Am 29.05.2024 fand im Großen Sitzungssaal des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig vor dem 1. Wehrdienstsenat ein Wehrbeschwerdeverfahren zu Gunsten des Soldaten Oberstabsbootsmann Ma. (geb. 1970) gegen eine Maßnahme der damaligen geschäftsführenden Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer vom 24.11.2021 nach § 21 WBO statt. Verhandelt wurde in der Verwaltungsstreitsache mit dem Aktenzeichen BVerwG 1 WB 50.22 in Bezug auf die Aufnahme der „Covid-19-Impfung in die Liste der für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr vorgeschriebenen Basisimpfungen“.
Der Verhandlungsgegenstand
In der Presseerklärung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.05.2024 hieß es hierzu wie folgt:
„Der 1. Wehrdienstsenat verhandelt erneut über einen Antrag eines Soldaten gegen die Verpflichtung zur Duldung der Covid-19-Impfung. Das Bundesministerium der Verteidigung hat während der Covid-19-Pandemie im November 2021 die allgemeinen Regelungen (AR) A1-840/8 – 4000 zur Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A 840/8 „Impf- und weitere Prophylaxemaßnahmen“ dahingehend geändert, dass alle aktiven Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr neben der Tetanus‑, Diphterie‑, Pertussis‑, Influenza‑, Hepatitis- und FSME-Impfung auch die Covid-19-Impfung nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zu dulden haben. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Grundsatzentscheidung vom 7. Juli 2022 (1 WD 2.22 – BVerwGE 176, 138) als rechtmäßig angesehen. Zugleich hat es das Bundesministerium der Verteidigung aufgefordert, die Aufrechterhaltung der Covid-19-Impfung angesichts sich ändernder Umstände zu evaluieren und zu überwachen. Der Antragsteller hat sich bereits gegen die Aufnahme der Covid-19-Impfung in das Basisimpfschema der Bundeswehr gewendet und hält ihre Beibehaltung unter den gegenwärtigen Bedingungen für rechtswidrig.“[1]
Der Antragssteller Ma. sei derzeit tätig in der Leitstelle der SAR („search and rescue“) im Marinehauptquartier des Hubschraubergeschwader in Glücksburg[2]. Seine Dienstzeit endet voraussichtlich im Jahre 2026.
Mittwoch, der 29.05.2024 war ein vergleichsweise kühler, aber sonniger Tag im Frühsommer 2024. Das Bundesverwaltungsgericht durfte an diesem Tag nicht nur durch seine prunkvolle Architektur, sondern auch durch die zahlreichen prominenten Gäste glänzen.
Marinevertretung für den Senat des Bundesverwaltungsgerichts
Vorsitzender Richter im Verfahren war Herr Dr. Häußler. Weitere zuständige Richter beim 1. Wehrsenat waren Richterin Dr. Eppelt, der Richter Dr. Koch, der ehrenamtliche Richter Fregattenkapitän Fauerbach sowie der ehrenamtliche Richter Oberbootsmann Winkler. Die beiden ehrenamtlichen Richter wurden auf ihr Amt zu Beginn der Verhandlung vereidigt. Ganz am linken Ende der Richterbank befand sich der Platz der zuständigen Schriftführerin für das Verfahren.
Interessenvertreter gegen eine staatliche Duldungspflicht
Oberstabsbootsmann Ma. wurde vertreten durch die Rechtsanwälte Göran Thoms aus Templin, Sven Lausen aus Hamburg sowie Edgar Siemund aus Mühldorf. Als Parteiensachverständige erschienen Tom Lausen , Dr. med. vet. Claudia Schoene, der Molekularbiologe Prof. Dr. Klaus Steger sowie Dr. Sabine Stebel.
Dr. med. vet. Claudia Schoene ist ausweislich ihrer Homepage unter anderem Fachtierärztin für Epidemiologie sowie Fachtierärztin für Tropenveterinärmedizin[3]. Dr. Sabine Stebel ist unter anderem bekannt für ihr Substack „Wie man sich aus seinen eigenen Worten einen Strick dreht, weiß auch das PEI“, in dem sie auf „die offenkundigen Widersprüche in den Äußerungen der Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) unterstellten Behörden bzw. deren Vertreter“ aufdeckte[4].
Prominente Mitstreiter für das Ministerium der Verteidigung
Das Bundesministerium für Verteidigung wurde vertreten durch Oberst Wertmann, Oberstleutnant Marten sowie die Bundeswehrdisziplinaranwältin Mareike Wittenberg.
Als Sachverständige geladen waren PD (Privatdozent) Dr. Ole Wichmann vom Robert-Koch-Institut für das Fachgebiet 33 Impfprävention sowie Dr. med. Dirk Mentzer vom Paul-Ehrlich-Institut als Leiter des Referats S 1 Pharmakovigilanz I. Weitere Anwesende auf Seiten des Bundesministeriums der Verteidigung waren Oberfeldarzt Dr. med. habil. Dimitrios Frangoulidis, Oberveterinär Dr. Katalyn Roßmann, Generalarzt Dr. med. Jürgen Meyer sowie Oberstabsarzt Prof. Dr. Dr. med. Kai Kehe.
Oberfeldarzt Dr. med. habil. Dimitrios Frangoulidis ist Facharzt für Mikrobilogie, Virologie und Infektionsepidemiologie und habe am 28.10.2015 an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München im Fachgebiet Medizinische Mikrobiologie und Hygiene habiliert[5].
Roßmann wird auf der Seite des Deutschen Bundeswehr Verbandes wie folgt beschrieben:
„Oberstveterinär Dr. Katalyn Roßmann leitet den Bereich Medical Intelligence and Information des Sanitätsdienstes der Bundeswehr.“[6]
Sehr prominent ist auch Generalarzt Dr. med. Jürgen Meyer vom Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr. In seinem öffentlichen Lebenslauf werden von ihm unter anderem Mitgliedschaften in der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie (DGWMP) sowie der Association of Military Surgeons in the United States (AMSUS) ausgewiesen. Seit 2023 ist er ständiger Gast des Wissenschaftlichen Beirats[7].
