Inter­view mit Herrn Hans-Joa­chim Schl­im­pert vom BVSV

Der Bun­des­ver­band der Sach­ver­stän­di­gen für das Ver­si­che­rungs­we­sen (BVSV) e. V. wur­de 2014[1] gegrün­det, weil die öffent­li­che Bestel­lung von Sach­ver­stän­di­gen im Ver­si­che­rungs­we­sen kei­ne Grund­la­ge gefun­den habe:

„Der BVSV ver­steht sich nicht als Berufs­ver­band, son­dern als Wis­sens­ge­mein­schaft der Ver­si­che­rungs­wirt­schaft, in der Akteu­re aus allen Berei­chen der Ver­si­che­rungs­wirt­schaft gemein­sam Stan­dards ent­wi­ckeln und Bil­dungs­kon­zep­te umset­zen.“[2]

© 2024 Cri­ti­cal News —Hans-Joa­chim Schl­im­pert vom BVSV

Hans-Joa­chim Schl­im­pert vom BVSV berich­te­te am 30.10.2024 auf der Mak­ler­mes­se in DKM dar­über, dass die Kör­per­schaf­ten des Öffent­li­chen Rechts das Ver­si­che­rungs­we­sen weit­ge­hend aus­ge­glie­dert hätten:

„Immer häu­fi­ger kom­men natür­lich Fra­gen, wo man dann eine neu­tra­le Ant­wort braucht, und dafür sind natür­lich Sach­ver­stän­di­ge da. Wir sel­ber haben da dann auf Basis der öffent­li­chen Bestel­lun­gen und der Anfor­de­run­gen der öffent­li­chen Bestel­lun­gen den BVSV gegrün­det mit dem Hin­ter­grund, dass hier eine Aus­bil­dung geschaf­fen wur­de, die denen der öffent­li­chen, staat­lich aner­kann­ten Sach­ver­stän­di­gen Aus­bil­dung auch entsprechen.“

Dadurch sei auch die Mög­lich­keit für Mak­ler geschaf­fen wor­den, die über beson­de­re, über dem Durch­schnitt lie­gen­de Kennt­nis­se ver­fü­gen, und dadurch durch ein Gericht zu Sach­ver­stän­di­gen beru­fen wer­den kön­nen. Dadurch wür­den Mak­ler die Chan­ce haben, sich zusätz­li­che Repu­ta­ti­on zu erar­bei­ten. Mit­hin könn­ten sie sowohl durch Gerich­te als Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ter bestellt wer­den als auch als Mak­ler ein zwei­tes Stand­bein aufbauen.

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BVSV bie­tet kei­ne Rechtsberatung

Im Mai 2015 habe sich Andre­as Schwarz in sei­ner Funk­ti­on sowohl als Sach­ver­stän­di­ger wie auch als Ers­ter Vor­sit­zen­der des BVSV gegen­über Ass­Com­pact geäu­ßert:

„Rechts­be­ra­tung schlie­ßen wir aus, denn dazu sind wir weder ange­tre­ten noch berech­tigt. Die Her­aus­for­de­rung, Exper­ten, auch aus ande­ren Fach­ge­bie­ten, inner­halb des Ver­ban­des zu ver­ei­nen, kam rela­tiv schnell auf uns zu. Wir haben uns dem gestellt und sind dabei, ein dich­tes Netz­werk aus Exper­ten in unse­ren Fach­be­rei­chen zu ver­ei­nen und zu koor­di­nie­ren. Selbst­ver­ständ­lich ist es auch eines unse­rer erklär­ten Zie­le, den Mak­lern und Ver­mitt­lern am Markt, die sich wei­ter­ent­wi­ckeln möch­ten und ihr bereits vor­han­de­nes Fach­wis­sen, ihre Kennt­nis­se des Mark­tes und ihre Kom­pe­ten­zen in einer Tätig­keit als Sach­ver­stän­di­ge ver­ei­nen wol­len, die Mög­lich­keit dazu zu geben.“ [3]

Schl­im­pert wies in sei­nem Inter­view mit „Risi­ko & Vor­sor­ge“ dar­auf hin, dass sich etwa ein sach­ver­stän­di­ger Dach­de­cker ent­schei­den müs­se, ob er einen Scha­den bewer­ten oder repa­rie­ren wol­le. Bei­des gleich­zei­tig sei nicht zuläs­sig. Ana­log habe man dies für Mak­ler in der Sat­zung des BVSV gere­gelt. Ent­we­der dür­fen sie einen Kun­den als Sach­ver­stän­di­gen oder in ihrer Rol­le als Ver­si­che­rungs­mak­ler betreu­en. Bei­des gleich­zei­tig gehe also nicht. Es gäbe Schl­im­pert zufol­ge aber auch immer wie­der mal älte­re Kol­le­gen, die nach einem Bestands­ver­kauf ger­ne wei­ter­hin die lang­jäh­rig erwor­be­nen Kennt­nis­se anwen­den wollen.

