sich den Text trotz des unmit­tel­ba­ren Bezugs zur Ankla­ge, aus­drück­lich nicht an die­ser Stel­le ansehen.

Beim Ver­las­sen des Rau­mes kam es zu der im letz­ten Teil geschil­der­ten Begeg­nung mit Kling­beil, der sich dage­gen ver­wehr­te, „O‑Töne“ mit­zu­schnei­den (sie­he hier). Auch erfolg­te ein Inter­view mit Herrn Dipl. Ing. Maik Julitz, dem AfD-Kreis­vor­sit­zen­den aus Stade.

Kei­ne Anhö­rung der Bundesinnenministerin

Um 12:11 Uhr hat­ten sich neben den Eltern der Ange­klag­ten wie­der 10 Zuschau­er im Gerichts­saal ver­sam­melt, bevor der vor­sit­zen­de Rich­ter mit sei­nen bei­den Schöf­fin­nen schließ­lich um 12:30 Uhr in den Raum zurückkehrte.

Der Beweis­an­trag zur Ver­neh­mung von Fae­ser und Thie­de wer­den nach § 244 StPO abge­lehnt, da die Tat­sa­che, die bewie­sen wer­den soll­te, für die Ent­schei­dung ohne Bedeu­tung sei. Es sei an die­ser Stel­le allein über den Post vom 17.08.2021 zu ent­schei­den. Daher sei es egal, ob der Bei­trag eine poli­ti­sche Debat­te aus­lö­sen soll­te und ob die Fak­ten von Kai­ser kor­rekt wie­der­ge­ge­ben wor­den seien.

Eine Erwei­te­rung des Rechts auf Mei­nungs­frei­heit sein dadurch ohne Befürch­tung straf­recht­li­cher Kon­se­quen­zen nicht möglich.

Nun mel­de­te sich erneut Rechts­an­walt Dr. Cle­mens zu Wort. Er ver­wies dar­auf, dass auch das Video Teil sei­nes Beweis­an­tra­ges gewe­sen sei. Gemein­sam sol­le man sich die Minu­ten 28 bis 33 anse­hen. Rich­ter Halb­fas ver­ste­he, was die Ver­tei­di­gung wol­le, näm­lich, dass eine empi­ri­sche Grund­la­ge für die Äuße­run­gen von Kai­ser bestan­den habe.

Erst­mals mel­de­te sich nun auch Rechts­an­walt Dr. Wei­land zu Wort. An der Bun­des­press­kon­fe­renz sehe man, wie Spra­che im poli­ti­schen Kon­text genutzt wer­de. Spra­che müs­se immer mit all­ge­mei­nen Begrif­fen arbei­ten und sei daher immer eine Verallgemeinerung.

Aus­le­gung von Fae­ser und Kai­ser müs­se die glei­chen Maß­stä­be setzen

Fae­ser spre­che etwas von Migra­ti­on und mei­ne damit natür­lich nicht alle Migran­ten. Kai­ser mein­te natür­lich auch nicht alle Afgha­nen. Aus dem Kon­text wür­de sich erschlie­ßen, dass Kai­ser nur jene Migran­ten gemeint habe, die kri­mi­nell seien.

Halb­fas begehr­te nun zu wis­sen, was das Video bewei­sen sol­le. Dr. Cle­mens hier­zu: aus Rechts­kom­men­tie­run­gen lese er es deut­lich anders als vom Gericht vor­ge­tra­gen wor­den sei, näm­lich, dass das Recht auf Mei­nungs­frei­heit bei poli­ti­schen Debat­ten erwei­tert wer­de. Nun wie­der der Rich­ter: Dr. Cle­mens habe die Zeu­gen Fae­ser und Thie­de bereits wört­lich zitiert.

Erneut mel­de­te sich Dr. Wei­land zu Wort. Sei­ne Man­dan­tin hät­te damals gesagt „Migra­ti­on habe Deutsch­land unsi­che­rer gemacht“. Genau das habe nun Fae­ser auch gesagt. Spra­che funk­tio­nie­re so, dass man etwas aus dem Kon­text ver­ste­hen müsse.

Auch die Bun­des­pres­se­kon­fe­renz wür­de sicher von „Afgha­nen“ spre­chen und nicht indi­vi­du­el­le Afgha­nen benennen.

Rechts­an­walt Dr. Cle­mens stell­te nun einen Beweis­an­trag, die Minu­ten 28:48 bis 33:20 der oben benann­ten Bun­des­pres­se­kon­fe­renz anzu­se­hen.  Auf Nach­fra­ge wur­de bestä­tigt, dass dies für heu­te der letz­te Beweis­an­trag sei.

Ober­staats­an­wäl­tin Dr. Spra­ve ver­kün­de­te, dass sie sich auf ihre ursprüng­li­che Stel­lung­nah­me zurück­zie­hen wür­de. Wei­ter führ­te sie aus: „Wir reden von einem Vor­fall vor etwa drei Jah­ren.“ Es gäbe dabei genug Anknüp­fungs­tat­sa­chen für eine Bewertung.

Um 12:42 Uhr beschloss der vor­sit­zen­de Richter:

„Wir tref­fen uns um Vier­tel nach Eins wieder.“

In der Ver­hand­lungs­pau­se kam es unter ande­rem zu einem Gespräch mit Rechts­an­walt Dr. Cle­mens. Die­ser habe bereits zu die­sem Zeit­punkt mit einem vor­ge­fass­ten Urteil gerechnet.

Opas gegen links

Vor dem Gericht posier­ten anschlie­ßend zusam­men auch mit der Ange­klag­ten eini­ge der Zuschau­er als „Opas gegen links“, also direkt als poli­ti­scher Spie­gel gegen die zuvor vor dem Gericht befind­li­chen „Omas gegen rechts“.

© 2024 Cri­ti­cal News —  Marie-Thé­rè­se Kai­ser und die Opas gegen Rechts

Um 13:15 Uhr saßen neben den Eltern der Ange­klag­ten 11 wei­te­re Per­so­nen im Raum, bevor der vor­sit­zen­de Rich­ter mit sei­nen Schöf­fin­nen erneut ins Gericht kamen.

Nun wur­de das Video von der Bun­des­pres­se­kon­fe­renz ein­ge­spielt und bis zur Minu­te 33:07 abge­spielt. In dem Mit­schnitt stell­te Thie­de von der BILD-Zei­tung Fra­gen an Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin Nan­cy Fae­ser. Eine hohe Migra­ti­ons­dy­na­mik füh­re zu einem Nach­las­sen der Inte­gra­ti­on. Dadurch stei­ge die beob­ach­te­te Kri­mi­na­li­tät. Eine unkon­trol­lier­te ille­ga­le Immi­gra­ti­on erfol­ge oft über Schlep­per-Mafia­or­ga­ni­sa­tio­nen. Wür­den die Belas­tungs­gren­zen über­schrit­ten, so Hol­ger Münch vom Bun­des­kri­mi­nal­amt, so habe das auch wei­te­re Effekte.

Zu den Per­so­na­li­en der Angeklagten

Nach dem Abspie­len des Film­ma­te­ri­als stell­te Rich­ter Halb­fas ab 13:25 Uhr Fra­gen zu den per­sön­li­chen Ver­hält­nis­sen von Kai­ser. Die­se gab unter ande­rem an, dass sie Abitur und einen Bache­lor-Abschluss habe und gab Infor­ma­tio­nen zu ihren fami­liä­ren Verhältnissen.

Wo sie arbei­te? Sie arbei­te als Büro­sach­be­ar­bei­te­rin / Sekre­tä­rin bei einem Abge­ord­ne­ten im Deut­schen Bun­des­tag. Wer das sei? Kai­ser woll­te nun wis­sen, ob die Aus­kunft hier­auf frei­wil­lig sei. Das sei der Fall. Die Fra­ge blieb in der Fol­ge unbeantwortet.

Was Kai­ser ver­die­ne. Dazu habe sie sich bis­lang nicht geäu­ßert. Blei­be das so? Kai­ser: ja.

Wei­ter berich­te­te die Ange­klag­te von ihrem Zweit­wohn­sitz, für den sie auch Mie­te zah­len müsse.

Rich­ter Halb­fas ver­wies an die­ser Stel­le auf den Bun­des­zen­tral­re­gis­ter­aus­zug vom 30.01.2022, der kei­ne Ein­tra­gun­gen bei Kai­ser ent­hal­te. Außer­dem führ­te er aus, dass es zu kei­ner Ver­stän­di­gung nach § 257 c StPO zwi­schen Gericht und Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten gekom­men sei.

Rechts­an­walt Dr. Cle­mens fass­te nun die Ergeb­nis­se der bis­he­ri­gen Beweis­erhe­bung zurück, wobei er beson­ders die Inhal­te des Arti­kels von Man­sour aus der BILD-Zei­tung beton­te. Dem­nach sei die Debat­te sehr lan­ge unter­drückt wor­den. Das sei 2024 aus­ge­spro­chen wor­den. Er sei jedoch über das Unver­ständ­nis der Staats­an­walt­schaft und des Gerichts ver­wun­dert. Die Unter­drü­ckung sei der Grund für das Erstel­len des Posts gewesen.