Schließlich wurde Prof. Dr. Dr. med. Kai Kehe im November 2021 vom Presse- und Informationszentrum des Sanitätsdienstes der Bundeswehr als „Unterabteilungsleiter VI im Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr“[8] benannt. Auf „Wehrmedizin und Wehrpharmazie“ wurde Kehes Expertise bereits im Januar 2021 erläutert:
„Mit Oberstarzt [sic!] PD Dr. Kai Kehe, Leiter der Unterabteilung VI – Präventivmedizin, Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung im KdoSanDstBw, erläuterte ein ausgewiesener Experte der Forschungs-Community innerhalb des Sanitätsdienstes zivil-militärische Zusammenarbeit und evidenzbasierte Public Health Maßnahmen. Am Beispiel von COVID-19 stellte er zahlreiche auf höchst erfolgreicher ZMZ beruhende nationale und auch internationale Projekte forschender Einrichtungen des Sanitätsdienstes vor. So war es im Januar dem InstMikroBioBw in Zusammenarbeit mit Prof. Drosten von der Charité in kürzester Zeit gelungen, eine Diagnostik des neuen Erregers zu erreichen und diese bei der weiteren Identifizierung des sog. Webasto-Clusters in München, des ersten Ausbruches von COVID-19 in Deutschland, einzusetzen. In Anbetracht zahlreicher Innovationen in Forschung und Wissenschaft durch die Pandemie zog Dr. Kehe das Fazit, dass auch die wissenschaftliche Welt nach der Pandemie eine andere sein wird.“[9]
Kehe war der einzige Vertreter für das Bundesministerium der Verteidigung, der auch 2021 im Verfahren 1WB2.22 / 1WB5.22 vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig für das Team der Bundeswehr auftrat.
Vielfältige Presselandschaft
Als Pressevertreter zugelassen waren an dieser Verhandlung nur akkreditierte Journalisten. Neben Critical News fanden sich vor Ort u. a. Claudia Jaworski sowie Roy Grassmannvon AUF1, Max Kittan von Match Media, Matthias Kehrein und Stephan Kröker von der Epoch Times, sowie ein Fernsehteam des MDR für die ARD. Daneben befanden sich vor Ort u. a. auch eine Soldatin als Prozessbeobachterin sowie der Pressesprecher und Richter am Bundesverwaltungsgericht, Herr Dr. Kolja Naumann.
Den Bericht von Auf1 finden Sie hier:
Prozessinteressierte
Insgesamt habe der Große Sitzungssaal des Bundesverwaltungsgerichts ein Fassungsvermögen von 100 Personen. Das öffentliche Interesse an der jüngsten Sitzung zog allerdings nur eine vergleichsweise geringe Zahl von Personen an. Um 10:05 Uhr befanden sich insgesamt 20 Zuschauer auf den dafür vorgesehenen Bänken, um 11:34 Uhr insgesamt 34 Personen. Unter diesen befand sich eine überwiegende Zahl von Soldaten in Uniform, aber auch Ulrike Lausen, die Ehefrau des Datenanalysten und Buchautors Tom Lausen. Frau Lausen ist auch bekannt als Mitautorin des gemeinsam mit ihrem Mann verfassten Bestsellers „Die Untersuchung. Drei Jahre Ausnahmezustand: Ein wegweisendes Gespräch mit künstlicher Intelligenz“.
Eine Bombe schlägt ein
Am 28.05.2024, also am Abend vor dem Prozessauftakt, erregte eine Meldung auf dem Kanal des Datenanalysten und Sachverständigen in diesem Verfahren, Tom Lausen, große Aufmerksamkeit:
„EXKLUSIVE EILMELDUNG – DULDUNGSPFLICHT FÜR DIE SOLDATEN FÜR COVID 19 „IMPFUNG“ GEFALLEN
Pistorius KAPITULIERT bedingungslos!
Entgegen seiner fachlich nicht haltbaren Aussagen vom 29.11.2023 im Bundestag bei einer Befragung durch die AfD, wurde heute am 28.05.2024 die COVID-19-Massnahme aus dem verpflichtenden BASISIMPFSCHEMA der Bundeswehr getilgt.
Der Verteidigungsminister hätte im Gerichtstermin vor dem Bundesverwaltungsgericht offenbaren müssen, dass seine Behörde keinerlei Belege für einen Nutzen der COVID-Injektionen bringen hätte können.“
Lange Verhandlung wirklich erforderlich?
Gleich zu Prozessauftakt ab 09:30 Uhr am 29.05.2024 verwies der Vorsitzende Richter, Herr Dr. Häußler, auf diese neueste Meldung des Bundesministeriums der Verteidigung zum Ende der „Impfpflicht“ für Soldaten, die dem Gericht am Vorabend zugegangen sei. Ob eine lange Verhandlung unter diesen Umständen erforderlich sei, werde noch beraten. Zunächst seien ein Rechtsgespräch und dann die Anträge der beiden Parteien geplant.
Der Richter Dr. Koch als Berichterstatter führte nun zu den eingangs benannten Personalien des Soldaten als Antragsstellers sowie zum Verhandlungsgegenstand, der Duldungspflicht für Soldaten in Bezug auf die Injektion gegen COVID-19 gemäß der Allgemeinen Regelung (AR) A1-840/8 – 4000 aus. Demnach seien alle aktiven Soldaten duldungspflichtig gewesen, sich zu „impfen“, sofern im Einzelfall keine Kontraindikationen vorliegen würden. Mit Schreiben vom 28.05.2024 sei es zu einer Herabstufung der bisherigen Duldungspflicht für Soldaten auf eine reine Empfehlung gekommen.
Bis zur beabsichtigten Änderung der Regelung sei infolge der aktuellen Evaluierung des Bundesministerium der Verteidigung die Duldungspflicht ausgesetzt.
Versteckte Gesichter
Aufgrund der eher schlechten Akustik im Großen Sitzungssaal war es mitunter schwer verständlich, den Worten der einzelnen Vortragenden vollständig zu folgen. Erschwerend kam hinzu, dass man von den Presseplätzen aus in der Regel nicht erkennen konnte, wer gerade sprach, so dass hier die Protokollierung der Verhandlung nicht im gewohnten Umfang vollständig erfolgen kann.
Der Vorsitzende Richter Dr. Häußler begehrte nun vom Bundesministerium der Verteidigung zu wissen, welche fachlichen Erwägungen dieses zu der am 28.05.2024 veröffentlichten Kehrtwende geführt habe. An dieser Stelle konnte man erkennen, dass es zu einer aufgeregten Besprechung unter den anwesenden Vertretern des Ministeriums kam. Einer der Prozessbeteiligten äußerte im Nachgang seinen Eindruck, dass ihn das Verhalten an einen „Huddle“, eine Teambesprechung, erinnert habe. Schließlich entschied sich Generalarzt Dr. med. Jürgen Meyer dazu, das Wort zu ergreifen.
Der Beirat habe in seiner Arbeitsgruppe festgestellt, dass die Entscheidung darauf getroffen wurde, dass mit Blick auf die aktuellen Hospitalisierungszahlen nur noch eine dringende Empfehlung erforderlich sei, man aber vom Fortbestehen der COVID-19-„Impfung“ im Basisimpfschema der Bundeswehr absehen könne.
