Ber­lin-Tem­pel­hof: die­Ba­sis-Mit­glied (49) stirbt nach Festnahme

Ber­lin-Tem­pel­hof, 02.08.2021 09:55 Uhr

Laut Mit­tei­lung von die­Ba­sis funkt ist ges­tern ein 49-jäh­ri­ges Mit­glied der Par­tei die­Ba­sis, nach­dem es „durch die Poli­zei zu Boden gewor­fen“ und hier­nach „fest­ge­nom­men“ wor­den sei, im wei­te­ren Ver­lauf der Maß­nah­me kol­la­biert und kur­ze Zeit spä­ter im Kran­ken­haus verstorben.

Aus einer dpa-Mel­dung, wel­che unter ande­rem vom Tages­spie­gel, dem Ber­li­ner Sonn­tags­blatt, dem Spie­gel und ande­ren Zei­tun­gen ver­brei­tet wird, habe ein Spre­cher der Poli­zei der Deut­schen Pres­se-Agen­tur am frü­hen Mon­tag­mor­gen bestä­tigt, dass „der 49-Jäh­ri­ge […] Teil­neh­mer der Pro­tes­te gewe­sen“ sei. „Der Mann habe im Zuge einer Iden­ti­täts­fest­stel­lung bei der Demons­tra­ti­on am Sonn­tag­nach­mit­tag über ein Krib­beln in Arm und Brust geklagt.“

RTL​.de berich­tet eben­falls, dass durch poli­zei­li­che Ein­satz­kräf­te sofort Erst­maß­nah­men getrof­fen wor­den sei­en, bis sich ein alar­mier­ter Ret­tungs­wa­gen unmit­tel­bar der Ver­sor­gung ange­nom­men habe. Wel­cher Art die­se gewe­sen sind, ist nicht ersichtlich.

Lücken­pres­se?

Liest man den Bei­trag von RTL​.de genau, so fin­det sich dort kein ein­zi­ger Hin­weis auf eine zuvor statt­ge­fun­de­ne Fest­nah­me durch die Poli­zei, bei der ein Mann zu Boden gebracht wor­den sei. Es heißt dort nur, dass ein Mann bei den „Querdenken“-Demonstrationen in Ber­lin kol­la­biert und anschlie­ßend in einem Kran­ken­haus gestor­ben sei. „Der Mann habe im Zuge einer Aus­wei­sung […] über ein Krib­beln in Arm und Brust geklagt“. Dies erweckt somit eher den Anschein, als habe man ledig­lich nach dem Pass gefragt:

„Bei den „Querdenker“-Demonstrationen in Ber­lin ist ein Mann kol­la­biert und anschlie­ßend in einem Kran­ken­haus gestor­ben. Ein Spre­cher der Poli­zei bestä­tig­te der Deut­schen Pres­se-Agen­tur am frü­hen Mon­tag­mor­gen, der 49-Jäh­ri­ge sei Teil­neh­mer der Pro­tes­te gewe­sen. Der Mann habe im Zuge einer Aus­wei­sung bei der Demons­tra­ti­on am Sonn­tag­nach­mit­tag über ein Krib­beln in Arm und Brust geklagt.“

Beim Lesen des Spie­gel-Arti­kels wird eben­falls kein Zusam­men­hang auf einen vor­he­ri­gen kör­per­li­chen Über­griff durch die Poli­zei erstellt. Der Arti­kel fängt gleich mit der Iden­ti­täts­fest­stel­lung an, sodass anzu­neh­men wäre, dass dar­über hin­aus kein wei­te­res außer­ge­wöhn­li­ches, somit belas­ten­des Ereig­nis für den 49-jäh­ri­gen Mann statt­ge­fun­den habe.

„Als die Poli­zei sei­ne Iden­ti­tät fest­stel­len woll­te, klag­te der Mann über ein Krib­beln in Arm und Brust: Bei den »Querdenker«-Demonstrationen in Ber­lin ist ein Mann zusam­men­ge­bro­chen und anschlie­ßend in einem Kran­ken­haus gestorben.“

Ins­ge­samt wid­met der Spie­gel dem Tod die­ses Man­nes nur zwei Absät­ze im gesam­ten Artikel. 


Nach­trag:

Der Spie­gel-Arti­kel ist mit Stand 12:30 Uhr bereits ange­passt wor­den. Er wur­de nun um fol­gen­den Absatz ergänzt: 

Wie ein Spre­cher der Staats­an­walt­schaft auf SPIE­GEL-Anfra­ge mit­teil­te, kam der Mann aus dem Rhein­land. Er war mit sei­nem jugend­li­chen Sohn zu der Demons­tra­ti­on nach Ber­lin gereist. Den Anga­ben zufol­ge habe der 49-Jäh­ri­ge eine Poli­zei­ab­sper­rung durch­bro­chen, in der Fol­ge sei es zu »Wider­stands­hand­lun­gen« gekom­men. Dar­auf­hin sei der Mann von Poli­zei­kräf­ten fest­ge­nom­men und zur Iden­ti­täts­fest­stel­lung zu einem Ein­satz­fahr­zeug gebracht worden.