Die Äuße­run­gen von Tsch­ent­scher in Ham­burg sowie der Zusam­men­bruch des Stütz­punkts in Afgha­ni­stan sei­en ent­schei­dend für Kai­sers Post gewe­sen. Damals sei die Debat­te von Tsch­ent­scher und ande­ren sehr ein­sei­tig erfolgt; man hät­te die mit der Ent­schei­dung ver­bun­de­nen Kon­se­quen­zen nicht thematisiert.

Wei­ter­ge­hen­de Mei­nungs­rech­te bei poli­ti­scher Diskussion

Frau Kai­ser habe eine unter­drück­te Debat­te aus­ge­löst. Genau das sei im Kom­men­tar der BILD-Zei­tung the­ma­ti­siert wer­den. Wenn etwas einen öffent­li­chen Gegen­stand berüh­re, dann habe man wei­te­re Rechte.

Dr. Cle­mens sei über das erst­in­stanz­li­che Urteil sehr erstaunt gewe­sen. Gericht und Staats­an­walt­schaft stüt­zen sich bei ihrer Bewer­tung des Posts allein auf die von Kai­ser dar­in gestell­te Fra­ge. Heu­te habe man sich aller­dings auch die ande­ren Inhal­te des Pos­tings angesehen.

Aus die­sem Grun­de sei es wich­tig gewe­sen, das gesamt Urteil zu ver­le­sen. So wäre damals etwa die Schöf­fen nicht am Ver­fah­ren betei­ligt gewesen.

Das Pos­ting sei nur der Inhalt gewe­sen. Die Zita­te ent­stamm­ten alle Main­stream­m­e­di­en, sei­en also nicht aus Russ­land oder ver­schwö­rungs­ideo­lo­gi­schen Kreisen.

Es sei klar, dass es kei­ne Will­kom­mens­kul­tur für Autor­rei­fen oder Golf­schlä­ger geben könn­te.  Zu poli­ti­schen Zwe­cken erlau­be es Spra­che aller­dings auch, sol­che Aus­sa­gen zu finden.

Der § 130 StPO die­ne his­to­risch dazu, die poli­ti­sche Oppo­si­ti­on mund­tot zu machen[19]. Das Gesetz bezie­he sich nicht auf eine Per­so­nen­grup­pe, son­dern auf einen Sach­ver­halt, der ange­pran­gert wer­de. Falls das Gericht die Aus­le­gung des § 130 StPO anders sehe, kom­me neben Arti­kel 5 des Grund­ge­set­zes auch Arti­kel 21 Grund­ge­setz hinzu:

„Art 21

(1) Die Par­tei­en wir­ken bei der poli­ti­schen Wil­lens­bil­dung des Vol­kes mit. Ihre Grün­dung ist frei. Ihre inne­re Ord­nung muß demo­kra­ti­schen Grund­sät­zen ent­spre­chen. Sie müs­sen über die Her­kunft und Ver­wen­dung ihrer Mit­tel sowie über ihr Ver­mö­gen öffent­lich Rechen­schaft geben.

(2) Par­tei­en, die nach ihren Zie­len oder nach dem Ver­hal­ten ihrer Anhän­ger dar­auf aus­ge­hen, die frei­heit­li­che demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung zu beein­träch­ti­gen oder zu besei­ti­gen oder den Bestand der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land zu gefähr­den, sind verfassungswidrig.

(3) Par­tei­en, die nach ihren Zie­len oder dem Ver­hal­ten ihrer Anhän­ger dar­auf aus­ge­rich­tet sind, die frei­heit­li­che demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung zu beein­träch­ti­gen oder zu besei­ti­gen oder den Bestand der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land zu gefähr­den, sind von staat­li­cher Finan­zie­rung aus­ge­schlos­sen. Wird der Aus­schluss fest­ge­stellt, so ent­fällt auch eine steu­er­li­che Begüns­ti­gung die­ser Par­tei­en und von Zuwen­dun­gen an die­se Parteien.

(4) Über die Fra­ge der Ver­fas­sungs­wid­rig­keit nach Absatz 2 sowie über den Aus­schluss von staat­li­cher Finan­zie­rung nach Absatz 3 ent­schei­det das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähe­re regeln Bundesgesetze.“

Dem Arti­kel 21 zufol­ge hät­ten die Par­tei das Recht und die Pflicht an der poli­ti­schen Wil­lens­bil­dung teil­zu­neh­men. Dies habe in der Ver­gan­gen­heit bereits zum Ver­bot von Par­tei­en geführt, die ihre Pflicht nicht erfüllt hät­ten. Die AfD wer­de von ARD und ZDF nicht ein­ge­la­den[20], so dass hier nach Arti­kel 21 in die Rech­te der Par­tei ein­grei­fen würde.

An die­ser Stel­le sei hier­zu bei­spiel­haft auf Aus­füh­run­gen der Wis­sen­schaft­li­chen Diens­te des Deut­schen Bun­des­ta­ges ver­wie­sen (die im Ori­gi­nal ent­hal­te­nen Fuß­no­ten sind der Quel­len­an­ga­be zu entnehmen):

„Nach Ansicht des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zum Par­tei­ver­bots­an­trag gegen die „Frei­heit­li­che Deut­sche Arbei­ter­par­tei (FAP)“ zeigt die Begriffs­be­stim­mung in § 2 Abs. 2 S. 1 PartG, dass mit Grün­dung einer Par­tei eine stän­di­ge Mit­wir­kung an der poli­ti­schen Wil­lens­bil­dung des Vol­kes beab­sich­tigt sein muss. Die­ses Ziel müs­se mit fort­schrei­ten­der Dau­er des Bestehens der poli­ti­schen Ver­ei­ni­gung anhand objek­ti­ver Kri­te­ri­en bestä­tigt wer­den. Dies wur­de für die FAP trotz der for­ma­len Unter­glie­de­rung in einen Bun­des­vor­stand und zahl­rei­che Lan­des- und Kreis­ver­bän­de auf­grund der nur gerin­gen Anzahl der Mit­glie­der ver­neint. Die gerin­ge Mit­glie­der­zahl und die dadurch beding­te man­geln­de Orga­ni­sa­ti­ons­dich­te hät­ten dazu geführt, dass die FAP zu einer kon­ti­nu­ier­li­chen und effek­ti­ven Mit­wir­kung an der poli­ti­schen Wil­lens­bil­dung des Vol­kes außer­stan­de gewe­sen sei.  Dies zei­ge sich auch an der nur gele­gent­li­chen und schließ­lich ein­ge­stell­ten Betei­li­gung an Wahlen.Zudem blieb die Wahl­be­tei­li­gung erfolg­los (0,00 bis 0,07 v. H. der gül­ti­gen Stim­men), sodass die Ziel­set­zun­gen der Ver­ei­ni­gung nicht als Aus­druck eines ernst­haf­ten, im Volk ver­brei­te­ten poli­ti­schen Wil­lens anzu­se­hen sei­en.“[21]

Glei­ches Recht auch für indi­ge­ne Deutsche?

Zurück zur Haupt­ver­hand­lung am Land­ge­richt Ver­den. Es gin­ge bei Kai­sers Post nicht um Het­ze gegen Aus­län­der, son­dern um zutref­fen­de Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen. Dr. Cle­mens zufol­ge habe es vie­le Urtei­le gegen Aus­län­der gege­ben, die jeweils vom BGH auf­ge­ho­ben wor­den sei­en. Gemein­sam hät­ten die­se, dass die­se Per­so­nen­grup­pe wie­der­holt wegen ihrer Her­kunft mil­der als ein indi­ge­ner Deut­scher beur­teilt wor­den sei.

Dr. Cle­mens zitier­te an die­ser Stel­le ein Ehren­mord-Urteil und ver­wies auf die zuvor ver­le­se­nen Aus­füh­run­gen von Terre des Femmes, da hier ähn­li­ches beschrie­ben wor­den sei.

An die­ser Stel­le sei auf eine Ana­ly­se von Julia Kas­selt und Diet­rich Ober­witt­ler verwiesen:

„Auch die Pro­ble­ma­tik der straf­recht­li­chen Ahn­dung der Ehren­mor­de steht im Fokus der öffent­li­chen Debat­te. So lös­te die Äuße­rung Has­se­mers, bei der Bestra­fung von Ehren­mör­dern müs­se auch die Sozia­li­sa­ti­on der Täter berück­sich­tigt und dem­ge­mäß soll­ten auch Straf­mil­de­run­gen in Betracht gezo­gen wer­den (Has­se­mer im Inter­view mit Darn­städt und Stoldt, 13.05.2009), bei Frau­en­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen und auf Regie­rungs­ebe­ne Ent­rüs­tung aus.