Nun erfolgte eine Rückfrage durch den Vorsitzenden Richter Dr. Häußler, wie er das verstehen solle? Die nun folgende Ausführung von Generalarzt Dr. Meyer erschien offenbar nicht nur diesem inhaltlich unverständlich, denn das Gericht stellte nun die Frage, ob das Bundesministerium der Verteidigung hierzu weitere fachlichen Erläuterungen abgeben wolle.
Nachdem von dieser Seite nichts mehr kam, wandte sich das Gericht an die Klägerseite und bat um Kenntnis, wer für diese das Wort ergreifen wolle. Rechtsanwalt Thoms tat kund, das er mit Schriftsatz vom 23.05.2024 Akteneinsicht in die Ausgangsakte beantragt habe und diese Akte bis heute nicht erhalten habe. Daher würde er gerne jetzt Akteneinsicht nehmen. Mit der Ausgangsakte bezog er sich auf die ursprüngliche Anweisung der früheren Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zur Aufnahme der COVID-19-Impfpflicht in das Basisimpfschema der Bundeswehr.
Dr. Häußler äußerte, dass er nicht wisse, ob er eine solche aktuell gewähren könne. Außerdem habe sich das Verfahren gegebenenfalls durch die geänderte Situation erledigt.
Duldungspflicht von vornherein rechtswidrig
Einer der Rechtsanwälte des Antragsstellers stellte nun klar, dass sich die Lage gegenüber dem Verfahren aus 2022 nicht geändert habe. Die damalige Anweisung der ehemaligen Bundesministerin für Verteidigung, Annegret Kramp-Karrenbauer, sei rechtswidrig gewesen. Aus der Aussage von Dr. Meyer könne er inhaltlich nichts entnehmen. Was genau habe sich seit dem 22.05.2024 geändert? Die Ausführungen klängen so, dass das Gericht und die Klägerseite sich selbst denken müssten, was genau gemeint sei.
Nun ergriff Rechtsanwalt Siemund das Wort. Er verwies auf das „Monitoring des COVID-19-Impfgeschehens in Deutschland. Monatsbericht des RKI vom 07.07.2022“. Zum Stichtag 04.07.2022 seien 59.162.213 Erwachsene ab 18 Jahren grundimmunisiert gewesen. „Noch keine Impfung erhalten haben rund 7,3 Mio. Personen im Alter von 18 – 59 Jahren und 1,9 Mio. Personen ab 60 Jahre.“[10]
Unter den „Geimpften“ seien 30 Personen der Altersgruppe 18 bis 59 Jahre als hospitalisiert benannt worden, davon 4 auf der Intensivstation und einer sei an COVID-19 verstorben. Bei den Ungeimpften seien 66 Personen hospitalisiert gewesen, 3 davon aus der Intensivstation und gleichfalls eine Person sei gestorben[11].
Diese Zahlen seien am gleichen Tag wie die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichtes im Verfahren 1WB2.22 / 1EB5.22 erschienen.
Unklar sei, wie die Bundeswehr zu diesen Zahlen gekommen sei und wie sich die Hospitalisierungsrate konkret geändert habe. Das, was das Bundesministerium für Verteidigung zuvor vorgetragen hatte, sei keine Evaluation. Siemund „möchte Zahlen hören“.
Nun ergriff wieder der Vorsitzende Richter das Wort. Er wollte wissen, ob „wir“ uns den rechtlichen Fragen stellen oder die Entscheidung als Erfolg für die Klägerseite verbuchen wollen. Im Ergebnis müsse sich der Kläger ja nicht „impfen“ lassen.
Am vorherigen Abend habe sich der Vorsitzende Richter Dr. Häußler das Rechtsgespräch überlegt. Durch die neueste Entwicklung habe sich der Rechtsstreit erledigt. Gegebenenfalls wolle die Antragstellerseite nun einen Fortsetzungsfestellungsantrag stellen.
Nach Ansicht des Gerichts könne der Hauptantrag aufrecht erhalten werden. Nicht möglich sei jedoch eine Erledigungserklärung bei gleichzeitiger Stellung eines Fortsetzungsfestellungsantrages. Nun wollte der Vorsitzende Richter Dr. Häußler wissen, inwiefern sich die Hauptsache nun erledigt habe.
Verteidigungsministerium möchte Verfahren einstellen
Die Bundeswehrdisziplinaranwältin Mareike Wittenberg äußerte sich, dass sich die Hauptsache ihres Erachtens erledigt habe. Die Impfvorschrift bestehe nicht mehr, so dass der Antragssteller davon nicht mehr betroffen werde.
Nun ergriff die Antragsstellerseite das Wort. Rechtsanwalt Thoms sehe hier keine Erledigung der Sache. Gegebenenfalls sei das Rechtsschutzbedürfnis weggefallen. Das Verfahren sei auch mit dem Vollzug nicht beendet. Bei dem hiesigen Verfahren handele es sich um ein höchst persönliches Verfahren ohne Bindungswirkung für andere Soldaten, so dass die Entscheidung des Gerichtes vom 24.11.2021 zur ursprünglichen Anordnung von Annegret Kramp-Karrenbauer zur Annegret Kramp-Karrenbauer nur zwischen den Parteien gewirkt habe.
Der Vorsitzende Richter Dr. Häußler bemerkte nun, dass jeder Soldat nur seine eigene körperliche Unversehrtheit einklagen und gewährt bekommen könne. Es sei die Entscheidung des Antragsstellers, was sie daraus machen wollen würden.
An dieser Stelle, um 09:57 Uhr, verfügte der Vorsitzende Richter eine erste Sitzungsunterbrechung.
Es geht weiter
Um 10:05 Uhr befanden sich 20 Zuschauer sowie 5 Pressevertreter im Raum, und kurz darauf, um 10:12 Uhr, betraten der Vorsitzende Richter mit dem restlichen Senat erneut den Verhandlungssaal.
Rechtsanwalt Thoms zufolge habe die Beratung nichts Neues ergeben. Eine Erledigung in der Sache könne nicht durch den Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses eintreten. Die (AR) A1-840/8 – 4000 gäbe es ja noch. Dass sie demnächst aufgehoben werden solle, könne höchstens den Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses, aber nicht die Erledigung der Sache bedeuten. Der Antragsgegner habe außerdem erklärt, dass die Hauptsache seines Erachtens erledigt sei. Das setze aber voraus, dass der Antrag von Oberbootsmann Ma. ursprünglich begründet gewesen sei.
Der Vorsitzende Richter stellte fest, dass ohne eine Erledigung in der Hauptsache kein hilfsweiser Fortsetzungserklärungsantrag möglich sei.
