Kran­ken­ver­si­che­rung: Wenn die GOÄ an ihre Gren­zen gerät

„Eines der füh­ren­den Län­der für Nasen­ope­ra­tio­nen ist der Iran“

„Risi­ko & Vor­sor­ge“ im Inter­view mit Dr. Meh­di Dor­mia­ni von Cos­mo­po­li­tan Aes­the­tics in Hannover

Risi­ko & Vor­sor­ge: Es ist schön, dass Sie sich die Zeit für ein Inter­view neh­men konn­ten. Herr Dr. Dor­mia­ni. Sie besit­zen eine brei­te Aus­bil­dung, die in die­ser Form für einen Schön­heits­chir­ur­gen nicht reprä­sen­ta­tiv ist. Bevor sie bei Cos­mo­po­li­tan Aes­the­tics in Han­no­ver begon­nen haben, haben Sie bereits sechs Jah­re in der Unfall­chir­ur­gie gear­bei­tet und hier auch Tho­ra­x­chir­ur­gie als Fach­arzt für all­ge­mei­ne Chir­ur­gie geleis­tet. Wei­te­re zwei Jah­re waren Sie als Ober­arzt in einem Kran­ken­haus tätig, bevor Sie an der Kli­nik für Plastische‑, Ästhetische‑, Hand- und Wie­der­her­stel­lungs­chir­ur­gie der Medi­zi­ni­schen Hoch­schu­le Han­no­ver tätig wur­den. Seit zwei Jah­ren sind Sie Fach­arzt für plas­ti­sche Chir­ur­gie.  Sie haben jedoch auch zwei Jah­re in den USA studiert.

© 2019 – Dr. med. Meh­di Dormiani

Die meis­ten Ärz­te, die im Bereich der Schön­heits­chir­ur­gie prak­ti­zie­ren, haben ledig­lich eine Aus­bil­dung von 6 Jah­ren in den vier Haupt­fä­chern hin­ter sich. Die­se sind rekon­struk­ti­ve, Verbrennungs‑, Hand- und ästhe­ti­sche Chirurgie.

Nach § 5 Nr. 2 MB/KK 2009 sind Schön­heits­ope­ra­tio­nen ohne medi­zi­ni­sche Indi­ka­ti­on nicht erstat­tungs­fä­hig. Was sind die häu­figs­ten Pro­ble­me, die Ihnen als Behand­ler in die­sem Zusam­men­hang begegnen?

Dor­mia­ni: Das häu­figs­te Pro­blem ist, dass Pati­en­tin­nen ihre Brust­ope­ra­ti­on mit der gesetz­li­chen oder pri­va­ten Kran­ken­ver­si­che­rung abrech­nen las­sen wol­len. Zum Teil füh­len sie sich durch eine zu gro­ße Brust stig­ma­ti­siert. Beim ers­ten Antrag wer­den sie meist abge­lehnt. Begrün­det wird dies meist mit einer angeb­lich feh­len­den medi­zi­ni­schen Indi­ka­ti­on. Dabei ist dies stets ein sehr sub­jek­ti­ver Begriff. Im Ein­zel­fall kann dies durch­aus sehr unter­schied­lich gese­hen wer­den. Sehr hei­kel und kri­tisch ist es, wenn Pati­en­ten Pro­zes­se füh­ren, Wider­sprü­che erhe­ben und manch­mal Recht bekom­men. Das zieht sich dann oft über meh­re­re Jah­re. Vie­le Pati­en­ten geben daher auf oder zah­len auf­grund der Kennt­nis sol­cher Pro­ble­me lie­ber gleich selbst.

Risi­ko & Vor­sor­ge: Wie oft wer­den Sie mit dem Wunsch nach geschlechts­an­glei­chen­den Ope­ra­tio­nen konfrontiert?