Has­se­mers Kri­ti­ker argu­men­tier­ten, Straf­mil­de­run­gen für Ehren­mör­der wür­den der Ent­ste­hung von »Par­al­lel­ge­sell­schaf­ten« Vor­schub leis­ten und die Prä­ven­ti­ons­be­mü­hun­gen von Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen hin­sicht­lich sol­cher Taten kon­ter­ka­rie­ren.“[22]

Dr. Cle­mens benann­te nun als zwei­tes Bei­spiel ein Urteil des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) aus dem Jah­re 2019 (BGH 5 StR 222/19 – Urteil vom 25. Sep­tem­ber 2019 (LG Ber­lin)). Hier ein Zitat aus dem benann­ten Urteil:

„Als der Ange­klag­te sei­ne Toch­ter in dem Laden aber­mals wegen ihres von ihm gewähn­ten Fremd­ge­hens zur Rede stell­te, beschimpf­te sie ihren Vater mög­li­cher­wei­se unter ande­rem mit den Wor­ten: „Ich scheiß‘ dir in den Mund“; mög­li­cher­wei­se wähn­te der Ange­klag­te auch nur, eine der­ar­ti­ge Äuße­rung zu hören. Er war erbost über die­se Her­ab­wür­di­gung und beschloss spä­tes­tens jetzt, sei­ne Toch­ter zu töten, um die durch deren gewähn­tes Fremd­ge­hen ver­letz­te Ehre sei­ner Fami­lie wie­der­her­zu­stel­len. Der Ange­klag­te zog das Mes­ser und griff damit sei­ne Toch­ter an, die infol­ge­des­sen eine quer über den vor­de­ren Hals ver­lau­fen­de Schnitt­ver­let­zung erlitt. Die Geschä­dig­te ver­ließ laut um Hil­fe rufend das Geschäft und beweg­te sich rück­wärts­lau­fend auf die gegen­über­lie­gen­de Sei­te der Laden­pas­sa­ge, wobei sie von dem Ange­klag­ten ver­folgt wur­de. In Tötungs­ab­sicht stach er mehr­fach mit dem Mes­ser in Rich­tung ihres Bau­ches und traf sie mit einem Stich. Pas­san­ten gelang es, den Ange­klag­ten zu ent­waff­nen und fest­zu­hal­ten. Wäh­rend eine Zeu­gin ver­such­te, die hef­ti­ge Blu­tung der Geschä­dig­ten aus der Bauch­wun­de zu stil­len, beschimpf­te der Ange­klag­te sei­ne Toch­ter laut­stark in tür­ki­scher Spra­che als „Hure“ und „Schlam­pe“.“[23]

Die Beur­tei­lung von Straf­ta­ten sei an den Maß­stä­ben der hie­si­gen Rechts­ge­mein­schaft zu mes­sen. Dies sei vom Land­ge­richt Ber­lin zunächst nicht kor­rekt berück­sich­tigt wor­den. Der ers­te Leit­satz des BGH zu die­sem Urteil lau­tet daher wie folgt:

„Im Rah­men der Prü­fung eines nied­ri­gen Beweg­grun­des im Sin­ne des § 211 StGB ist das in Rede ste­hen­de Tötungs­mo­tiv an den Maß­stä­ben der hie­si­gen Rechts­ge­mein­schaft zu mes­sen. Unter die­sen Vor­aus­set­zun­gen ist die Tötung zur „Wie­der­her­stel­lung der Fami­li­en­eh­re“ (hier auf­grund eines ledig­lich ein­ge­bil­de­ten „Fremd­ge­hens“ der ver­hei­ra­te­ten Toch­ter) regel­mä­ßig objek­tiv als nied­rig anzu­se­hen.“ [24]

Aktu­el­le Ent­wick­lun­gen wür­den als Bedro­hung wahrgenommen

Es sei Dr. Cle­mens schlei­er­haft, wie man es inter­pre­tie­ren kön­ne, dass Frau Kai­ser eine ziel­ge­rich­te­te Belei­di­gung machen woll­te. Mit min­des­tens genau­so guter Berech­ti­gung gin­ge es um die Dar­le­gung eines Sach­ver­halts, der von der deut­schen Bevöl­ke­rung als Bedro­hung wahr­ge­nom­men werde.

Kul­tu­rel­le Unter­schie­de von Per­so­nen­grup­pen müs­se man auch anspre­chen dür­fen, da Aus­län­der sonst sakro­sankt seien.

Frau Kai­ser habe erkenn­bar eine heu­te geführ­te öffent­li­che Debat­te ange­sto­ßen, die heu­te geführt wer­de. Sie hät­te auch sagen kön­nen, dass durch den Zuzug von afgha­ni­schen Flücht­lin­gen das Risi­ko von Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen anstei­gen wer­de. Dr. Cle­mens glaub­te aber nicht, dass er die Staats­an­wäl­tin über­zeu­gen wer­den könne.

Rich­ter Halb­fas nun an Rechts­an­walt Wei­land, ob die­ser etwas sagen wol­le. Nein, er wol­le nichts sagen.

Das Schluss­plä­doy­er der Staatsanwaltschaft

Nun ergriff wie­der die Ober­staats­an­wäl­tin das Wort. Die Aus­le­gung habe im Kon­text des noch Gesag­ten zu erfol­gen. Der Satz „Will­kom­mens­kul­tur für Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen“ habe sich die auf 200 Geret­te­ten aus Afgha­ni­stan bezo­gen. Es han­de­le sich also um eine natio­nal abgrenz­ba­re Grup­pe als Teil der Bevöl­ke­rung. Dies kön­ne man nur als Ansta­che­lung zu Hass und Ver­let­zung der Men­schen­wür­de anse­hen. Die Aus­le­gung mache deut­lich, dass alle die­se Per­so­nen damit gemeint sei­en, gege­be­nen­falls sogar alle Afghanen.

Die Ange­klag­te habe dar­auf ver­wie­sen, dass das Amts­ge­richt ihre Aus­sa­gen aus dem Kon­text gezo­gen habe. Tat­säch­lich habe genau dies die Ange­klag­te selbst gemacht. Sie habe sich nur jene Zita­te aus­ge­sucht, die ihren Auf­ruf zum Hass ver­stärkt hätten.

In ihrem Post, so Dr. Spra­ve, gehe es um den beson­ders furcht­ba­ren Vor­wurf der Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gung. Nichts ande­res kön­ne Kai­sers Post bedeu­ten. Natür­lich sta­che­le dies zum Hass an und grei­fe die Men­schen­wür­de der gemein­ten Per­so­nen an.

Wie die Ver­tei­di­gung es getan habe, hät­te Kai­ser auch das gewollt Gesag­te schrei­ben kön­nen. Dies sei nicht gesche­hen Das Video von Fae­ser sei hin­ge­gen eine sach­li­che kla­re Dar­stel­lung des Sach­ver­halts gewesen.

Zum Glück der Ange­klag­ten sei hier nur Absatz 1 des § 130 StPO ein­schlä­gig. Die Eig­nung der Gefähr­dung des öffent­li­chen Frie­dens sei hier sicht­bar. Ein emp­fangs­be­rei­tes Publi­kum neh­me das natür­lich auf. Wie sowas auf frucht­ba­ren Boden fal­le, zeig­ten die Anschlä­ge auf Poli­ti­ker des ver­gan­ge­ne Wochen­en­des, dar­un­ter auch auf einen Poli­ti­ker der Partei.

Von Dr. Spra­ve gemeint waren fol­gen­de Ereignisse:

  • Angriff auf den säch­si­schen SPD-Poli­ti­ker Mat­thi­as Ecke (41), der in Fol­ge des Anschlags schwer ver­letzt wor­den sei und sta­tio­när behan­delt wer­den muss­te[25]. Der 17-jäh­ri­ge Täter Quen­tin J.  habe sich selbst der Poli­zei gestellt. Das Motiv sei bis­lang unbe­kannt[26]. Der Leip­zi­ger Volks­zei­tung zufol­ge habe die Poli­zei ange­ge­ben, dass es Hin­wei­se auf eine rechts­extre­me Gesin­nung des Täters geben wür­de[27]. Der Ber­li­ner Zei­tung zufol­ge bestehe „kein direk­ter Zusam­men­hang zwi­schen dem Ecke-Angriff und der AfD[28].
  • Angriff auf die Ber­li­ner SPD-Wirt­schafts­se­na­to­rin Fran­zis­ka Gif­fey (46) in Ber­lin, bei der die­se leicht ver­letzt wor­den sei[29]. Der Täter sei ein 74jähriger Mann, der bereits in der Ver­gan­gen­heit poli­zei­lich auf­ge­fal­len sei und „mög­li­cher­wei­se psy­chisch krank[30] sei.
  • Angriff von Ver­mumm­ten auf den AfD-Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten Hol­ger Kühn­lenz (63) in Nord­horn. Zunächst sei die­ser mit Eiern bewor­fen und anschlie­ßend leicht ver­letzt wor­den[31], [32].
© 2024 Cri­ti­cal News — Wahl­pla­kat der AfD: Auf­ru­fen zur Gewalt?