Hier widersprach Rechtsanwalt Thoms für die Klägerseite. Das Schreiben vom 28.05.2024 gäbe ein Indiz für die Auslegung, dass die Zusicherung „ex nunc“ erfolgen solle, also ab dem Zeitpunkt der Mitteilung. Die Bundeswehr vertrete somit die Auffassung, dass die Duldungspflicht bislang rechtmäßig verordnet gewesen sei, also auch weiterhin erforderlich sei.
Nun verwies der Vorsitzende Richter auf eine offene Frage eines der beiden ehrenamtlichen Richter, des Fregattenkapitäns Fauerbach. Dieser wollte wissen, ob bei Ma. eine „Impfung“ stattgefunden habe.
Der Kläger lässt sich ein
Nein, dies sei nicht der Fall. Der erste Befehl zur Duldung einer Injektion gegen COVID-19 sei im Dezember 2021 auf dem Dienstpostwege erfolgt. Er selbst habe von diesem aber erst im Januar 2022 Kenntnis erlangt. Daher habe dieser erste Befehl auch nicht befolgt werden können. Dann sei im April oder Mai 2022 ein neuer Befehl ergangen. Er selbst sei, was die „Impfung“ betreffe, aktuell „schadlos“.
Der wichtigste Punkt für ihn sei die Vermeidung einer „Impfung“ gewesen. Als Soldat müsse er aber auch für seine Entscheidung einstehen. Dieses Unrechtsempfinden mache die aktuelle Erklärung des Bundesverteidigungsministeriums inhaltslos. Damals sei er in Rostock damit bedroht worden, unehrenhaft entlassen zu werden, wenn er sich nicht gegen COVID-19 spritzen lasse. Dadurch habe er für etwa ein halbes Jahr eine schwere psychische Krise durchlebt und wäre insgesamt ein Jahr dienstunfähig bzw. krankgeschrieben gewesen.
Befehlsbefolgung nicht freiwillig
Rechtsanwalt Sven Lausen teilte nun mit, dass er gerne Herrn Ma. als Antragssteller weiter sprechen lassen wolle. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.07.2022 habe schwerwiegende Folgen für Ma. gehabt. Die Soldaten seien nicht auf solche Befehle vorbereitet gewesen. Er gab beispielhaft seine Erfahrungen aus verschiedenen Verfahren wieder.
Lausen erwähnte exemplarisch eine Anfrage eines Disziplinarvorgesetzten an das Bundesverteidigungsministerium wie mit einem sich gegen die COVDI-19-„Impfung“ aussprechenden Soldaten umzugehen sei. Der Referent aus dem Bundesverteidigungsministerium habe lediglich kühl geantwortet:
„Kümmern Sie sich selbst darum“.
Eines dieser Verfahren vor dem Amtsgericht Neustadt am Rübenberge vom 13.04.2023[12] (Az. 64Cs1131Js5411/22 (285÷22)) sei dem Vorsitzenden Richter sicher bekannt.
Am 28.04.2023 wurde Lausen in einem Artikel zum benannten Urteil der „Schwäbischen“ wie folgt zitiert:
„Zwar liegt die schriftliche Urteilsbegründung im Neustädter Fall noch nicht vor. Laut Anwalt Lausen lautet sie im Kern aber so: „Ein Befehl, der auf absoluten Gehorsam ausgerichtet ist, kann nicht von einem Freiwilligkeitsmomentum bestimmt werden. Wenn der Soldat aber vom Arzt gefragt wird, ob er es (die Impfung, Anm. d. Red.) macht oder nicht und es damit in seine eigene Entscheidung geführt wird, ist der Befehl nicht ausführbar. Befehle, sich impfen zu lassen, sind also letztendlich unzulässig.““ [13]
Solche Befehle, die unausführbar wären, seien Dr. Häußler sicher bekannt. Lausen selbst habe wiederholt Freisprüche und Einstellungen bewirkt. Immer wieder hätten sich Strafrichter hinter dem damaligen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.07.2022 versteckt. Entsprechend lautete der Antrag auch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit.
An dieser Stelle unterbrach der Vorsitzende Richter Lausens Redefluss: es gehe nur um das Fortsetzungsinteresse des Mandanten.
Unehrenhafte Entlassung zwingend erforderlich?
Nun wieder Lausen: der Beschluss wirke auch auf Ma. Nur durch Zufall sei er an einer Injektion vorbeigeschlittert. Dr. Häußler: worüber reden wir?
Nun beantragte Rechtsanwalt Thoms das Einblenden der Anlage AS 180 auf den im Gerichtssaal vorhandenen Bildschirm. Richter Dr. Häußer: „Ja, bitte.“
Thoms zitierte nun aus der letzten Seite der eingeblendeten Anlage. Demnach sollten impfunwillige Soldaten so lange mit weiteren Verfahren überzogen werden, bis sie unehrenhaft aus der Bundeswehr draußen und alle erworbenen Ruhegehälter verloren seien:
handlungshilfe-schart„Bei bis dahin tadelfreien Soldatinnen und Soldaten müssen möglicherweise sogar 2 oder 3 gerichtliche D‑Verfahren nacheinander geführt werden, wenn das erste nicht zu einer Entfernung aus dem Dienstverhältnis führte, und die Weigerung fortgesetzt wird, dann werden so lange Verfahren geführt, bis der Soldat / die Soldatin aus der Bundeswehr rausgeflogen ist bzw. sein / ihr über Jahrzehnte erdientes Ruhegehalt aberkannt bekommt.
Ich hoffe auf die Einsicht und die Vernunft aller Soldatinnen und Soldaten!“[14]
Immenser psychologischer Druck mit Folgen
Mit dem Verlesen dieser Anlage habe Thoms die psychologische Lage der Soldaten klarmachen wollen. Außerdem sei der Angeklagte durch die angedrohte Duldungspflicht zur „Impfung“ krank geworden. Sowohl Thoms als auch Lausen verwiesen jeweils auf das dem Antragssteller daher möglicherweise zustehende Schmerzensgeld.
Rechtsanwalt Siemund machte nun klar, dass Ma. bis zu dieser mutmaßlichen Straftat ein unbescholtener Soldat gewesen sei, so dass durch die Einführung der Duldungspflicht von Injektionen auch gegen COVID-19 eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingetreten sei.
Lausen verlangte nun zu wissen, ob Oberstabsbootsmann Ma. zuvor schon einmal für ein Jahr krank gewesen sei. Ma: dies sei nicht der Fall gewesen.