Dor­mia­ni: Sol­che Ope­ra­tio­nen fin­den meist in spe­zi­el­len Zen­tren (z.B. in Ber­lin oder Frank­furt am Main) statt. Hier­für gibt es kla­re Pro­zes­se. Gesprä­che mit einem Psych­ia­ter oder Psy­cho­lo­gen sind vor­ge­schrie­ben, um sicher­zu­stel­len, dass es um kei­ne Lau­ne geht. Für die Hor­mon­the­ra­pie kommt ein Team aus Chir­ur­gen und Endo­kri­no­lo­gen ins Spiel. Eine Ope­ra­ti­on erfolgt erst, wenn klar ist, dass es auch nach der ers­ten Hor­mon­ga­be und psy­cho­lo­gi­schen Gesprä­chen bei die­ser Ent­schei­dung bleibt. Erst wenn die­ser gan­ze Pro­zess durch­lau­fen ist, kommt es zur Kos­ten­zu­sa­ge durch den zustän­di­gen Krankenversicherungsträger.

Bei geschlechts­an­glei­chen­den Ope­ra­tio­nen han­delt es sich stets um sehr lang­wie­ri­ge, kom­pli­ka­ti­ons­träch­ti­ge Ope­ra­tio­nen. Dazu gehört etwa die Rekon­struk­ti­on des Lust­emp­fin­dens. Füh­rend sind hier die Thai­län­der. Gera­de bei Ope­ra­tio­nen Mann zu Frau wer­den immer wie­der Teams dort­hin geschickt.

Eines der füh­ren­den Län­der für Nasen­ope­ra­tio­nen ist der Iran. Auf­grund der Schlei­er­pflicht spielt das Gesicht bei der Part­ner­wahl eine beson­ders gro­ße Rol­le. Eine schö­ne Nase oder eine ange­ho­be­ne Augen­braue sind gän­gi­ge Ope­ra­ti­ons­wün­sche. Im All­tag ist das Gesicht die Visi­ten­kar­te Nr. 1.

Auch Süd­ko­rea ist extrem weit, was die Gesichts­chir­ur­gie betrifft. Das Schön­heits­ide­al dort ist oft sehr euro­pä­isch geprägt. Daher kommt es oft zu Ope­ra­tio­nen, bei denen die asia­ti­schen Ober­li­der ent­fernt wer­den. Auch wol­len viel Frau­en eine Fal­te am Ober­lid, damit die Augen grö­ßer erschei­nen. Einen gro­ßen Ein­fluss auf die dor­ti­ge Schön­heits­chir­ur­gie haben Schau­spie­ler und YouTube-Stars.

Risi­ko & Vor­sor­ge: Was sind die häu­figs­ten Grün­de, wes­halb Sie kos­me­ti­sche Ope­ra­tio­nen durch­füh­ren sollen?

Dor­mia­ni: Haupt­säch­lich geht es um die Kor­rek­tur der weib­li­chen Brust, gefolgt von Bauch­de­cken­straf­fun­gen und Gesichts­ein­grif­fe wie an der Nase oder den Lidern. Dann fol­gen post­trau­ma­ti­sche Pro­ble­me (z.B. bei Ver­bren­nun­gen, einer früh­kind­li­chen Ver­brü­hung am Rumpf mit spä­te­rer Ver­nar­bung, oder der Zer­stö­rung einer kind­lich ange­leg­ten Brustdrüse).

Risi­ko & Vor­sor­ge: Eini­ge Unfall­ver­si­che­rer wer­ben damit, dass sie kos­me­ti­sche Ope­ra­tio­nen infol­ge Brust­kreb­ses über­neh­men. Viel häu­fi­ger ist die Kos­ten­über­nah­me für unfall­be­ding­te kos­me­ti­sche Ope­ra­tio­nen. Wie sehen Sie den Mehr­wert in der Praxis?