Der Staats­an­wäl­tin zufol­ge müs­se die Ver­ur­tei­lung gegen Kai­ser daher bestehen blei­ben. Mil­dernd sei, dass sie kei­ne Vor­stra­fen habe. Straf­schär­fend sei­en ihre Reich­wei­te und Vor­bild­funk­ti­on. Sie sei absicht­lich vom zuläs­sig Sag­ba­rem abge­wi­chen. Ein sol­cher Miss­brauch wür­de dazu füh­ren, dass sämt­li­che Gren­zen des Sag­ba­ren fal­len wür­den. Es mache Dr. Spra­ve Bauch­schmer­zen, dass Kai­ser ein­räum­te, dass sie erneut so han­deln wür­de. Rechts­an­walt Dr. Cle­mens selbst habe dar­auf ver­wie­sen, dass Kai­ser die Pflicht gehabt habe, sich so aus­zu­drü­cken, dass man sie nicht miss­ver­ste­hen könnte.

Bei ihren Aus­füh­run­gen wirk­te die Ober­staats­an­wäl­tin so, als ob sie sehr von ihren Aus­füh­run­gen über­zeugt gewe­sen sei. Eine wirk­li­che inhalt­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit den Aus­füh­run­gen der Ver­tei­di­gung war dem Schluss­plä­doy­er von Spra­ve nicht ersichtlich.

Die Ange­klag­te appel­liert an den Rechtsstaat

Nun erhob Kai­ser als Ange­klag­te das Wort für ihr Schluss­plä­doy­er. Die Unter­stel­lun­gen  der Staats­an­wäl­tin ihr gegen­über emp­fin­de sie als bös­ar­tig. Sie habe vie­le Freun­de mit Migrationshintergrund.

Sie habe vie­le Freun­de, die ange­grif­fen wür­den. An die­ser Stel­le gab es ein lau­tes Klat­schen aus den Rei­hen des Publi­kums. Als Oppo­si­ti­on, so Kai­ser, habe man kaum ein Gehör in den öffent­lich-recht­li­chen Medi­en. Die AfD habe sich aber Reich­wei­te in den sozia­len Medi­en ver­schafft. Soll­te das Urteil bestä­tigt wer­den, wür­de sie ihr Ver­trau­en in den Rechts­staat end­gül­tig ver­lie­ren. Es erfolg­te ein erneu­tes lau­tes Klat­schen aus den Rei­hen des Publikums.

Es war nun 14:02 Uhr, also Rich­ter Halb­fas die Haupt­ver­hand­lung bis um 16:00 Uhr unter­brach. Wäh­rend der Sit­zungs­pau­se berich­te­ten eini­ge Zeu­gen, dass der Rich­ter auf sei­nem E‑Roller und die Schöf­fen zu Fuß in der Nähe des mexi­ka­ni­schen Restau­rants „Bode­ga“ in Ver­den vor­bei­ge­kom­men sei­en.  Zuvor sei­en sie zusam­men beim Bäcker gewe­sen, hät­ten sich also nicht, wie bei Gericht ange­ge­ben, direkt für eine Bera­tung zurückgezogen.

Umfas­sen­de inhalt­li­che Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit inhalt­li­chen Argu­men­ten der Verteidigung

Berück­sich­tigt man, dass Rich­ter und Schöf­fen sich – soweit ersicht­lich – nicht unver­züg­lich mit den Argu­men­ten der Ver­tei­di­gung aus­ein­an­der­set­zen konn­ten, durch die Fahrt bzw. das Lau­fen zu einem ande­ren Ort zudem wei­te­re Zeit ver­lo­ren, so ver­blieb nur eine redu­zier­te Zeit, um sich sowohl inhalt­lich mit allen vor­ge­tra­ge­nen Argu­men­ten aus­ein­an­der­zu­set­zen als auch das Urteil für den münd­li­chen Vor­trag zu ver­fas­sen. Vor die­sem Hin­ter­grund äußer­ten ver­schie­de­ne Pro­zess­be­ob­ach­ter die Ver­mu­tung, dass das Urteil bereits vor der Haupt­ver­hand­lung vor­be­rei­tet gewe­sen sei.

Der vor­sit­zen­de Rich­ter ver­kün­det das Urteil

Um 16:00 Uhr ging es mit der Haupt­ver­hand­lung pünkt­lich wei­ter. Der vor­sit­zen­de Rich­ter Halb­fas ver­kün­de­te, dass die Kos­ten des Beru­fungs­ver­fah­rens sowie die not­wen­di­gen Aus­la­gen von der Ange­klag­ten zu zah­len sei­en. Ihre Beru­fung wer­de verworfen.

Inhalt und Datum des ange­klag­ten Pos­tings sei­en klar. Mit der Abfas­sung des­sel­ben habe sich Frau Kai­ser der Volks­ver­het­zung schul­dig gemacht.

Zunächst sei eine Aus­le­gung erfor­der­lich gewe­sen. Kai­ser habe mit ihrem Post meh­re­re Din­ge angesprochen:

  • Der Anteil der Migra­ti­ons­be­völ­ke­rung in Ham­burg sei zu noch
  • Des wer­de die Ein­rei­se wei­te­rer Flücht­lin­ge erwartet
  • Dies wer­de viel Geld kosten
  • Dabei habe Kai­ser einen Zusam­men­hang zur Bege­hung von Sexu­al­straf­ta­ten hergestellt

Ein­zeln wür­de kei­ner die­ser Punk­te als Volks­ver­het­zung aus­ge­legt wer­den kön­nen. Es kom­me jedoch auf den Gesamt­kon­text an. Das beherr­schen­de The­ma von Kai­sers Post sei der Hash­tag „Will­kom­mens­kul­tur für Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen“ gewe­sen. Dabei wür­den Frau­en und Mäd­chen kul­tur­frem­den Grup­pen als ers­tes zum Opfer fal­len. Dann habe sie den Fokus auf die Grup­pe der Afgha­nen gerichtet.

Auf­grund der von Kai­ser selbst aus­ge­führ­ten Begrün­dung läge in die­sem Fall kei­ne rhe­to­ri­sche Fra­ge vor. Viel­mehr habe sich ihr Post auf eine unbe­stimm­te Per­so­nen­men­ge bezogen.

Unter den afgha­ni­schen Flücht­lin­gen befän­den sich auch sol­che, die Mas­sen­ver­ge­wal­ti­gun­gen bege­hen wür­den und dies in einem gemes­sen an ihrem Bevöl­ke­rungs­an­teil über­pro­por­tio­nal hohen Anteil. Der vor­sit­zen­de Rich­ter und die Schöf­fen ver­stün­den es aber so, dass Frau­en und Mäd­chen die­sen afgha­ni­schen Flücht­lin­gen zuerst zum Opfer fal­len würden.

Land­ge­richt Ver­den inhalt­lich auf Linie mit dem Amts­ge­richt Rotenburg

§ 130 StPO füh­re für das Gericht zu der glei­chen Sub­junk­ti­on wie es das Amts­ge­richt Roten­burg ange­nom­men hat­te. Die Zif­fern 1 a) und 1 c) sei­en jeweils ver­wirk­licht gewesen.

Die von Kai­ser the­ma­ti­sier­ten Afgha­nen sei­en eine ohne wei­te­res abgrenz­ba­re Grup­pe gewe­sen. Die Ange­klag­te habe damit zum Hass auf­ge­sta­chelt. Das Bild in den Köp­fen der Adres­sa­ten wür­de Hass auf die­se Men­schen bewir­ken. Dies sei Halb­fas zufol­ge Kai­sers Absicht gewe­sen. Auch habe sie einen Angriff auf die Men­schen­wür­de der ange­spro­che­nen Per­so­nen begangen.

Es gin­ge in Kai­sers Post nicht nur um ein­zel­ne Men­schen als sol­che, son­dern um gan­ze Grup­pen, die über Frau­en und Mäd­chen her­fal­len wür­den. Mit sol­chen Men­schen wol­le man nicht leben. Nach Ansicht des Gerichts habe Kai­ser vor­sätz­lich gehan­delt. Ein Angriff auf die Men­schen­wür­de sei nicht von der Mei­nungs­frei­heit gedeckt.

Posi­tiv zu bewer­ten sei, dass Kai­ser kei­ne Vor­stra­fen habe und das äuße­re Tat­ge­sche­hen ein­ge­räumt habe. Auch läge die ver­han­del­te Tat­sa­che schon drei Jah­re zurück.