Die Bundeswehrdisziplinaranwältin warf nun ein, dass sie kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse sehe. Es sei dem Antragssteller ja bis zum Ende der Verhandlung zugesichert worden, dass er keinen weiteren „Impfbefehl“ erhalten werde. Daher bestände auch keine Gefahr der Drangsalierung.
Wie glaubhaft ist die Beteuerung keiner weiteren Impfaufforderungen?
Nun wieder Thoms: damals habe es auch erst einen Befehle gegeben, dann die Zusicherung, dass nichts passieren werde. Anschließend habe es einen zweiten Befehl gegeben, der ebenfalls aufgehoben worden sei. Nun gäbe es erneut die Zusicherung, dass keine weiteren Befehle ausgesprochen würden. Eine Garantie für die Zukunft, dass nicht doch neue Befehle ausgesprochen würden, biete dies nicht.
Der Vorsitzende Richter Dr. Häußler wandte nun ein, dass das Risiko bestehe, dass es kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse gäbe, so dass die Verfahrenskosten dann bei Ma. bleiben würden. Gegebenenfalls könnten die Kosten günstiger ausfallen, wenn sich Ma. die Antragsstellung noch einmal überlegen würde. Er rege an, einer beidseitigen Erledigung zuzustimmen und das Verfahren damit zu beenden.
Um 10:43 Uhr bekundete Thoms nun, hilfsweise einen Fortsetzungsfeststellungsantrag zu stellen.
Richter Dr. Häußler scheint sich bedrängt zu fühlen
Nun erfolgte eine kurze Beratung im ganzen Richterkreis. Dieser vertrete die vorläufige Rechtsauffassung, dass sich das Verfahren erledigt habe. Im Rahmen eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens könne man auch rechtswidrige Handlungen der Vergangenheit nicht mehr heilen. Das Gericht sehe das Rechtsschutzbedürfnis als erledigt an. Inwiefern ein berechtigtes Interesse für eine Feststellung unrechtmäßigen Handelns in der Vergangenheit bestehe, sei unklar. Eine erneute Befehlslage für Ma. sei jedoch nicht zu erwarten.
Das Gericht machte klar, dass Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz voraussichtlich erfolglos bleiben würden. Gegebenenfalls käme jedoch eine Rehabilitation für die Vergangenheit in Betracht. Es sei jedoch klar, dass jeder Soldat bei Befehlsverweigerung disziplinarische Folgen zu erwarten habe.
Beide Seiten sollten also nun vortragen. Eine umfangreiche Beweisaufnahme sei im Rahmen eines Fortsetzungsfestellungsverfahrens unüblich. Das Bundesministerium der Verteidigung solle seine gestrige Erklärung noch einmal erläutern.
Nun ergriff Rechtsanwalt Thoms das Wort: ohne Kenntnis der ursprünglichen Anordnung oder der derzeit nur geschwärzt vom Bundesministerium vorgelegten Dokumente sei keine Erklärung der Verteidigung möglich.
Erneut meldete sich der Vorsitzende Richter Dr. Häußler zu Wort, sinngemäß in etwa, wonach man Beschlüsse nicht rückwirkend für rechtswidrig erklären könne.
Paukenschlag: Grundlegende Anweisung war dem vorsitzenden Richter unbekannt
Nun wieder Thoms: ohne Kenntnis des Originals der Anweisung von Annegret Kramp-Karrenbauer vom 24.11.2021 könne zum Nachweis der Rechtswidrigkeit nicht optimal vorgetragen werden. Der Vorsitzende Dr. Richter erklärte nun zur Überraschung der Antragstellerseite, dass auch er dieses Schreiben bislang noch nicht gesehen habe.
Rechtsanwalt Thoms begehrte nun zu wissen, ob der Richter diese ursprüngliche Anweisung jemals gesehen habe. Dr. Häußler musste zugeben, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Thoms: wie könne der Senat über etwas entscheiden, das niemand je gesehen habe? Wieder Dr. Häußler: Thoms dürfe doch davon ausgehen, dass es sonst keinen Tagesbefehl gegeben hätte.
Nach dem Verfahren äußerte sich Rechtsanwalt Sven Lausen zu diesem Paukenschlag wie folgt:
„Das gesamte Anwaltsteam konnte es nicht glauben, dass die damalige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.07.2022 ohne Kenntnis der Anweisung der damals geschäftsführenden Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer für 180.000 Soldaten erfolgt war. Dies hat uns fassungslos gemacht.“
Sven Lausen wandte nun ein, dass sich das Anwaltsteam angemessen beraten müsse, da diese Reaktion des Gerichts auf die Äußerung von Thoms so nicht erwartet worden sei.
Rechtsanwalt Thoms verwies nun darauf, dass sich der Sachverständige PD Dr. Ole Wichmann im Raum befinde. Es werde beantragt, dass dieser den Raum verlassen solle. Der Vorsitzende Richter Dr. Häußler schickte den Sachverständigen an dieser Stelle raus. Nun wieder Thoms: der Antrag der Antragstellerseite habe auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung von Kramp-Karrenbauer im Original gelautet. Damit sei wohl das ursprüngliche Verfahren aus dem Jahre 2022 gemeint, in dem Rechtsanwalt Thomas auch involviert war.
Der Vorsitzende Richter verkündete nun um 11:16 Uhr eine erneute Verhandlungsunterbrechung.
Um 11:55 Uhr befanden sich 34 Zuschauer sowie inklusive dem Autor dieser Zeilen insgesamt 6 Pressevertreter auf den dafür vorgesehenen Plätzen. Es war 11:56 Uhr als der Senat wieder den Raum betrat.
Antragsstellerseite mit anderen Informationskanälen
Das Anwaltsteam ergriff wieder das Wort. Dem Gericht sei von Seiten der Bundeswehr gesagt worden, dass keine Wiederholungsgefahr bestehen würde. Die Verteidigung habe aber offenkundig andere Informationskanäle. Verwiesen wurde nun auf eine kleine Anfrage des AfD-Abgeordneten Leif-Erik Holm, die auf Wunsch des vortragenden Anwalts eigeblendet wurde. Demnach sei im April 2024 gefragt worden, ob die Duldungspflicht im laufenden Jahr aufgehoben werden würde:
„Wird die Bundesregierung im laufenden Jahr die Duldungspflicht für Soldaten der Bundeswehr aufheben, wonach diese sich auch gegen das Corona-Virus impfen lassen müssen, und wenn nicht, aus welchen Gründen hält sich an einer verpflichtenden Corona-Impfung für Soldaten fest?“[15]
Am 08.04.2024 sei dazu die Antwort eingegangen, dass in diesem Jahr keine Aufhebung der Duldungspflicht zu erwarten sei. Das Fortbestehen der Duldungspflicht sei laut Bundeswehr weiterhin erforderlich gewesen:
„Eine Aussage zur Aufhebung der Duldungspflicht bezüglich der Impfung SARS-CoV‑2 im laufenden Jahr ist nicht möglich, da die zukünftige epidemiologische Entwicklung im Hinblick auf das Infektionsgeschehen nicht vorhergesagt werden kann.