Dor­mia­ni: Unfall­be­ding­te Ope­ra­tio­nen und kos­me­ti­sche Ope­ra­tio­nen infol­ge Brust­kreb­ses wer­den fast immer voll­stän­dig von den Kran­ken­ver­si­che­rern über­nom­men, etwa eine Mus­kel­lap­pen­ent­nah­me, um damit an ande­rer Stel­le eine neue Brust auf­zu­bau­en.  Den Mehr­wert einer sol­chen Ver­si­che­rung sehe ich daher als eher gering an.

Risi­ko & Vor­sor­ge: Was ist der bis­her teu­ers­te Fall für eine von Ihnen durch­ge­führ­te kos­me­ti­sche Operation?

Dor­mia­ni: Der bis­lang teu­ers­te Fall, der mir ein­fällt, ist ein Ver­bren­nungs­vor­fall als Klein­kind mit betrof­fe­ner Schul­ter, Ober­arm und Rumpf sowie Betei­li­gung der Brust auf der betrof­fe­nen Sei­te. Erfor­der­lich waren nar­ben­auf­lö­sen­de Ein­grif­fe (zum Teil Plas­ti­ken), nar­ben­auf­wei­chen­de Ein­grif­fe (medi­zi­ni­sches Need­ling) mit meh­re­ren Sit­zun­gen, rekon­struk­ti­ve Ein­grif­fe zur Wie­der­her­stel­lung der Brust. Die Kos­ten der Ope­ra­ti­on belie­fen sich ins­ge­samt auf etwa 80.000 Euro ohne die Kos­ten der Inten­siv­sta­ti­on mit einzubeziehen.

Risi­ko & Vor­sor­ge: Bei der Gestal­tung pri­va­ter Kran­ken­ver­si­che­rungs­ver­trä­ge wer­den die Kos­ten teil­wei­se bis zum Regel­höchst­satz GOÄ, teil­wei­se bis zum Höchst­satz (3,5fach GOÄ) und mit­un­ter auch dar­über hin­aus über­nom­men. Gibt es hier nach Ihrer Erfah­rung Unter­schie­de zwi­schen ambu­lan­ten und sta­tio­nä­ren Eingriffen?

Dor­mia­ni: In der Regel ist eine ambu­lan­te Behand­lung güns­ti­ger. Eine Berech­nung über dem 3,5fachen Satz der Gebüh­ren­ord­nung ist eher die Aus­nah­me.  Nur sel­ten haben wir Fäl­le, bei denen wir mehr als den 3,5fachen Satz gel­tend machen.

Risi­ko & Vor­sor­ge: Wel­che Rol­le spielt die Kos­ten­über­nah­me durch die gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rer für Sie als Arzt und wie sehen Sie die aktu­el­le Gestal­tung der GOÄ  und wie ste­hen Sie zu den Unter­schie­den in der Abrech­nung nach GOÄ oder im Rah­men der GKV?

Dor­mia­ni: In die­ser Kli­nik wird fast alles pri­vat bezahlt, sodass das für uns kei­ne Rol­le spielt. In den gro­ßen Kli­ni­ken ist die GOÄ in vie­len Fäl­len nicht mehr den aktu­el­len Bedürf­nis­sen der Pati­en­ten und Behand­ler gerecht. Wir haben vie­le sehr kran­ke Pati­en­ten, die sehr viel Zuwen­dung brau­chen. Vie­les sind mul­ti­mor­bi­de Pati­en­ten, davon teil­wei­se zusätz­lich wegen des Alters pflegebedürftig.

Eine nor­ma­le Haus­arzt­pra­xis im Jah­re 2019 und vor 30 Jah­ren ist sehr unter­schied­lich. Heu­te gibt es dort sehr vie­le Per­so­nen mit mul­ti­plen Erkran­kun­gen, unab­hän­gig von gesenk­ten Schwel­len­wer­ten bei z.B. Dia­be­tes und Cho­le­ste­rol. Auch ist mehr Zeit­auf­wand erfor­der­lich als aktu­ell zur Ver­fü­gung steht.