Nega­tiv zu bewer­ten sei, dass eines ihrer Zie­le eine posi­ti­ve poli­ti­sche Gestal­tung des Wahl­kamp­fes gewe­sen sei und sie daher die Dif­fa­mie­rung von Men­schen als Mit­tel zum Zweck ein­ge­setzt habe.

Auch die zwei­te Instanz sei sich daher einig, dass Kai­ser zu 100 Tages­sät­zen zu 60 Euro ver­ur­teilt wer­den solle. 

Zugrun­de gelegt wor­den sei ein geschätz­tes Net­to­ein­kom­men von etwa 1.800 Euro im Monat. Dem Gericht zufol­ge dürf­te dies eini­ger­ma­ßen zu erwar­ten sein.

Eine Berück­sich­ti­gung etwa­iger Ver­bind­lich­kei­ten kön­ne das Gericht nicht berück­sich­ti­gen, da die­sem kei­ne sol­chen bekannt seien.

Eine Revi­si­on gegen das Urteil sei inner­halb einer Woche möglich.

Um 16:12 Uhr schloss der vor­sit­zen­de Rich­ter die Verhandlung.

Beob­ach­tun­gen am Rande

Auf­merk­sa­me Beob­ach­ter ver­merk­ten, dass das Gericht sein Urteil nicht „Im Namen des Vol­kes“ gespro­chen habe. Zumin­dest habe sich kei­ner der Anwe­sen­den dar­an erin­nern kön­nen, dass Halb­fas die­se For­mu­lie­rung gebraucht habe.

Der Vor­trag von Halb­fas ließ nicht erken­nen, dass er Inhal­te der Ver­tei­di­gung zumin­dest teil­wei­se in sei­ne Bewer­tung der Rechts­la­ge oder das Urteil hat ein­flie­ßen lassen.

Anmer­kung zur Höhe der Geldstrafe

Eine Bestra­fung von Kai­ser mit über 90 Tages­sät­zen bedeu­tet nach § 32 Abs. 2 Nr. 5 des Bun­des­zen­tral­re­gis­ter­ge­set­zes (BZRG) einen Ein­trag ins poli­zei­li­che Füh­rungs­zeug­nis, was im all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch mit „vor­be­straft“ gleich­ge­setzt wird. An die­ser Stel­le gibt es die Par­al­le­le zu dem jüngs­ten Urteil gegen Björn Höcke als Vor­sit­zen­der der Frak­ti­on der AfD im Thü­rin­ger Land­tag. Die­ser wur­de vor dem Land­ge­richt Mühl­hau­sen in einem noch nicht rechts­kräf­ti­gen Urteil vom 14.05.2024 zu 100 Tages­sät­zen zu 130 Euro ver­ur­teilt[33]. Auch Höcke wur­de in einem medi­al höchst umstrit­te­nen Urteil[34] Volks­ver­het­zung vorgeworfen.

Die Ange­klag­te zum Urteil aus ihrer Sicht

Nach der Ver­kün­dung des Urteils gab Marie-Thé­rè­se Kai­ser Cri­ti­cal News ein Urteil zu ihrer Sicht­wei­se zum Aus­gang des Verfahrens:

„Also das Urteil wur­de ja nun so bestä­tigt, wie es auch vom Amts­ge­richt Roten­burg schon getrof­fen wur­de, das heißt 100 Tages­sät­ze à 60 Euro, und ab 90 Tages­sät­zen hat man eben auch die Vor­stra­fe im Füh­rungs­zeug­nis. Ich hal­te die­ses Urteil nach wie vor für nicht gerecht­fer­tigt – im Gegen­teil, ich hal­te es für eine abso­lu­te Frech­heit, wel­che Täter-Opfer-Umkehr hier getrie­ben wird, denn letzt­end­lich habe ich die Sta­tis­ti­ken benannt. Ich habe die Rea­li­tät benannt. Ich habe auf die Fak­ten hin­ge­wie­sen und eine Debat­te damit angestoßen. 

Und nun wer­de ich ver­ur­teilt, obwohl die Grup­pen­ver­ge­wal­ti­ger gleich­zei­tig drau­ßen rum­lau­fen und ver­hält­nis­mä­ßig mil­de Stra­fen erhal­ten. Also, es ist ein abso­lu­tes Unding, was hier pas­siert, und natür­lich habe ich Beru­fung ein­ge­legt, weil ich ja die Hoff­nung hat­te, dass hier der Rechts­staat viel­leicht doch noch funk­tio­niert und das Gan­ze dann gekippt wird, aber das ist eben nicht pas­siert. Ich wer­de den Rechts­weg wei­ter bestrei­ten. Ich wer­de Revi­si­on ein­le­gen und dann schau­en wir mal. 

Also mei­ne Hoff­nung in den Rechts­staat ist ziem­lich erschöpft – das muss ich dazu sagen; aber natür­lich ist mein Ver­trau­en in die Sache immer noch groß. Also, ich bin immer noch davon über­zeugt, dass, das, was ich gesagt habe, eben nicht straf­bar sein darf, und dass man Fak­ten wei­ter­hin nen­nen müs­sen kön­nen darf.“

Das voll­stän­di­ge Inter­view mit Frau Kai­ser fin­den Sie unter https://t.me/critical_news_de/7099.

Nach­gang: Das Urteil aus Sicht der Verteidigung

Rechts­an­walt Dr. Björn Cle­mens äußer­te sich im Nach­gang zum Ver­fah­ren hier­zu wie folgt:

„Am 06. Mai 2024 hat das Land­ge­richt Ver­den an der Aller ein Urteil der ers­ten Instanz gegen die Inter­net­ak­ti­vis­tin und AfD-Poli­ti­ke­rin Marie-Thé­rè­se Kai­ser wegen Volks­ver­het­zung bestä­tigt. Was war passiert?

Frau Kai­ser war im Jahr 2021 Direkt­kan­di­da­tin ihrer Par­tei für die Bun­des­tags­wahl und hat in die­ser Funk­ti­on eine Äuße­rung des dama­li­gen Ham­bur­ger Bür­ger­meis­ters Peter Tsch­ent­scher auf­ge­grif­fen. Tsch­ent­scher wie­der­um hat­te die Macht­über­nah­me der Tali­ban in Afgha­ni­stan, die sich inner­halb von weni­gen Tagen voll­zo­gen hat­te, zum Anlass genom­men, zu for­dern, dass von den dor­ti­gen so genann­ten »Orts­kräf­ten«, die auch bei der Bun­des­wehr ange­stellt waren, schnell und unbü­ro­kra­tisch 200 in Deutsch­land auf­ge­nom­men wür­den, und weil Frau Kai­ser ahn­te oder wuss­te, was für uns schnell und unbü­ro­kra­tisch heißt, dass dar­aus näm­lich leicht dau­er­haft und Mas­sen­zu­zug wer­den kön­ne, hat sie den Vor­gang hin­ter­fragt und hat vor allen Din­gen die Gefahr pro­ble­ma­ti­siert, dass aus die­ser Volks­grup­pe der Afgha­nen oder dass bei die­ser Volks­grup­pe der Afgha­nen ein über­pro­por­tio­nal hoher Anteil an sexu­el­len Gewalt­ta­ten fest­zu­stel­len sei. Dafür hat Frau Kai­ser auf amt­li­che Sta­tis­ti­ken und auf Berich­te aus der Main­stream­pres­se usw. zurück­ge­grif­fen, hat das also sehr dif­fe­ren­ziert dar­ge­stellt, hat aller­dings ihren Post, der auf ver­schie­de­nen sozia­len Netz­wer­ken ver­brei­tet wur­de, unter die Über­schrift gestellt »Will­kom­mens­kul­tur für Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gen?«. Dafür hat ihr das Amts­ge­richt Roten­burg an der Wüm­me in der ers­ten Instanz eine Stra­fe von 100 Tages­sät­zen auf­er­legt, und nach dem Beru­fungs­ur­teil bleibt es auch dabei.

Die Gerich­te gin­gen näm­lich davon aus, dass Frau Kai­ser mit ihrem Pos­ting nicht etwas eine Debat­te füh­ren will, son­dern dass sie pau­schal allen Geflüch­te­ten aus Afgha­ni­stan unter­stel­len wür­de, dass die­se per se dazu nei­gen, sich an Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen zu beteiligen.

Für mei­ne Begrif­fe ist das eine sehr weit her­ge­hol­te Inter­pre­ta­ti­on. Da wird eine Äuße­rung nicht aus­ge­legt, son­dern es wird etwas in sie hin­ein­ge­legt, und mit die­ser Inter­pre­ta­ti­on kamen die Gerich­te zu dem Ergeb­nis, dass die Flücht­lin­ge ver­ächt­lich gemacht wer­den und zum Hass gegen sie auf­ge­sta­chelt wer­den soll­te, und dass ihnen auch ihre Men­schen­wür­de abge­spro­chen wor­den wäre.