Die aktuelle Bewertung vor allem unter Berücksichtigung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr und des gruppenbezogenen Gesundheitsschutzes führt gegenwärtig zu dem Ergebnis, dass nach fachlicher Einschätzung die Aufrechterhaltung der Duldungspflicht auch weiterhin angezeigt ist.“[16]
Siemund zufolge sei die am 28.05.2024 verkündete Aufhebung der Duldungspflicht gegen eine Injektion gegen COVID-19 aus dem Ausland erfolgt und dies auch nur mit einer nicht-verifizierten Adobe-Signatur des Bundesverteidigungsministers Boris Pistorius.
Gericht urteilte bereits in der Vergangenheit auf falschen Daten
Weiter ging der Anwalt auf den nach seiner Ansicht bestehenden Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld ein. Laut Gericht bestünde ein solcher Anspruch nur bei Verschulden von Seiten des Bundesministeriums der Verteidigung. Tatsächlich seien bereits die dem Bundesverwaltungsgericht im Verfahren aus dem Jahre 2022 mit Beschluss vom 07.07.2022 zur Verfügung gestellten Daten nicht ganz korrekt gewesen. Mithin habe der Senat seine damalige Entscheidung, wonach die Aufnahme von COVID-19-Injektionen in das allgemeine Impfschema für Soldaten angeblich rechtmäßig sei, auf Basis einer unzutreffenden Tatsachenfeststellung getroffen habe. Auch sei ihr Mandant gerade nicht heil aus der Sache rausgekommen.
Amtsrichter urteilt auf Basis mutmaßlich politischer Anweisung
Rechtsanwalt Lausen insistierte nun auf die Evaluierungsdaten vom 24.11.2021. Laut Urteil des Amtsgerichts Delmenhorst (Az. 81Cs610Js82153/21(367/22) in einem Strafprozess habe der Amtsrichter die Anweisung von Frau Kramp-Karrenbauer als politische und nicht medizinisch begründete Anweisung bezeichnet. Daher seien diese Daten nochmals vorzulegen. Nach Recherchen des Autors habe es sich bei dem damaligen Amtsrichter um Herrn Kellermann gehandelt. Die entsprechende Aussage findet sich auf Seite 4 des leider nicht öffentlich zugänglichen Urteils.
Der Vorsitzende Richter Dr. Häußler wandte an dieser Stelle ein, dass das Gericht damals nicht davon ausgegangen sei, dass die Ministerin Kramp-Karrenbauer die Evaluierung selbst vorgenommen habe.
Lausen erwiderte, dass er auch nicht davon ausgehe, er aber die Evaluierungsdaten aus 2021 sehen wolle. Diesen Antrag mache man schriftsätzlich.
Anwaltsteam besteht auf ungeschwärzter Akte
Dr. Häußler wandte sich nun an die Vertreter des Bundesministeriums für Verteidigung: Welche Daten lägen der neuen Evaluierung zugrunde? Die Bundeswehrdisziplinaranwältin entgegnete, dass man dies schriftsätzlich ausführen werde, dies unter Berücksichtigung des Schriftsatzes der Verteidigung.
Nun wieder Thoms: hierzu brauche das Anwaltsteam erst die nicht geschwärzte Vorlage.
Der Vorsitzende Richter Dr. Häußler stellte klar, dass er dies genauso wie die Antragsstellerseite sehen würde. Die Sachinformationen müssten vollständig sein. Etwaige Telefonnummern dürften gerne unvollständig sichtbar sein.
Um 12:07 Uhr wurde eine weitere Sitzungsunterbrechung bis um 13:00 Uhr verkündet.
Tatsächlich betrat der Senat erst um 13:14 Uhr wieder den großen Verhandlungssaal, nachdem sich um 13:09 Uhr schon 31 Zuschauer im Raum versammelt hatten.
Hilfsweise Anträge
Der Vorsitzende Richter Dr. Häußler wollte nun gerne die Prozessanträge entgegennehmen. Als erstes solle hierfür die Verteidigung sprechen.
Hierzu nun Rechtsanwalt Thoms: Die Anordnung der Bundesverteidigungsministerin vom 29.11.2022 die „Impfungen“ gegen COVID-19 in das Basisimpfschema der Bundeswehr aufzunehmen – Allgemeine Regelung A1 840÷8−4000 Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen – Fachlicher Teil – aufzunehmen, sei aufzuheben. Hilfsweise sei festzustellen dass die Anordnung vom 24.11.2022, Allgemeine Regelung A1 840÷8−4000 Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen – Fachlicher Teil – die COVID-19-Schutzimpfung in das Basisimpfschema der Bundeswehr aufzunehmen, rechtswidrig war. Hilfsweise sei festzustellen, dass die Aufnahme der COVID-19-Impfung in das Basisimpfschema der Bundeswehr gemäß Allgemeine Regelung A1 840÷8−4000 Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen – Fachlicher Teil – am 27.06.2023 rechtswidrig war.
An dieser Stelle sei vom Autor dieser Zeilen auf eine Anfrage an das Bundesministerium der Verteidigung vom 23.05.2023 verwiesen. Hierzu auszugsweise:
„In 03/2022 wurde bereits durch eine Mail des RKI schriftlich belegt, dass eine Übertragung und Weitergabe des Virus durch die „Impfung“ nicht verhindert wird.
Somit dürfte, alleine aufgrund der dem PEI bereits hundertausendfach gemeldeten Nebenwirkungen und der Einschätzung durch das RKI, jegliche rechtlliche Grundlage für die C19 Impfung entzogen sein, da § 17a (2),1 – ebenso wie der dienstliche Zweck -, nicht mehr erfüllt sind.“[17]
Beim Bundesverwaltungsgericht Leipzig begehrte der Vorsitzende Richter Dr. Häußler nun die Entgegnung der Bundesdisziplinaranwältin auf den Vortrag der Verteidigung. Diese beantragte ohne weitere Begründung die vollständige Zurückweisung der Anträge.
Nun wieder Dr. Häußler. Er würde sich gerne über das weitere Fortgehen unterhalten. Noch habe er von keiner der beiden Seiten einen vollständigen Vortrag in der Sache erhalten. Er schlage für beide Seiten eine Frist bis zum Freitag, dem 28.06.2024 vor, schriftlich vorzutragen. Dabei solle das Bundesverteidigungsministerium auch das Schreiben vom 28.11.2021 und den übermittelten Evaluationsbericht ungeschwärzt vorlegen. Auch seien die Gründe für das Schreiben vom 28.05.2024 vorzulegen und zu erläutern.