Für eine gute Arbeit braucht man grö­ße­re Zeit­fens­ter für die Pati­en­ten. Einem Ortho­pä­den ste­hen heu­te zum Teil nur 5 bis 7 Minu­ten für eine kom­pli­zier­te Erst­ana­mne­se zur Ver­fü­gung. Hier wird oft schier Über­mensch­li­ches von den Kol­le­gen erwartet.

Das aktu­el­le Gesund­heits­sys­tem för­dert 1,0‑Schüler, die nicht unbe­dingt empa­thisch sind, um mit beson­ders pro­ble­ma­ti­schen Pati­en­ten umzu­ge­hen. Die jun­gen Ärz­te wer­den nach dem Stu­di­um auf die Men­schen los­ge­las­sen. Dabei fehlt ihnen nicht nur Lebens­er­fah­rung, son­dern ggf. auch das erfor­der­li­che Einfühlungsvermögen.

Risi­ko & Vor­sor­ge: In der pri­va­ten Kran­ken­ver­si­che­rung wer­den regel­mä­ßig die Kos­ten für sta­tio­nä­re Vor- und Nach­un­ter­su­chun­gen über­nom­men. Wel­cher Zeit­raum soll­te in einem leis­tungs­star­ken Tarif ver­ein­bart werden?

Dor­mia­ni: Vor­un­ter­su­chun­gen, auch Unter­su­chungs­be­fun­de und kli­ni­sche Befun­de soll­ten wie­der­holt wer­den, wenn seit der Unter­su­chung sechs Mona­te oder mehr ver­gan­gen sind. Labor­wer­te und kli­ni­sche Befun­de kön­nen sich auch verändern.

Durch­schnitt­lich ver­ge­hen zwi­schen der Vor­stel­lung bei uns und der Ope­ra­ti­on etwa 6 bis 8 Wochen. Das hängt natür­lich auch vom Zeit­punkt an. Ende Okto­ber / Novem­ber las­sen sich vie­le Pati­en­ten operieren.

Bei den Nach­un­ter­su­chun­gen ist der Zeit­raum sehr breit­ge­fä­chert. Bei post­trau­ma­ti­schen Pro­ble­men sind mit­un­ter noch Jah­re oder Jahr­zehn­te spä­ter Nach­be­hand­lun­gen erfor­der­lich. Das Spek­trum ist nach oben ganz offen.

Bei einer Brust­ope­ra­ti­on ist in aller Regel nach 6 bis 12 Wochen alles O.K, außer bei see­li­schen Pro­ble­men, Fäl­len von Ver­kap­se­lun­gen etc.

Eine früh­kind­li­che Ver­brü­hung kann noch in hohem Alter zu hohen Pro­ble­men füh­ren. Aus einer Nar­be kann sich noch Jah­re spä­ter ein Nar­ben­kar­zi­nom bil­den, also eine bös­ar­ti­ge Ent­ar­tung zu einem soge­nann­ten mali­gnen Tumor.

Risi­ko & Vor­sor­ge: Wie bewer­ten Sie sub­sti­tu­ti­ve ambu­lan­te Ope­ra­tio­nen als Ersatz für einen sta­tio­nä­ren Auf­ent­halt mit wahl­ärzt­li­chen Leis­tun­gen? Man­che pri­va­te Kran­ken­ver­si­che­rer leis­ten hier nicht. Wie rele­vant ist eine sol­che Leistung?

Dor­mia­ni: Auf­grund des Kos­ten­drucks wer­den Brust­ope­ra­tio­nen in den USA oft ambu­lant durch­ge­führt. Das gilt dort auch für Gal­len­bla­sen­ent­fer­nun­gen, die in Deutsch­land meist einen sta­tio­nä­ren Auf­ent­halt von 2 bis 3 Tagen bedin­gen. Ich spre­che über Ein­grif­fe, die ich schon meh­re­re 100-mal durch­ge­führt habe.