Gut­ach­ter soll­ten über­durch­schnitt­li­che Kennt­nis­se nach­wei­sen können

Im Gespräch mit Ste­phan Wit­te bestä­tigt Schl­im­pert, dass sich grund­sätz­lich jeder als Sach­ver­stän­di­ger bezeich­nen kön­ne und dass auch sol­che Per­so­nen als Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ter ein­ge­setzt wür­den, denen die dafür erfor­der­li­che Exper­ti­se feh­le. Gleich­wohl sei es mög­lich, durch das Gesetz gegen den unlau­te­ren Wett­be­werb (UWG) mög­lich, jeden abzu­mah­nen, der die für eine sol­che Tätig­keit erfor­der­li­chen Kennt­nis­se nicht auch nach­wei­sen könne:

„Das heißt, wenn sich jetzt jemand als Sach­ver­stän­di­ger bezeich­net oder irgend­wo irgend­wann ein Wochen­en­de einen Kur­sus gemacht hat und meint, er ist Sach­ver­stän­di­ger, und er wird zum Bei­spiel von der Wett­be­werbs­zen­tra­le Bad Hom­burg ange­schos­sen, muss er nach­wei­sen, dass er eine ver­gleich­ba­re Aus­bil­dung hat. Und wie wol­len Sie das nach­wei­sen? Das kön­nen Sie nur, wenn er einen ver­gleich­ba­ren Kur­sus und eine ver­gleich­ba­re, ja, Prü­fung gemacht haben, und Sie müs­sen Gut­ach­ten einreichen.“

So eine Abmah­nung kön­ne rela­tiv teu­er werden.

Nicht jeder Medi­zi­ner ver­füg­te über Spe­zi­al­wis­sen für psy­cho­lo­gi­sche Gutachten

Befragt zum The­ma „medi­zi­ni­sche Gut­ach­ten“ gab Schl­im­pert an, dass der BVSV als Ver­band kei­ne sol­chen Gut­ach­ten machen wür­de. Dabei erläu­tert er im Inter­view, wel­che Pro­ble­me man mit der aktu­el­len Pra­xis sol­cher Gut­ach­ter sehe. So rei­che es etwa nicht aus, ein­fach nur z. B. ein Arzt zu sein. Viel­mehr müs­se man über den Berufs­stand hin­aus Kennt­nis­se haben. Mit­hin füh­le sich jeder Medi­zi­ner in der Lage, Gut­ach­ten etwa über psy­chi­sche Erkran­kun­gen zu machen.

Wei­ter führt Schl­im­pert aus, dass jeder Gut­ach­ter sich erklä­ren müs­se, ob er ein Par­tei­sach­ver­stän­di­ger oder ein neu­tra­ler Gut­ach­ter sei. Dabei dür­fe auch ein Par­tei­sach­ver­stän­di­ger kei­ne Gefäl­lig­keits­gut­ach­ten (z. B. für einen ihn beauf­tra­gen­den Ver­si­che­rer oder Geschä­dig­ten) abge­ben. Das Gut­ach­ten eines sol­chen Sach­ver­stän­di­gen, der die­se Infor­ma­ti­on unter­lässt, sei Schl­im­pert zufol­ge nichts wert.

Pro­ble­ma­tisch sei­en etwa Ärz­te, die von einer Berufs­ge­nos­sen­schaft (BG) beauf­tragt wür­den und auch deren medi­zi­ni­sche Mei­nung ver­tre­ten würden:

„Das ist nicht neutral.“

Sach­ver­stän­di­ge, die oft für einen Ver­si­che­rer tätig sind, im Zwei­fel problematisch

Daher sei es anzu­ra­ten, sich bei Ver­brau­cher­zen­tra­len oder spe­zia­li­sier­ten Anwäl­ten zu erkun­di­gen, wel­che Gut­ach­ter sich in der Ver­gan­gen­heit als neu­tral erwie­sen hät­ten und wel­che sehr eng mit Ver­si­che­rern oder Berufs­ge­nos­sen­schaf­ten zusammenarbeiten:

„Und wenn sich her­aus­stellt, dass ein Gut­ach­ter – und das müss­te jeder Anwalt fra­gen – schon sehr viel für eine Ver­si­che­rung getan hat, und er wür­de als Gerichts­gut­ach­ter machen, stellt sich die Fra­ge der Befan­gen­heit; und wir ken­nen die Zivil­pro­zess­ord­nung die neue Rege­lung seit eini­gen Jah­ren, dass jeder Gut­ach­ter, der einen Fall bekommt, sich fra­gen muss, ob er befan­gen ist. Und wenn er die Befan­gen­heit hat, darf er den Fall nicht anneh­men. Nimmt er ihn an, und es kommt spä­ter raus, ver­liert er den Ver­gü­tungs­an­spruch, und macht im Prin­zip die Arbeit umsonst; und ich kann dann immer noch ent­schei­den, ob er das Gut­ach­ten ver­wen­det oder nicht.“

Schl­im­pert zufol­ge sei­en Anträ­ge auf Sor­ge einer mög­li­chen Befan­gen­heit ein Teil der übli­chen Ver­tei­di­gungs­stra­te­gie von Anwäl­ten. Natür­lich ver­su­che man damit, unbe­que­me Gut­ach­ten abzu­weh­ren.  Bei medi­zi­ni­schen Gut­ach­ten sei­en das wich­tigs­te Pro­blem jene Gut­ach­ten, bei denen ein Medi­zi­ner als Gut­ach­ter benannt wer­de, die­ses aber nicht auch durch­füh­re. Gäbe also ein als Sach­ver­stän­di­ger für ein psy­cho­lo­gi­sches Gut­ach­ten beauf­trag­ter Pro­fes­sor die Begut­ach­tung an  sei­nen Ober­arzt ab, so sei dies ein typi­scher Fall, wo das Gut­ach­ten wegen Befan­gen­heit abge­lehnt werde.

Gut­ach­ten ohne per­sön­li­che Begut­ach­tung abzulehnen

Beson­ders oft wür­den Gut­ach­ten im psych­ia­tri­schen Bereich abge­lehnt, wo über Per­so­nen geur­teilt wür­de, ohne dass ein Gut­ach­ter sie über­haupt gese­hen habe. Da Rich­ter aber nicht immer einen Ersatz­sach­ver­stän­di­gen haben, wür­den sol­che Sach­ver­stän­di­gen dann oft geschützt, wenn es nicht all­zu offen­sicht­lich sei.


[1] Feld­haus, Tho­mas „BVSV Gewer­be­zen­trum – Part­ner der mit­tel­stän­di­schen Wirt­schaft“ auf  „sqau​re​vest​.ag“, zuletzt aktua­li­siert am 30.06.2024. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.square​vest​.ag/​b​l​o​g​/​b​v​s​v​-​g​e​w​e​r​b​e​z​e​n​t​r​u​m​-​p​a​r​t​n​e​r​-​d​e​s​-​m​i​t​t​e​l​s​t​a​nds, zuletzt auf­ge­ru­fen am 07.11.2024.

[2] Feld­haus, Tho­mas „BVSV Gewer­be­zen­trum – Part­ner der mit­tel­stän­di­schen Wirt­schaft“ auf  „sqau​re​vest​.ag“, zuletzt aktua­li­siert am 30.06.2024. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.square​vest​.ag/​b​l​o​g​/​b​v​s​v​-​g​e​w​e​r​b​e​z​e​n​t​r​u​m​-​p​a​r​t​n​e​r​-​d​e​s​-​m​i​t​t​e​l​s​t​a​nds, zuletzt auf­ge­ru­fen am 07.11.2024.

[3] „Neu­er Ver­band ver­tritt Inter­es­sen von Sach­ver­stän­di­gen im Ver­si­che­rungs­we­sen. Inter­view mit Andre­as Schwarz, Sach­ver­stän­di­ger und 1. Vor­sit­zen­der des BVSV Bun­des­ver­band der Sach­ver­stän­di­gen für das Ver­si­che­rungs­we­sen e.V.“ in „Ass­Com­pact“ vom Mai 2015, S. 92. Auf­zu­ru­fen unter https://​www​.bvsv​-bun​des​ver​band​.de/​w​p​-​c​o​n​t​e​n​t​/​u​p​l​o​a​d​s​/​2​0​1​5​/​0​5​/​A​s​s​C​o​m​p​a​c​t​5​1​5​_​b​v​s​v​.​pdf, zuletzt auf­ge­ru­fen am 06.11.2024.

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