Beson­ders auf­fal­lend am Spie­gel-Arti­kel ist der Titel und Sub­ti­tel, in dem nach­fol­gend zugleich auf eine bru­ta­le Atta­cke auf den Vor­sit­zen­den des Jour­na­lis­ten­ver­bands ver­wie­sen und im Gegen­satz zu den Ereig­nis­sen um den Tod des 49-jäh­ri­gen Man­nes im Nach­gang detail­lier­te Beschrei­bun­gen zu den Ereig­nis­sen erfolgen:

49-Jäh­ri­ger kol­la­biert bei »Querdenker«-Protesten und stirbt

In Ber­lin haben am Sonn­tag Tau­sen­de Men­schen trotz Ver­bot gegen die Coro­na­maß­nah­men demons­triert. Dabei starb ein 49-Jäh­ri­ger. Zudem wur­de der Vor­sit­zen­de eines Jour­na­lis­ten­ver­bands bru­tal attackiert.“

So wird im Spie­gel ins­be­son­de­re auf den Tages­spie­gel ver­wie­sen, um die Form der Gewalt dar­stel­len zu können:

„Laut einem Bericht des »Tages­spie­gels« wur­de er am Sonn­tag von meh­re­ren Men­schen vom Fahr­rad gezerrt und dann geschla­gen und getre­ten. Erst durch das Ein­grei­fen von Pas­san­ten hät­ten sie von ihm abgelassen.“

Dies erweckt den Ein­druck einer Rela­ti­vie­rung zum Zwe­cke der Mani­pu­la­ti­on des Lesers, da dies unter­be­wusst den Gedan­ken zulässt, als wür­den die Teil­neh­mer der Quer­den­ken-Ver­an­stal­tung für Gewalt sein. Ob es Demons­tran­ten oder zufäl­lig vor­bei kom­men­de Pas­san­ten waren, die J. R. zur Hil­fe kamen, ist nicht erkenn­bar. Wel­chen Pro­vo­ka­tio­nen und Gewalt­über­grif­fen die Demons­tran­ten aus­ge­setzt waren, fällt i.A. auch unter dem Tisch. 

Reist­schus­ters Video zur Demo auf dem Index

Alex­an­der Wal­l­asch schreibt hier­zu als Gast­au­tor bei Reit​schus​ter​.de

„You­tube attes­tiert der Ber­li­ner Poli­zei, so gewalt­tä­tig zu sein, dass ein Video von Boris Reit­schus­ter, wel­ches bru­ta­le Sze­nen von Poli­zei­ge­walt zeigt, auf dem haus­ei­ge­nen Index lan­det. Wer sich die­sen Clip mit dem Titel „Bru­ta­le Sze­nen: Wie Ber­li­ner Poli­zei zugriff“ anschau­en möch­te, der muss sich näm­lich als voll­jäh­rig veri­fi­zie­ren, muss sogar gewis­ser­ma­ßen Mit­glied bei You­tube wer­den, als hät­te man sich dis­kret in den 1980er Jah­ren in einem Hotel einen Por­no­film bestellt (hier sehen Sie das Video auf der zen­sur­frei­en Platt­form „Rum­ble“ ohne sol­che Schikane).“

Ver­bo­te­ne Demos?

Ein Nar­ra­tiv wird eben­falls durch die Medi­en befeu­ert. So schreibt der Spiegel:

Trotz des Ver­bots meh­re­rer Demons­tra­tio­nen auch aus der »Querdenker«-Szene waren in Ber­lin am Sonn­tag Tau­sen­de Men­schen auf die Stra­ße gegan­gen. Dabei kam es mehr­fach zu Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen Pro­tes­tie­ren­den und der Poli­zei. Es wur­den auch Ein­satz­kräf­te und Gewerk­schafts­ver­tre­ter angegriffen.“

Dem Durch­schnitts­le­ser wird hier­bei sicher­lich nicht bewusst, dass nicht alle Demons­tra­tio­nen ver­bo­ten waren, aber den­noch Men­schen der Zugang selbst zu erlaub­ten Demos mas­siv erschwert wur­de. So war z. B. der Auto­kor­so, der durch den Schla­ger­sän­ger Björn Bana­ne ver­an­stal­tet wur­de, eine geneh­mig­te Demons­tra­ti­on. Den­noch teil­te er bereits um kurz vor 10 Uhr mit, dass Men­schen ohne Fahr­zeug der Zugang erschwert bzw. unmög­lich gemacht wurde.