Auf­grund des Kos­ten­drucks ist alles rele­vant. Leis­ten­brü­che wur­den frü­her fast immer sta­tio­när, heu­te oft ambu­lant behan­delt. Damit ver­bun­den ist ein deut­lich höhe­res Risi­ko, Kom­pli­ka­tio­nen zu entwickeln.

Risi­ko & Vor­sor­ge: Wel­che Rele­vanz hat Ihres Erach­tens die Kos­ten­über­nah­me für ambu­lan­te Ope­ra­tio­nen, wenn die­se nicht in § 115 b Abs. 1 SGB V benannt sind? Es geht also um regel­sta­ti­ons-erset­zen­de Ein­grif­fe gemäß dem Ver­trag durch den GKV-Spit­zen­ver­band, DKG und KBV.

Dor­mia­ni: Bestimm­te Ein­grif­fe, z.B. Leis­ten­brü­che, Pro­the­sen­im­plan­ta­tio­nen, Hand­frak­tu­ren, Seh­nen­ver­let­zun­gen an der Hand, fal­len jetzt häu­fi­ger unter § 115 b. Dies gilt auch für Ver­än­de­run­gen an der Haut.

Risi­ko & Vor­sor­ge: Im Rah­men ambu­lan­ter Vor- und Nach­un­ter­su­chun­gen gibt es teil­wei­se eine Begren­zung auf bestimm­te GOÄ-Sät­ze. Wie rele­vant ist dies und wel­che Aus­wir­kun­gen haben Fall­pau­scha­len (DRG = Dia­gno­sis Rela­ted Groups) auf die Leis­tungs­pra­xis der behan­deln­den Ärzte?

Dor­mia­ni: Die Rele­vanz hängt deut­lich von der Schwe­re des Ein­griffs ab. GOÄ-Sät­ze und Fall­pau­scha­len ver­füh­ren Ärz­te eher dazu, sich die Rosi­nen raus­zu­pi­cken. Dies gilt ins­be­son­de­re für Unter­neh­men, die Divi­den­den an Anteils­eig­ner aus­schüt­ten müssen.

Lie­ber ver­wei­sen vie­le Ärz­te daher pro­ble­ma­ti­sche Fäl­le an Hoch­schu­len, um ihre eige­nen Gewin­ne zu maxi­mie­ren. Hoch­schul­kli­ni­ken füh­len sich vor die­sem Hin­ter­grund dann oft als Recyclingcenter.

Risi­ko & Vor­sor­ge: Kos­ten­pau­scha­len füh­ren zum Trend kür­ze­rer Lie­ge­zei­ten, mit­un­ter auch zu einer anschlie­ßen­den Reha-Behand­lung. Es heißt, dass vor allem Kas­sen­pa­ti­en­ten von rück­läu­fi­gen Ver­weil­dau­ern betrof­fen sei­en. Füh­ren die 2004 in Deutsch­land ein­ge­führ­ten Fall­pau­scha­len als Grund­la­ge für eine „blu­ti­ge Ent­las­sung“ zu Unter­schie­den in der Behand­lung von gesetz­lich und pri­vat Versicherten?

Dor­mia­ni: Die frü­he­ren Lie­ge­dau­ern waren zum Teil sehr extrem. Da man muss man sich auch an die eige­ne Nase fas­sen. Mög­li­cher­wei­se geht die Ten­denz heu­te in die ande­re Rich­tung. Kein Arzt ist mei­nes Erach­tens so schlecht, das er einen Pati­en­ten vor­sätz­lich in einem nicht sta­bi­len, all­ge­mei­nen Zustand ent­las­sen wird.

In der Chir­ur­gie fal­len Feh­ler und Fol­ge­feh­ler sehr schnell auf. Das mag in der inne­ren Medi­zin, zum Bei­spiel in der Nephrolo­gie (Wis­sen­schaft von den Nie­ren­krank­hei­ten) oder ande­ren medi­zi­ni­schen Berei­chen Anders sein und wird dort gege­be­nen­falls leich­ter ver­tuscht wer­den können.

