Aufgrund der aktuellen Verschrfungen der Corona-Manahmen werden Kinder in Kitas und Schulen verstrkt dazu angehalten, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Nachdem Kinder mit Maskenattesten durch Schulleiter abgewiesen wurden, sahen sich Eltern dazu veranlasst, gegen diese Verordnungen zu klagen.
Das OVG Mnster hat in seiner Entscheidung vom 24.9.2020 13 B 1368/20 im Hinblick auf den Nachweis des Vorliegens von medizinischen Grnden, die eine Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer MNB rechtfertigen, Voraussetzungen bzw. Tatbestandsmerkmale definiert:
a. Nach 1 Abs. 4 CoronaBetrVO kann die Schulleiterin oder der Schulleiter aus medizinischen Grnden von der Maskenpflicht des Absatzes 3 Satz 1 befreien. Die Grnde sind nach Satz 2 Halbsatz 1 der Regelung auf Verlangen nachzuweisen. Um der Schule eine sachgerechte Entscheidung ber die Befreiung von der sog. Maskenpflicht aus medizinischen Grnden zu ermglichen, bedarf es fr diesen Nachweis grundstzlich der Vorlage eines aktuellen rztlichen Attests, das gewissen Mindestanforderungen gengen muss. Aus dem Attest muss sich regelmig jedenfalls nachvollziehbar ergeben, welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeintrchtigungen auf Grund der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Schule alsbald zu erwarten sind und woraus diese im Einzelnen resultieren. Soweit relevante Vorerkrankungen vorliegen, sind diese konkret zu bezeichnen. Darber hinaus muss im Regelfall erkennbar werden, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschtzung gelangt ist.
Dabei ist entgegen der Ansicht der Antragsteller die rechtliche Situation nicht vergleichbar mit der Vorlage einer Arbeitsunfhigkeitsbescheinigung gegenber einem Arbeitgeber. Vorliegend ist Ziel der Antragsteller, mithilfe der rztlichen Bescheinigungen einen rechtlichen Vorteil zu erwirken, nmlich die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung. In derartigen Konstellationen muss die Verwaltung – hier die Schulleitung – bzw. das Gericht, wie auch in anderen Rechtsgebieten, aufgrund konkreter und nachvollziehbarer Angaben in den rztlichen Bescheinigungen in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen selbstndig zu prfen.
Vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 28. August 2020 – 13 B 1205/20.NE -, Abdruck S. 11; VG Wrzburg, Beschluss vom 16. September 2020 – W 8 E 20.1301 -, juris, Rn. 19 ff.; VG Neustadt (Weinstrae), Beschluss vom 10. September 2020 – 5 L 757/20.NW -, juris, Rn. 19; VG Dsseldorf, Beschluss vom 25. August 2020 – 18 L 1608/20 -, juris, Rn. 37.
Insoweit drften auch, anders als die Antragsteller meinen, der Benennung konkreter medizinischer Grnde in einer entsprechenden Bescheinigung keine datenschutzrechtlichen Aspekte entgegenstehen. Konkrete Anhaltspunkte, die einen nicht datenschutzkonformen Umgang mit ihren Daten befrchten lassen, haben die Antragsteller im brigen nicht vorgetragen.
Siehe dazu eingehend VG Wrzburg, Beschluss vom 16. September 2020 – W 8 E 20.1301 -, juris, Rn. 23.
Rechtsanwalt Wilfried Schmitz uerte sich hierzu gegenber Critical News am 29.10.2020 wie folgt:
Bekanntlich ist die Rechtsprechung an Recht und Gesetz gebunden (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG) und somit nach der im GG verankerten Gewaltenteilung und Gesetzesbindung (man denke in diesem Kontext auch an die Ewigkeitsgarantie nach Art. 79 Abs. 3 GG) daran gehindert, selbst die Rolle des Gesetzgebers einzunehmen und eigenmchtig ber den Gesetzestext hinaus Gesetze zu verknden oder auch nur den Anschein zu erwecken, dass er wie ein Gesetzgeber Regelungen mit der Wirkungskraft von Gesetzen schaffen knne.
Dem Wortlaut der CoronaBetrVO kann eindeutig nicht entnommen werden, dass derjenige, der medizinische Grnde durch ein rztliches Attest nachweisen mchte, diese Grnde offen legen muss, etwa durch die konkrete Bezeichnung bzw. Offenbarung von relevanten Vorerkrankungen und durch die Darlegung von gesundheitlichen Beeintrchtigungen, die durch das Tragen eines Attests absehbar zu erwarten seien.