Der Ver­an­stal­tungs­ort selbst war bereits weit weg und am Sonn­tag sicher­lich nicht der Ort, an dem man vie­le Men­schen hät­te errei­chen können.

Rechts­an­walt und Frie­dens­ak­ti­vist Mar­kus Haintz, der selbst am Sams­tag­abend beim Rad­lern kurz­zei­tig ver­haf­tet wur­de, teil­te hier­zu am Sonn­tag auf sei­nem Tele­gram-Kanal mit:

„14:33 Uhr, zwei­te Durch­sa­ge der Poli­zei mit Andro­hung von Zwangs­mit­teln, inklu­si­ve Wasserwerfer.

?Die Poli­zei bestä­tigt jetzt genau das was ich von Anfang an gesagt habe?

Die Men­schen befin­den sich momen­tan auf einer ver­bo­te­nen Versammlungsfläche.

Dies ist tak­tisch und recht­lich unklug. Weil die Poli­zei damit die Mög­lich­keit hat, zu räu­men und Was­ser­wer­fer einzusetzen.

An ande­ren Orten in Ber­lin, bei denen kei­ne Demos ange­zeigt und ver­bo­ten wur­den, bestün­de die­se Mög­lich­keit nicht.

Daher umge­hen vie­le auch den Tier­gar­ten, größ­ten­teils in süd­li­cher Richtung.

Tags zuvor wur­de er selbst ver­haf­tet, weil er ver­meint­lich auf einer ehe­ma­li­gen Ver­an­stal­tungs­flä­che gestan­den hät­te. So schrieb er auf sei­nem Tele­gram-Kanal:

„Fest­nah­me auf­grund von Bier trin­ken in der Nähe einer ehe­ma­li­gen Ver­samm­lungs­flä­che. Trotz mehr­ma­li­gen Nach­fra­gen wur­de mir nicht mit­ge­teilt, wur­de in der Ver­samm­lungs­flä­chen und endet. Ich soll­te mich meh­re­re 100 m entfernen.“

Par­tei die­Ba­sis sucht Zeugen

Der Mann sei nach Mit­te­lung der Par­tei die­Ba­sis in einem Kran­ken­haus gestor­ben ist. Die Fest­nah­me habe am 01.08.2021 um ca. 16:30 Uhr an der Ecke Tem­pel­ho­fer Ufer/Luckenwalder Str. statt­ge­fun­den. Sie bit­ten auf ihrem Tele­gram-Kanal die­Ba­sis funkt um Mit­hil­fe durch Augen­zeu­gen und Video­auf­nah­men zu dem Vorfall:

Quel­le: Tele­gram-Kanal die­Ba­sis funkt, 02.08.2021 08.30:24 Uhr, https://t.me/die_basis_funkt/621

Inne­hal­ten tut Not

Tra­gisch an sol­chen Vor­fäl­len ist, dass durch das Fehl­ver­hal­ten Ein­zel­ner eine gan­ze Grup­pe dis­kre­di­tiert wird, auf der einen Sei­te z. B. die Poli­zei, auf der ande­ren Demons­tran­ten, die aktu­ell für Frie­den, Frei­heit, Wahr­heit und Lie­be auf die Stra­ßen gehen.

Sol­che Ereig­nis­se soll­ten alle Bür­ger und Orga­ne unse­res Staa­tes zum Anlass neh­men, bei sich selbst hin­zu­schau­en, inwie­weit sie dazu bei­tra­gen bzw. in den letz­ten Jahr­zehn­ten dazu bei­getra­gen haben, dass erst ein Kli­ma der Angst, der Unfrei­heit und des Zwan­ges ent­ste­hen konn­te, gegen das sich Men­schen so lan­ge auf­leh­nen, bis man auch sie gebro­chen hat oder es unter­lässt, sie zu unterdrücken.

Die VBG (Ihre gesetz­li­che Unfall­ver­si­che­rung) hält eine Site­map zur Ein­füh­rung in die Gewalt­prä­ven­ti­on vor.

„Die Wis­sen­schaft unter­schei­det prin­zi­pi­ell zwi­schen per­so­na­ler Gewalt, die direkt von Men­schen aus­ge­übt wird, und struk­tu­rel­ler Gewalt, die von den gesell­schaft­li­chen Bedin­gun­gen, unter denen Men­schen leben, ausgeht.“

Wel­che For­men es von Gewalt es gibt, zeigt ein Schau­bild, dass Sie hier finden.


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