Risi­ko & Vor­sor­ge: Sie arbei­ten für eine Pri­vat­kli­nik. Steht die­se allen Ver­si­cher­ten zur Verfügung?

Dor­mia­ni: Wir haben kei­ne Kas­sen­zu­las­sung und zum größ­ten Teil alles Selbst­zah­ler. Zum Teil wird über die pri­va­te Kran­ken­ver­si­che­rung an uns her­an­ge­tre­ten, sel­te­ner über die GKV.

Risi­ko & Vor­sor­ge: Wenn eine Ver­si­che­rung für die Kos­ten­über­nah­me pri­vat ärzt­li­cher Leis­tun­gen besteht, bedeu­tet dies auch die freie Wahl z.B. eines Chef-Anästhesisten?

Dor­mia­ni: Ja, aller­dings gibt es auch hier unter­schied­li­che Tari­fe. Am meis­ten bestellt wird der Chef­arzt, dann ein oder zwei Ver­tre­tungs­ärz­te, die für Pri­vat­pa­ti­en­ten zuge­las­sen wären. Die­se sind in der Regel Ver­tre­ter aus dem Kreis der Oberärzte.

Risi­ko & Vor­sor­ge: Müs­sen Ver­si­cher­te selbst dar­auf kom­men, dass die „Chef­arzt­be­hand­lung“ ihnen die Mög­lich­keit bie­tet, das Behand­lungs­team kom­plett zusammenzustellen.

Dor­mia­ni: Das Liqui­di­täts­recht liegt meist bei den Chefs.

Risi­ko & Vor­sor­ge: Wel­chen Ein­fluss hat die Ein­kom­mens­va­ria­bi­li­tät qua GOÄ auf die Ärz­te selbst? Wird hier­mit vor allem das ärzt­li­che Ein­kom­men erhöht oder erzie­len Ärz­te durch Wahl­leis­tun­gen Vor­tei­le gegen­über der Kli­nik, in der sie behan­deln (z.B. durch Kauf neu­er Behandlungsmaschinen)?

Dor­mia­ni: Bei einer Behand­lung kom­plett über die GOÄ wür­de ich weni­ger Geld ver­die­nen, hät­te aber auch deut­lich weni­ger Zeit für mei­ne Pati­en­ten. Mei­ne beson­de­ren Exper­ti­sen wür­de ich dann sicher unter Wert ver­kau­fen. Um gleich viel zu ver­die­nen, müss­te ich dann deut­lich mehr arbei­ten, was zu Las­ten der Qua­li­tät gehen würde.

Risi­ko & Vor­sor­ge: Wo sehen Sie zukünf­ti­ges Poten­zi­al für PKV-Ver­si­cher­te gegen­über GKV-Ver­si­cher­ten durch Zusatz­ver­si­che­run­gen von pri­vat ärzt­li­chen Leis­tun­gen zu profitieren?

Dor­mia­ni: Wir meckern aktu­ell auf sehr hohem Niveau, gera­de im inter­na­tio­na­len Ver­gleich. In der Inten­siv­me­di­zin gibt es kei­ne Unter­schei­dung zwi­schen GKV und PKV. Natür­lich gibt es mehr Kom­fort für Pri­vat­pa­ti­en­ten (z.B. Zei­tung, Mar­mor­bad). Nach­tei­le für Pri­vat­pa­ti­en­ten gibt es bei der Dia­gnos­tik da oft auch unnö­ti­ge Unter­su­chun­gen mit Neben­wir­kun­gen und Strahl­be­las­tung vor­ge­nom­men wer­den, z.B. ein CT.