Ich hal­te das für ein Fehl­ur­teil und dem­entspre­chend  haben wir auch gegen das Urteil Revi­si­on ein­ge­legt. Frau Kai­ser hat hier Nie­man­dem etwas pau­schal unter­stellt. Sie hat auf eine Gefahr hin­ge­wie­sen und das muss in Deutsch­land vom Recht der frei­en Mei­nungs­äu­ße­rung umfasst sein.

Nun ist die­se Vor­schrift, der § 130 Straf­ge­setz­buch schon sehr alt. Er steht seit Beginn, also seit 1871, im Straf­ge­setz­buch. Damals rich­te­te er sich gegen die so genann­te »Auf­rei­zung zum Klas­sen­kampf«. Er ist mehr­fach ver­än­dert wor­den, hat auch eini­ge durch­aus legi­ti­me Unter­ab­schnit­te, aber im gro­ßen und gan­zen ist er der Para­de­pa­ra­graph, um die poli­ti­sche Oppo­si­ti­on mund­tot zu machen – damals wie auch heute.

Man muss also hier sehr wohl fra­gen, ob die­ses gan­ze Straf­ver­fah­ren nicht nur über­haupt die­sen Zweck hat­te, Frau Kai­ser poli­tisch mund­tot zu machen. Wenn das der Fall gewe­sen sein soll­te, mei­ne Damen und Her­ren, dann ist der Zweck gründ­lich fehl­ge­schla­gen wor­den, denn schon die Bericht­erstat­tung seit ges­tern, seit dem 06. Mai, hat inter­na­tio­na­le Wel­len geschla­gen. Ja, und selbst der Tes­la-Grün­der und Betrei­ber des Netz­wer­kes X, frü­her Twit­ter, Elon Musk, hat das Urteil kom­men­tiert, und nicht zu sagen, er hat es kri­tisch hinterfragt.

Was auch bemer­kens­wert ist, wir haben in der Beweis­auf­nah­me einen Exper­ten, der sich in der BILD-Zei­tung zu Wort gemel­det hat, dort auch zitiert; der näm­lich behaup­tet, dass die Debat­te um Migran­ten­ge­walt hier seit Jah­ren unter­drückt wür­de. Nun, was dann pas­sie­ren kann, wenn man die Debat­te unter­drückt, das muss­te Frau Kai­ser am eige­nen Leib erleben.

Die 100 Tages­sät­ze sind ober­halb der Ein­tra­gungs­gren­ze, aber nicht nur des­halb wird sie sich dage­gen weh­ren, son­dern weil sie es all­ge­mein nicht hin­neh­men möch­te, in die­ser Wei­se beschränkt zu wer­den in ihrem poli­ti­schen Mei­nungs­kampf. Des­halb kön­nen wir an die­ser Stel­le sagen: der Kampf geht wei­ter. Ob er in der Revi­si­on etwas bewir­ken wird, das wird man sehen. Wir müs­sen ja zunächst ein­mal die schrift­li­chen Urteils­grün­de abwar­ten, und dann wer­den wir unse­re Aktio­nen fort­set­zen und Sie auch wei­ter­hin dar­über infor­mie­ren.“[35]

Zur media­len Bericht­erstat­tung erfah­ren Sie mehr im nächs­ten Teil.

Das fol­gen­de Gerichts­ur­teil kön­nen Sie hier downloaden.

Kai­ser-Gerichts­ur­teil

[1] Röhr, Mat­thi­as Ver­ur­tei­lung wegen Volks­ver­het­zung: AfD-Kreis­tags­ab­ge­ord­ne­te legt Beru­fung ein auf kreis​zei​tung​.de vom 21.06.2023 um 11:53 Uhr. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.kreis​zei​tung​.de/​l​o​k​a​l​e​s​/​r​o​t​e​n​b​u​r​g​/​r​o​t​e​n​b​u​r​g​-​o​r​t​1​2​0​5​1​5​/​v​o​l​k​s​v​e​r​h​e​t​z​u​n​g​-​a​f​d​-​k​r​e​i​s​t​a​g​s​a​b​g​e​o​r​d​n​e​t​e​-​l​e​g​t​-​b​e​r​u​f​u​n​g​-​e​i​n​-​9​2​3​5​5​1​0​7​.​h​tml, zuletzt auf­ge­ru­fen am 14.05.2024.

[2] Hau­fe Redak­ti­on (Tobi­as Huep, Ulri­ke Fuldner) „Ent­sen­dung“ auf „v tk​-lex​.tk​.de“ vom 21.11.2023. Auf­zu­ru­fen unter https://www.tk-lex.tk.de/web/guest/externalcontent?_leongshared_externalcontentid=HI520959&_leongshared_serviceId=2007#idesk%5BchapterHi%5D=HI7592534, zuletzt auf­ge­ru­fen am 08.05.2024

[3] „Wo in Ham­burg die meis­ten und wenigs­ten Migran­ten leben“ auf „abend​blatt​.de“ vom 08.06.2021 um 12:31 Uhr. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.abend​blatt​.de/​h​a​m​b​u​r​g​/​a​r​t​i​c​l​e​2​3​2​4​7​9​7​3​7​/​h​a​m​b​u​r​g​-​d​i​e​-​m​e​i​s​t​e​n​-​w​e​n​i​g​s​t​e​n​-​m​i​g​r​a​n​t​e​n​-​e​i​n​w​o​h​n​e​r​-​s​t​a​t​i​s​t​i​k​a​m​t​-​s​t​a​d​t​t​e​i​l​e​-​b​e​z​i​r​k​e​-​m​i​g​r​a​t​i​o​n​s​h​i​n​t​e​r​g​r​u​n​d​.​h​tml, zuletzt auf­ge­ru­fen am 09.05.2024.

[4] „Wo in Ham­burg die meis­ten und wenigs­ten Migran­ten leben“ auf „abend​blatt​.de“ vom 08.06.2021 um 12:31 Uhr. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.abend​blatt​.de/​h​a​m​b​u​r​g​/​a​r​t​i​c​l​e​2​3​2​4​7​9​7​3​7​/​h​a​m​b​u​r​g​-​d​i​e​-​m​e​i​s​t​e​n​-​w​e​n​i​g​s​t​e​n​-​m​i​g​r​a​n​t​e​n​-​e​i​n​w​o​h​n​e​r​-​s​t​a​t​i​s​t​i​k​a​m​t​-​s​t​a​d​t​t​e​i​l​e​-​b​e​z​i​r​k​e​-​m​i​g​r​a​t​i​o​n​s​h​i​n​t​e​r​g​r​u​n​d​.​h​tml, zuletzt auf­ge­ru­fen am 09.05.2024.

[5] Kai­ser, Marie-Thé­rè­se „#Will­kom­mens­kul­tur für #Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen?“ auf „twit​ter​.com“ vom 17.08.2021. Auf­zu­ru­fen unter https://x.com/hallofraukaiser/status/1427579465962512399, zuletzt auf­ge­ru­fen am 09.05.2024.

[6] Har­busch, Niko­laus und Rosen­fel­der, Lydia Rosen­fel­der „Neue Schock-Zah­len des BKA. Jeden Tag zwei Grup­pen-Ver­ge­wal­ti­gun­gen“ auf „bild​.de“ vom 31.07.2021 um 17:37 Uhr. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.bild​.de/​p​o​l​i​t​i​k​/​i​n​l​a​n​d​/​p​o​l​i​t​i​k​-​i​n​l​a​n​d​/​n​e​u​e​-​s​c​h​o​c​k​-​z​a​h​l​e​n​-​d​e​s​-​b​k​a​-​j​e​d​e​n​-​t​a​g​-​z​w​e​i​-​g​r​u​p​p​e​n​-​v​e​r​g​e​w​a​l​t​i​g​u​n​g​e​n​-​7​7​2​4​3​6​1​0​.​b​i​l​d​.​h​tml, zuletzt auf­ge­ru­fen am 09.05.2024.

[7] Kai­ser, Marie-Thé­rè­se „#Will­kom­mens­kul­tur für #Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen?“ auf „twit​ter​.com“ vom 17.08.2021. Auf­zu­ru­fen unter https://x.com/hallofraukaiser/status/1427579465962512399, zuletzt auf­ge­ru­fen am 09.05.2024.

[8] Sie­he „Ham­burg will 200 gefähr­de­te Afgha­nen auf­neh­men“ auf „welt​.de“ vom 17.08.2021. Auf­zu­ru­fen unter https://www.google.de/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&url=https://www.welt.de/regionales/hamburg/article233181841/Nach-Taliban-Machtuebernahme-Hamburg-will-200-gefaehrdete-Afghanen-aufnehmen.html&ved=2ahUKEwjOspHyqIGGAxUh3gIHHeuLDA8QFnoECCUQAQ&usg=AOvVaw3NtVjct7cvRaKOFEhIGcjd, zuletzt auf­ge­ru­fen am 09.05.2024.