Bis zum 29.07.2024 hätten dann beide Seiten Erwiderungsmöglichkeiten auf den Vortrag der beiden Seiten. Von der Verteidigung erwarte sich der Senat einen weiteren Vortrag zur Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsanträge.
Briefing von AKK durch den Kommando Sanitätsdienst?
Nun ergriff Lausen das Wort. Weiterhin seien die Gründe für die Anweisung der Ministerin Kramp-Karrenbauer unbekannt. Vermutlich seien ihr die Beweggründe vom Kommando Sanitätsdienst vorgelegt worden.
Verwiesen wurde an dieser Stelle auf § 39 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG):
„§ 39
Begründung des Verwaltungsaktes
(1) 1Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. 2In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. 3Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.“
Das Bundesverteidigungsministerium solle also die Ermessensgründe im Prozess benennen.
An dieser Stelle sei vom Autor auf einen wichtigen Umstand hingewiesen:
„Sofern sich im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage ergeben sollte, dass die von der Behörde zur Begründung des Verwaltungsakts nach § 39 Abs. 1 VwVfG angeführten (formellen; Rn. 207 ff.) Gründe diesen materiell-rechtlich nicht tragen (z.B. weil die Behörde die nach der objektiven Rechtslage „falsche“ Ermächtigungsgrundlage herangezogen hat), d.h. die – formell ordnungsgemäße – Begründung inhaltlich falsch ist, stellt sich die Frage, ob und inwieweit es der Behörde gestattet ist, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts objektiv bereits vorhandenen, behördlicherseits bislang allerdings noch nicht vorgetragenen („richtigen“) Gründe im Verwaltungsprozess nachzuschieben; ein Nachschieben von Gründen bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens wirft dagegen wegen § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO keine besonderen Probleme auf.“[18]
Lausen verwies auf den vorherigen Vortrag des Gerichts, wobei hier nur ein Individualverfahren vorliegen würde. Daher handele es sich hier um ein neues Rechtsverhältnis gegenüber dem am 07.07.2022 abgeschlossenen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Erlass des Ministeriums ist das, was zählt
Nun wieder der Vorsitzende Richter Dr. Häußler. Die damaligen Gründe könnten dann gerne noch einmal vorgetragen werden. Der „Erlass des Ministeriums ist das, was zählt.“ Das sei jedoch nicht der eigentliche Streitgegenstand.
Das Anwaltsteam: was hier zähle, sei ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Wenn hier etwas vom Ministerium erlassen wurde, sei das entweder verschriftlicht vorzulegen oder derjenige, der dies gesagt habe, sei anzuhören. Hierzu habe das Bundesverteidigungsministerium entsprechend vorzutragen.
Falls die behauptete Anordnung der ehemaligen Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer nicht existiere, so fehle es hier an einer Rechtsgrundlage.
Nachdem der Vorsitzende Richter Dr. Häußler an dieser Stelle einwandte, dass „höchstwahrscheinlich“ jemand diese Anordnung gesehen habe, verwies Thoms für das Verteidigerteam darauf, dass „höchstwahrscheinlich“ nicht bedeute, dass jemand sie je gesehen habe.
Dr. Häußler fragte nun nach, ob die Gegenseite etwas dazu erklären wolle. Diese blieb an dieser Stelle jedoch stumm.
Senat traf Entscheidung ohne Originaldokument zu kennen
An dieser Stelle sei ein Kommentar des Autors erlaubt:
Derselbe Senat, der am 07.07.2022 über die vermeintliche Rechtsmäßigkeit der Duldungspflicht urteilte, hat bis zum Verhandlungstermin am 29.05.2024 niemals die ursprüngliche Anordnung der früheren Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zu Gesicht bekommen, sie also de facto auch nicht auf ihre Existenz überprüfen können. Ebenso wenig hatte sich das Gesicht wohl in der Vergangenheit darum bemüht, festzustellen, auf welcher Datenlage die vermeintlich existente, aber dem Gericht vom Wortlaut her unbekannte, Anordnung beruhte. Einmal angenommen, dass der spätere Tagesbefehl aus einer existenten ministerialen Anweisung abgeleitet wurde, so bleibt dennoch offen, ob das ursprüngliche Schriftstück auf medizinischen oder auf politischen Erwägungen beruhte.
Genau hier liegt eine der Ungeheuerlichkeiten des 2022 geführten Soldatenprozesses, die nunmehr die Chance hat, erstmals umfassend aufgearbeitet zu werden.
Wird das Ministerium alle Soldaten informieren?
Zurück zum Prozessgeschehen des 29.05.2024. Erneut ergriff Rechtsanwalt Sven Lausen das Wort: er regte an, dass das Bundesministerium für Verteidigung sicher stellen solle, dass jeder Soldat von der gestrigen Nachricht erreicht werde. Auch für die Prozessbeteiligten sei die Nachricht sehr überraschend gewesen und natürlich hatte man sich zunächst anders vorbereitet.
Nach seiner Auffassung hätte die Bundeswehr mindestens bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.07.2022 auf Impfbefehle verzichten können. Mit Presseerklärung von diesem Tage habe das Gericht verkündet, dass die Entscheidung für alle Soldaten gelte.
Mit Beschluss vom 07.07.2022 hatte das Gericht unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 WB 2.22 folgende Leitsätze aufgestellt:
„1. Die in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG enthaltene Verpflichtung der Soldatinnen und Soldaten, ärztliche Infektionsschutzmaßnahmen zu dulden und insbesondere Schutzimpfungen gegen übertragbare Krankheiten hinzunehmen, ist verfassungsmäßig.
2. Die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der verpflichtenden militärischen Basisimpfungen gegen Infektionskrankheiten begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.“[19]
Lausen zufolge hätte man mit weiteren Befehlen bis zur Klärung der Rechtslage verzichten können.
Der Vorsitzende Richter Dr. Häußler verkündete nun um 13:33 Uhr abschließend, dass der Senat entscheiden werde, ob es eine weitere mündliche Verhandlung oder einen reinen Schriftvortrag geben werde. Die Sitzung vom 29.05.2024 werde nun geschlossen.
[1] Bundesverwaltungsgericht „Pressemitteilung Nr. 26/2024“ vom 14.05.2024 auf „bverwg.de“ vom 14.05.2024. Aufzurufen unter https://www.bverwg.de/pm/2024/26, zuletzt aufgerufen am 30.05.2024.