Risi­ko & Vor­sor­ge: Wel­che Unter­schie­de zum Gesund­heits­sys­tem in Deutsch­land sind gegen­über dem Iran beson­ders her­vor­zu­he­ben und wel­che Unter­schie­de gibt es zwi­schen der per­si­schen und der west­li­chen Schulmedizin?

Dor­mia­ni: In vie­len west­li­chen Län­dern spielt die med­ico­le­ga­le Vor­ge­hens­wei­se (= auf­pas­sen, dass man sich juris­tisch nichts zuschul­den kom­men lässt), eine gro­ße Rol­le. In ande­ren Län­dern steht man als Arzt nicht sofort mit einem Bein im Knast, sodass man auch Zeit für die medi­zi­ni­sche Betreu­ung hat und nicht nur für die Dokumentation.

Risi­ko & Vor­sor­ge: § 4 Abs. 6 MB/KK 2009 setzt für einen Leis­tungs­an­spruch vor­aus, dass „Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­den und Arz­nei­mit­tel, die von der Schul­me­di­zin über­wie­gend aner­kannt sind“.

Der Film „Zen­sur – die orga­ni­sier­te Mani­pu­la­ti­on der Wiki­pe­dia und ande­rer Medi­en“ (ab ca. 01.29 h) von Mar­kus Fied­ler und Frank Micha­el Speer zeigt auf, wie die Wiki­pe­dia dazu genutzt wird, die Inter­es­sen von Schul­me­di­zin und Phar­ma­lob­by ein­sei­tig als unum­strit­ten dar­zu­stel­len und die Alter­na­tiv­me­di­zin ein­sei­tig zu ver­un­glimp­fen. Ande­re Medi­en berich­ten von man­gel­haf­ter Kennt­nis einer über­wie­gen­den Zahl von Ärz­ten in der Krebs­the­ra­pie hin­sicht­lich alter­na­ti­ver Heil­me­tho­den (sie­he Inter­view Ken­FM im Gespräch mit Lothar Hin­rei­se „Che­mo­the­ra­pie heilt Krebs und die Erde ist eine Schei­be“). Inwie­fern ler­nen Ärz­te im Rah­men ihrer Aus­bil­dung, sich kri­tisch mit Schul- als auch Alter­na­tiv­me­di­zin auseinanderzusetzen?

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„Zen­sur – die orga­ni­sier­te Mani­pu­la­ti­on der Wiki­pe­dia und ande­rer Medien“
https://​you​tu​.be/​p​N​K​h​z​-​A​8​fLI
„Che­mo­the­ra­pie heilt Krebs und die Erde ist eine Scheibe“

Dor­mia­ni: Ich bin ein rei­ner Befür­wor­ter der evi­denz­ba­sier­ten Medi­zin mit Doppel-Blind-Studien.

Ich habe eher das Gegen­teil erlebt, dass Ärz­te ver­sucht haben, das Leben zu ver­län­gern bzw. das Leben erträg­li­cher zu ver­ein­ba­ren. Vie­le die­ser Pati­en­ten haben dann nach dem letz­ten Stroh­halm gegrif­fen und wur­den zum Teil in Hol­land von soge­nann­ten „Wun­der­hei­lern“ finan­zi­ell über den Tisch gezogen.

Ich bin Unter­stüt­zer von Phy­to­the­ra­pie (Pflan­zen­heil­kun­de) und tra­di­tio­nel­ler chi­ne­si­scher Medi­zin, wenn evi­denz­ba­siert wis­sen­schaft­lich nachgewiesen.

Mei­ne ers­te Anlauf­stel­le wäre die Schul­me­di­zin. Ich wür­de aber nie mich oder einen Ange­hö­ri­gen homöo­pa­thisch behan­deln lassen.

Risi­ko & Vor­sor­ge: Herz­li­chen Dank für das Interview.

Der Text wur­de ursprüng­lich am 19.10.2019 ver­öf­fent­licht in „Risi­ko & Vor­sor­ge“ 2 – 2019, S. 17 – 19

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