Das OVG Mnster hat somit nach diesseitiger Wertung eindeutig seine Kompetenzen als Gericht berschritten, soweit es in seiner Entscheidung vom 24.9.2020 13 B 1368/20 im Hinblick auf den Nachweis des Vorliegens von medizinischen Grnden, die eine Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer MNB rechtfertigen, Voraussetzungen bzw. Tatbestandsmerkmale definiert hat, die sich dem Wortlaut der CoronaBetrVO und damit dem Willen des Verordnungsgebers nicht einmal andeutungsweise entnehmen lassen.
Was wird durch eine solche Rechtsprechung bezweckt?
Sind nun alle rzte nicht mehr glaubwrdig, weil einige rzte in den Verdacht geraten sind, in diesem Kontext Geflligkeitsatteste auszustellen?
Sind nun alle Menschen, die aus medizinischen Grnden keine MNB tragen knnen, nicht mehr glaubwrdig, weil sich einige Menschen mglicherweise Geflligkeitsatteste verschafft haben.
Genauso wenig wie das OVG Mnster knnte ein Arbeitsgericht einen Arbeitnehmer dazu verpflichten, seine Krankschreibung knftig nur noch mit vergleichbaren konkreten Angaben zu seiner Erkrankung und den sich daraus absehbar ergebenden Beeintrchtigungen der Arbeitsfhigkeit des Arbeitnehmers nachweisen bzw. glaubhaft machen zu knnen.
Eine solche Rechtsprechung des OVG Mnster begrndet den betroffenen Brger den Verdacht, als wenn einfach durch die Justiz hindurch regiert wird und durch solche willkrlich gesetzten Anforderungen an Befreiungsatteste Menschen, die sich auf solche medizinischen Grnde berufen, durch die Pflicht zur Offenbarung ihrer Krankengeschichte geradezu gedemtigt und erniedrigt und dadurch in ihrer Menschenwrde verletzt werden sollen.
Denn jetzt soll jeder Schulleiter zum Richter gemacht werden, ob ein Attest tauglich ist oder nicht? Auch entsteht der Eindruck, als ob Entschdigungsklagen nach dem AGG durch solche Atteste erschwert werden sollen.
Der ganze erluternde Text, den das OVG Mnster nunmehr kraft eigener angemater Rechtsetzungskompetenz bei solchen Befreiungsattesten verlangt, ndert jedenfalls nichts an der Tatsache, dass nur ein Arzt fachlich qualifiziert ist zu beurteilen, ob der Gesundheitszustand eines Menschen die Befreiung von der Maskenpflicht induziert. Einem Schulleiter wird die Kompetenz, solche medizinischen Fragen beurteilen zu knnen, auch nicht durch mglichst viel Text in rztlichen Attesten vermittelt. Denn auch dann muss sich ein Schulleiter darauf verlassen knnen, dass ein Arzt ihm keine Fabelmrchen erzhlt.
Es ist auch bekannt geworden, dass es Schulleiter gibt, die solche Befreiungsatteste von Schlern und Lehrern allesamt ohne Wissen und Wollen der Betroffenen – an die Bezirksregierung weiterleiten, damit sie dort auch noch mal geprft werden knnen, was nach diesseitiger Einschtzung mit unter keinem Gesichtspunkt mit der DSGVO (vgl. u.a. Art. 6 DSGVO) vereinbar ist und den Tatverdacht der Verletzung von Privatgeheimnissen i.S. des 203 Abs. 2 StGB begrndet.
Gerade diese illegale Form der Weitergabe von rztlichen Befreiungsattesten an Bezirksregierungen drngt zu der Annahme, dass es hier in Wahrheit nicht um die berprfung von rztlichen Attesten geht, sondern sich die Exekutive auf diesem Wege blo mglichst umfassend darber informieren will, welche rzte solche Atteste ausstellen und ob ein Grund erkennbar ist, solche rzte bei den jeweiligen rztekammern zu denunzieren.
Hat ein Land, in dem so mit dem Datenschutz und zugleich mit rzten umgegangen wird, wirklich noch eine freiheitlich-demokratische Grundordnung, die auf rechtsstaatlichem Fundament aufbaut?