[9] Kai­ser, Marie-Thé­rè­se „#Will­kom­mens­kul­tur für #Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen?“ auf „twit​ter​.com“ vom 17.08.2021. Auf­zu­ru­fen unter https://x.com/hallofraukaiser/status/1427579465962512399, zuletzt auf­ge­ru­fen am 09.05.2024.

[10] Kai­ser, Marie-Thé­rè­se „#Will­kom­mens­kul­tur für #Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen?“ auf „twit​ter​.com“ vom 17.08.2021. Auf­zu­ru­fen unter https://x.com/hallofraukaiser/status/1427579465962512399, zuletzt auf­ge­ru­fen am 09.05.2024.

[11] Sie­he A., Jen­ni­fer „Ver­ge­wal­ti­gung: Fol­gen und gesetz­li­che Rege­lun­gen“ auf „anwalt​.org“ vom 16.03.2024. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.anwalt​.org/​v​e​r​g​e​w​a​l​t​i​g​u​ng/, zuletzt auf­ge­ru­fen am 20.05.2024.

[12] Sie­he Damir Fras, Jan Stern­berg, Tim Szent-Ivanyi und Antea Obin­ja „Kabul: Cha­os auf dem Flug­ha­fen der letz­ten Hoff­nung“ auf „rnd​.de“ vom 16.08.2021 um 20:21 Uhr. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.rnd​.de/​p​o​l​i​t​i​k​/​a​f​g​h​a​n​i​s​t​a​n​-​c​h​a​o​s​-​a​u​f​-​d​e​m​-​f​l​u​g​h​a​f​e​n​-​d​e​r​-​h​o​f​f​n​u​n​g​-​k​a​b​u​l​-​L​Q​T​X​E​V​D​Q​G​N​C​H​R​H​T​J​B​W​L​H​5​3​V​V​Z​4​.​h​tml, zuletzt auf­ge­ru­fen am 09.05.2024.

[13] Lei­der konn­te die in der zitier­ten Akte benann­te Quel­le so nicht gefun­den wer­den, wes­halb die notier­te Pro­zent­zahl ggf. abwei­chend ist. Mit Aus­nah­me der Zahl scheint es sich um fol­gen­de Quel­le zu handeln:

Böh­me­ke, Myria und Michell, Moni­ka  und Walz-Hil­den­brand, Mari­na „Im Namen der Ehre. miss­han­delt, zwangs­ver­hei­ra­tet, ermor­det. Hilfs­leit­fa­den für die Arbeit mit von Zwangs­hei­rat /Gewalt im Namen der Ehre bedroh­ten oder betrof­fe­nen Mäd­chen und Frau­en“ Her­aus­ge­ge­ben von Terre des Femmes, 2. Auf­la­ge, 2011. Auf­zu­ru­fen unter https://​frau​en​rech​te​.de/​f​i​l​e​a​d​m​i​n​/​R​e​d​a​k​t​i​o​n​/​U​n​s​e​r​e​_​A​r​b​e​i​t​/​G​e​w​a​l​t​_​i​m​_​N​a​m​e​n​_​d​e​r​_​E​h​r​e​/​G​N​E​_​M​a​t​e​r​i​a​l​i​e​n​/​2​0​1​1​_​T​D​F​-​H​i​l​f​s​l​e​i​t​f​a​d​e​n​_​G​N​E​.​pdf, zuletzt auf­ge­ru­fen am 17.05.2024.

[14] Sie­he Deut­scher Bun­des­tag Druck­sa­che 20/6936 „Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung auf die Klei­ne Anfra­ge der Abge­ord­ne­ten Ste­phan Brand­ner, Dr. Bernd Bau­mann, Mar­tin Hess und der Frak­ti­on der AfD“ auf bun​des​tag​.de vom 19.05.2023. Auf­zu­ru­fen unter https://​dser​ver​.bun​des​tag​.de/​b​t​d​/​2​0​/​0​6​9​/​2​0​0​6​9​3​6​.​pdf, zuletzt auf­ge­ru­fen am 09.05.2024.

[15] Sie­he Deut­scher Bun­des­tag Druck­sa­che 20/6936 „Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung auf die Klei­ne Anfra­ge der Abge­ord­ne­ten Ste­phan Brand­ner, Dr. Bernd Bau­mann, Mar­tin Hess und der Frak­ti­on der AfD“ auf bun​des​tag​.de vom 19.05.2023. Auf­zu­ru­fen unter https://​dser​ver​.bun​des​tag​.de/​b​t​d​/​2​0​/​0​6​9​/​2​0​0​6​9​3​6​.​pdf, zuletzt auf­ge­ru­fen am 09.05.2024.

[16] Lei­der war hier­zu kei­ne Über­prü­fung der  Mit­schrift mög­lich, so dass ggf. ein Feh­ler bei der Mit­schrift vor­lie­gen könnte.

[17] Das Video, auf das hier Bezug genom­men wird, fin­den Sie unter Jung & Naiv BPK | Poli­zei­li­che Kri­mi­nal­sta­tis­tik (PKS) | 9. April 2024“ auf „you​tube​.com“ vom 09.04.2024. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.you​tube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​b​o​l​P​C​B​t​1​LOo, zuletzt auf­ge­ru­fen am 09.05.2024.

[18] Ram­mert, Gor­da­na „Urtei­le der Woche (KW 32): Erneut ver­ur­teil­te AfD-Mit­glie­der“ auf „volks​ver​pet​zer​.de“ vom 13.08.2023. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.volks​ver​pet​zer​.de/​s​e​r​i​e​/​v​e​r​u​r​t​e​i​l​t​e​-​a​f​d​-​m​i​t​g​l​i​e​d​er/, zuletzt auf­ge­ru­fen am 06.05.2024.

[19] Vgl. hier­zu Mit­sch, Wolf­gang   „Der unmög­li­che Zustand des § 130 StGB“ auf „kripoz.d“e. Auf­zu­ru­fen unter https://kripoz.de/2018/07/16/der-unmoegliche-zustand-des-%C2%A7-130-stgb/, zuletzt auf­ge­ru­fen am 17.05.2024. Hier­zu auszugsweise:

„§ 130 Abs. 1 StGB ist unbe­stimmt, weil die Norm kei­ne Aus­kunft dar­über gibt, wel­che Quan­ti­tä­ten von Men­schen unter­halb der Schwel­le der Gesamt­be­völ­ke­rung eine „Grup­pe“ oder ein „Teil der Bevöl­ke­rung“ sind oder nicht. Für die Mehr­heit der Medi­en im Lan­de und für den gesell­schaft­li­chen Main­stream ist den­noch klar, wer Täter und wer Opfer von Volks­ver­het­zung sein kann: Volks­ver­het­zung ist die Straf­tat der Ras­sis­ten, Extre­mis­ten und Aus­län­der­fein­de, der Nazis, Neo­na­zis und sons­ti­gen Ewig­gest­ri­gen. Der typi­sche Volks­ver­het­zer steht im poli­ti­schen Mei­nungs­spek­trum rechts, der Stil sei­ner Bekun­dun­gen zu The­men öffent­li­chen Inter­es­ses ist „popu­lis­tisch“. Volks­ver­het­zungs­af­fin ist, wer der AfD ange­hört oder ihr zumin­dest nahe­steht, mit ihren Ansich­ten sym­pa­thi­siert, wer bei Pegi­da-Auf­zü­gen mit­mar­schiert oder sonst „rech­tes“ Gedan­ken­gut zum Aus­druck bringt.[4] The­ma­tisch haben das Poten­ti­al zur straf­ba­ren Volks­ver­het­zung gegen­wär­tig vor allem Äuße­run­gen zu Flücht­lin­gen, zu Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund und zum Islam. Auch nüch­tern und sach­lich gehal­te­ne Stel­lung­nah­men zu die­sen hei­ßen Eisen – z. B. Kri­tik an der „Flücht­lings­po­li­tik“ der Kanz­le­rin – brin­gen ihrem Urhe­ber leicht den Vor­wurf man­geln­der Welt­of­fen­heit und Tole­ranz ein und rücken ihn in gefähr­li­che Nähe des Volks­ver­het­zungs-Straf­tat­be­stands. Auf der ande­ren Sei­te haben die­se volks­ver­het­zungs­ge­neig­ten Per­so­nen und Per­so­nen­grup­pen offen­bar das Recht ver­wirkt, sich selbst als Begüns­tig­te der Straf­vor­schrift zu betrach­ten, die gegen Volks­ver­het­zung straf­recht­li­chen Schutz zu gewäh­ren ver­spricht. Die Erwä­gung, dass es Volks­ver­het­zung sein könn­te, bestimm­te Grup­pie­run­gen am rech­ten Rand des Spek­trums poli­ti­scher und welt­an­schau­li­cher Hal­tun­gen als „Nazis“ (oder, wie ein ehe­ma­li­ger Bun­des­au­ßen­mi­nis­ter vor­schlug: „Pack“) zu bezeich­nen, wird in der Debat­te nicht so recht sichtbar. “

[20] Mög­li­cher­wei­se fehlt hier in der Mit­schrift der Hin­weis auf „regel­mä­ßig nicht eingeladen“.