[2] Zu diesem siehe „Münster und Glücksburg: Die Leitstellen der SAR-Rettungsflieger“ auf „bundeswehr.de“ vom 07.11.2017. Aufzurufen unter https://www.bundeswehr.de/de/leitstellen-sar-such-rettungsdienst-bundeswehr-55016, zuletzt aufgerufen am 02.06.2024.
[3] „Tiere im Mittelpunkt. ganzheitliche Kleintierpraxis“ auf „tims-tierarztpraxis.de“. Aufzurufen unter https://www.tims-tierarztpraxis.de/Team/, zuletzt aufgerufen am 30.05.2024.
[4] Rebmann, Kai „„Einer der größten Justiz-Skandale der Nachkriegsgeschichte“ „Impf“-Duldungspflicht bei der Bundeswehr“ auf „reitschuster.de“ vom 20.01.2024. Aufzurufen unter https://reitschuster.de/post/einer-der-groessten-justiz-skandale-der-nachkriegsgeschichte/, zuletzt aufgerufen am 30.05.2024.
[5] Zöllner, L. „Oberfeldarzt Dr. med. Dimitrios Frangoulidis zum Privatdozenten ernannt“ auf „instmikrobiobw.de“ vom 12.01.2016. Aufzurufen unter https://www.instmikrobiobw.de/news/artikel/oberfeldarzt-dr-med-dimitrios-frangoulidis-zum-privatdozenten-ernannt/, zuletzt aufgerufen am 30.05.2024.
[6] Bombeke, Yann „Auf Spurensuche in der Kläranlage“ auf „dbwv.de“ vom 20.02.2022. Aufzurufen unter https://www.dbwv.de/aktuelle-themen/blickpunkt/beitrag/auf-spurensuche-in-der-klaeranlage, zuletzt aufgerufen am 30.05.2024.
[7] „Generalarzt Dr. med. Jürgen Meyer“ auf „bundesaerztekammer.de“. Aufzurufen unter https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Themen/Medizin_und_Ethik/WB/Lebenslaeufe/Meyer_11.07.2023.pdf, zuletzt aufgerufen am 30.05.2024.
[8] Presse- und Informationszentrum des Sanitätsdienstes der Bundeswehr „Interview: Basisimpfschema um COVID-19Coronavirus Disease 2019-Impfung erweitert“ auf „bundeswehr.de“ vom 25.11.2021. Aufzurufen unter https://www.bundeswehr.de/de/organisation/sanitaetsdienst/aktuelles-im-sanitaetsdienst/basisimpfschema-um-covid-19-impfung-erweitert-5291690, zuletzt aufgerufen am 30.05.2024.
[9] Hartmann, V. „Seminar „Zivil-Militärische Zusammenarbeit “ Gesundheitswesen 2020 – Partner im Bevölkerungsschutz und der Genfer Konvention“ auf „wehrmed.de“ vom 08.01.2021. Aufzurufen unter https://wehrmed.de/fuehrung-organisation/seminar-zivil-militaerische-zusammenarbeit-gesundheitswesen-2020-partner-im-bevoelkerungsschutz-der-genfer-konvention.html, zuletzt aufgerufen am 30.05.2024.
[10] Robert-Koch-Institut „Monitoring des COVID-19-Impfgeschehens in Deutschland. Monatsbericht des RKI vom 07.07.2022“ auf „rki.de“ vom 07.07.2022, S. 5. Aufzurufen unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/COVID-19/Monatsberichte/2022 – 07-07.pdf?__blob=publicationFile, zuletzt aufgerufen am 03.06.2024.
[11] Robert-Koch-Institut „Monitoring des COVID-19-Impfgeschehens in Deutschland. Monatsbericht des RKI vom 07.07.2022“ auf „rki.de“ vom 07.07.2022“, S. 14. Aufzurufen unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/COVID-19/Monatsberichte/2022 – 07-07.pdf?__blob=publicationFile, zuletzt aufgerufen am 03.06.2024.
[12] Siehe Reitler, Patrick „Soldaten-Freispruch: Impfbefehl wegen Freiwilligkeit „nicht ausführbar““ auf „epochtimes.de“ vom 14.04.2023. Aufzurufen unter https://www.epochtimes.de/politik/deutschland/soldaten-freispruch-impfbefehl-wegen-freiwilligkeit-nicht-ausfuehrbar-a4230623.html, zuletzt aufgerufen am 02.06.2024.
[13] Siehe Debionne, Philippe „Élite-Soldat verweigert Corona-Pflichtimpfung bei Bundeswehr – mit Folgen“ auf „schwaebische.de“ vom 28.04.2023 um 10:51 Uhr. Aufzurufen unter https://www.schwaebische.de/politik/impf-befehle-gegen-corona-es-geht-darum-mich-kaltzustellen-1575138, zuletzt aufgerufen am 02.06.2024.
[14] RDr Schart „Handlungshilfe für Disziplinarvorgesetzte im unterstellten Bereich des Kdo RegSanUstg zum Umgang mit Soldatinnen und Soldaten, die die duldungspflichtige CoVid19-Impfung verweigern“ RB Kdo RegSanUstg vom 17.12.2022.
[15] Leif-Erik Holm (AfD) „Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 8. April 2024 eingegangenen Antworten der Bundesregierung“ auf „bundestag.de“, S. 54. Aufzurufen unter https://dserver.bundestag.de/btd/20/110/2011038.pdf, zuletzt aufgerufen am 04.06.2024.
[16] „ Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Siemtje Möller vom 08. April 2024“ auf „bundestag.de“, S. 55. Aufzurufen unter https://dserver.bundestag.de/btd/20/110/2011038.pdf, zuletzt aufgerufen am 04.06.2024.
[17]„COVID-19 Basisimpfschema / Nebenwirkungen / Schlichtungsausschuss“ auf „fragedenstaat.de“ vom 23.05.2023. Aufzurufen unter https://fragdenstaat.de/anfrage/covid-19-basisimpfschema-nebenwirkungen-schlichtungsausschuss/, zuletzt aufgerufen am 01.06.2024.
[18] „Allgemeines Verwaltungsrecht. Materielle Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts“ auf „juracdemy.de“. Aufzurufen unter https://www.juracademy.de/allgemeines-verwaltungsrecht/materielle-rechtmaessigkeit-va.html, zuletzt aufgerufen am 01.06.2024.
[19] „Beschluss vom 07.07.2022 – BVerwG 1 WB 2.22. Rechtmäßigkeit der Einführung einer Duldungspflicht für Covid-19-Impfungen bei Soldaten“ auf „bverwg.de“ vom 07.07.2022. Aufzurufen unter https://www.bverwg.de/de/070722B1WB2.22.0, zuletzt aufgerufen am 01.06.2024.