[21] Wis­sen­schaft­li­che Diens­te Deut­scher Bun­des­tag „Aus­ar­bei­tung. Mög­lich­kei­ten des Ver­bo­tes von „Par­tei­en“ nach dem Ver­eins­ge­setz“ WD 3 – 3000 – 069/15 auf „bun​des​tag​.de“, 2015, S. 7. Auf­zu­ru­fen unter https://www.bundestag.de/resource/blob/405496/bcbcc505bc1c4534ef15d0a44274d166/WD‑3 – 069-15-pdf-data.pdf, zuletzt auf­ge­ru­fen am 18.05.2024.

[22] Kas­selt, Julia und Ober­witt­ler, Diet­rich „Die rich­ter­li­che Bewer­tung von Ehren­mor­den in Deutsch­land. Eine empi­ri­sche Ana­ly­se der Sank­ti­ons­pra­xis im Zeit­raum 1996 bis 2005“, S. 205 auf „pure.mpg.de“.  Mschr­Krim 97. Jahr­gang – Heft 3 – 2014. Auf­zu­ru­fen unter https://pure.mpg.de/rest/items/item_2499496_8/component/file_3038623/content, zuletzt auf­ge­ru­fen am 10.05.2024.

[23] „BGH 5 StR 222/19 – Urteil vom 25. Sep­tem­ber 2019 (LG Ber­lin)“ auf „hrr​-straf​recht​.de“. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.hrr​-straf​recht​.de/​h​r​r​/​5​/​1​9/5 – 222-19.php, zuletzt auf­ge­ru­fen am 10.05.2024.

[24] „BGH 5 StR 222/19 – Urteil vom 25. Sep­tem­ber 2019 (LG Ber­lin)“ auf „hrr​-straf​recht​.de“. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.hrr​-straf​recht​.de/​h​r​r​/​5​/​1​9/5 – 222-19.php, zuletzt auf­ge­ru­fen am 10.05.2024.

[25] „Atta­cke aus Boot, dann zu Fuß AfD-Poli­ti­ker in Nie­der­sach­sen mehr­mals ange­grif­fen“ auf „n‑tv.de“ vom 04.05.2024 um 18:59 Uhr. Auf­zu­ru­fen unter https://www.n‑tv.de/politik/AfD-Politiker-in-Niedersachsen-mehrmals-angegriffen-article24920764.html, zuletzt auf­ge­ru­fen am 10.05.2024.

[26] Sie­he „Angriff auf SPD-Poli­ti­ker: Nicht-Poli­zei­be­kann­ter 17-Jäh­ri­ger gesteht Tat und stellt sich“ auf „apol​lo​-news​.net“ vom 05.05.2024. Auf­zu­ru­fen unter https://​apol​lo​-news​.net/​a​n​g​r​i​f​f​-​a​u​f​-​s​p​d​-​p​o​l​i​t​i​k​e​r​-​n​i​c​h​t​-​p​o​l​i​z​e​i​b​e​k​a​n​n​t​e​r​-​1​7​-​j​a​e​h​r​i​g​e​r​-​g​e​s​t​e​h​t​-​t​a​t​-​u​n​d​-​s​t​e​l​l​t​-​s​i​ch/, zuletzt auf­ge­ru­fen am 18.05.2024.

[27] Majer, Olaf „Nach Angriff auf SPD-Poli­ti­ker Ecke: Hin­wei­se auf rechts­extre­me Gesin­nung“ auf „lvz​.de“ vom 06.05.2024 um 18:30 Uhr. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.lvz​.de/​l​o​k​a​l​e​s​/​l​e​i​p​z​i​g​/​n​a​c​h​-​a​n​g​r​i​f​f​-​a​u​f​-​s​p​d​-​p​o​l​i​t​i​k​e​r​-​e​c​k​e​-​h​i​n​w​e​i​s​e​-​a​u​f​-​r​e​c​h​t​s​e​x​t​r​e​m​e​-​g​e​s​i​n​n​u​n​g​-​2​P​U​V​Y​T​P​J​B​N​A​4​Z​I​D​J​L​T​3​A​B​N​A​R​I​4​.​h​tml, zuletzt auf­ge­ru­fen am 18.05.2024.

[28] Hoyer, Kat­ja „Kat­ja Hoyer: Allein die AfD für Gewalt ver­ant­wort­lich zu machen, ist falsch“ auf „ber​li​ner​-zei​tung​.de“ vom 18.05.2024, zuletzt aktua­li­siert um 14:54 Uhr. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.ber​li​ner​-zei​tung​.de/​p​o​l​i​t​i​k​-​g​e​s​e​l​l​s​c​h​a​f​t​/​k​a​t​j​a​-​h​o​y​e​r​-​a​l​l​e​i​n​-​d​i​e​-​a​f​d​-​f​u​e​r​-​g​e​w​a​l​t​-​v​e​r​a​n​t​w​o​r​t​l​i​c​h​-​z​u​-​m​a​c​h​e​n​-​i​s​t​-​f​a​l​s​c​h​-​l​i​.​2​2​1​5​583, zuletzt auf­ge­ru­fen am 18.05.2024.

[29] „Atta­cke aus Boot, dann zu Fuß AfD-Poli­ti­ker in Nie­der­sach­sen mehr­mals ange­grif­fen“ auf „n‑tv.de“ vom 04.05.2024 um 18:59 Uhr. Auf­zu­ru­fen unter https://www.n‑tv.de/politik/AfD-Politiker-in-Niedersachsen-mehrmals-angegriffen-article24920764.html, zuletzt auf­ge­ru­fen am 10.05.2024.

[30] „Tat­ver­däch­ti­ger nach Angriff auf Gif­fey fest­ge­nom­men“ auf „tages​schau​.de“ vom 08.05.2024 um 13:41 Uhr. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.tages​schau​.de/​i​n​l​a​n​d​/​i​n​n​e​n​p​o​l​i​t​i​k​/​g​i​f​f​e​y​-​f​e​s​t​n​a​h​m​e​-​a​n​g​r​i​f​f​-​1​0​0​.​h​tml, zuletzt auf­ge­ru­fen am 18.05.2024.

[31] „Atta­cke aus Boot, dann zu Fuß AfD-Poli­ti­ker in Nie­der­sach­sen mehr­mals ange­grif­fen“ auf „n‑tv.de“ vom 04.05.2024 um 18:59 Uhr. Auf­zu­ru­fen unter https://www.n‑tv.de/politik/AfD-Politiker-in-Niedersachsen-mehrmals-angegriffen-article24920764.html, zuletzt auf­ge­ru­fen am 10.05.2024.

[32] „Ver­mumm­te schla­gen AfD-Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten an Info­stand“ auf „ndr​.de“ vom 05.05.2024 um 09:45 Uhr. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.ndr​.de/​n​a​c​h​r​i​c​h​t​e​n​/​n​i​e​d​e​r​s​a​c​h​s​e​n​/​o​s​n​a​b​r​u​e​c​k​_​e​m​s​l​a​n​d​/​V​e​r​m​u​m​m​t​e​-​s​c​h​l​a​g​e​n​-​A​f​D​-​L​a​n​d​t​a​g​s​a​b​g​e​o​r​d​n​e​t​e​n​-​a​n​-​I​n​f​o​s​t​a​n​d​,​n​o​r​d​h​o​r​n​1​0​5​0​.​h​tml, zuletzt auf­ge­ru­fen am 10.05.2024.

[33] „Höcke wegen NS-Paro­le zu Geld­stra­fe ver­ur­teilt“ auf „tages​schau​.de“ vom 14.05.2024 um 19:49 Uhr. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.tages​schau​.de/​i​n​l​a​n​d​/​i​n​n​e​n​p​o​l​i​t​i​k​/​h​o​e​c​k​e​-​v​e​r​u​r​t​e​i​l​t​-​1​0​0​.​h​tml, zuletzt auf­ge­ru­fen am 18.05.2024.

[34] Sie­he z. B. Achgut.Pogo „Auch Sozi­al­de­mo­kra­ten rie­fen „Alles für Deutsch­land”“ auf „you​tube​.com“ vom 16.05.2024. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.you​tube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​k​l​h​C​9​M​S​N​91A, zuletzt auf­ge­ru­fen am 18.05.2024.

[35] Cle­mens, Björn „LG Ver­den: 100 Ts. für Marie-The­re­se Kai­ser wegen Volks­ver­het­zung – Der Kampf geht wei­ter“ auf „t.me/rechtskampf.“ Auf­zu­ru­fen unter https://t.me/rechtskampf/270, zuletzt auf­ge­ru­fen am 13.05.2024.

0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments