Die so genannte Erweiterte Vorsorge geht ursprünglich zurück auf den Versicherer Haftpflichtkasse Darmstadt und wurde zur DKM 2011 von dieser eingeführt (siehe hier). Heute heißt das Unternehmen Die Haftpflichtkasse, die Leistungserweiterung ist nunmehr auch als Best-Leistungs-Garantie und Marktgarantie bekannt und Bestandteil vieler Versicherungstarife.
Zu den Leistungsvoraussetzungen der Erweiterten Vorsorge heißt es bei der Haftpflichtkasse beispielhaft in den Bedingungen zu ihrer Hausratversicherung Einfach Komplett (Stand 02.2025) unter anderem wie folgt:
„1. Erweiterte Vorsorge
1.1 Merkmale
a) Leistungen, die im vereinbarten Versicherungsvertrag nicht eingeschlossen, zum Zeitpunkt des Schadeneintritts jedoch Bestandteil eines anderen aktuell wählbaren Hausrattarifs am deutschen Markt sind, gelten im Schadenfall – entsprechend den Bedingungen des Mitbewerbers – grundsätzlich mitversichert.
Diese Mitversicherung ist an folgende Bedingungen geknüpft:
[…]
• Der leistungsstärkere Tarif ist allgemein zugänglich;
[…]“
Echtes Interesse an Transparenz?
Bei der Auslegung der allgemeinen Zugänglichkeit sollte man meinen, dass hier nachvollziehbare Kriterien zugrunde liegen. Tatsächlich fehlt es bedingungsseitig an einer entsprechenden Klarstellung. Diese ist jedoch erforderlich, um zu bewerten, was die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch sind.
Wer als Vermittler um Verständnis bemüht ist, stößt schnell auf ein Problem: in Schulungen sowie im persönlichen Gespräch mit Unternehmensmitarbeitern zeigt man sich sehr transparent und verbraucherfreundlich, auf schriftliche Anfrage hingegen eher zugeknöpft.
Informationen für die Vermittlerschaft
In einer Onlineschulung zu ihrer Hausratversicherung vom 31.01.2025 stellte der Versicherer klar, dass auch Sonderkonzepte von z. B. DMV oder VEMA im Rahmen der Erweiterten Vorsorge Anwendung finden würden.
Fernmündlich hat der Versicherer dies auch im Rahmen eines Gesprächs vom 25.08.2025 so bestätigt. Ausdrücklich seien auch Assekuradeurskonzepte mit oder ohne Sideletter als allgemein zugänglich gemeint, nicht jedoch Tarife, die z. B. nur über die Mitgliedschaft in einem Hebammenverband abgeschlossen werden könnten.
Inhalt einer schriftlichen Anfrage an den Versicherer
Im Nachgang zu diesem Gespräch wurde der Versicherer um eine schriftliche Klarstellung gebeten. Zwischenzeitlich war dem Autor dieser Zeilen bekannt geworden war, dass der Versicherer einem Dritten gegenüber einer verbindlichen Klarstellung bezogen auf gewisse Sonderkonzepte auch der VEMA habe zukommen lassen. Aus dieser gehe hervor, dass die Erweiterte Vorsorge sowohl auf deren Tarife mit als auch ohne Sideletter Anwendung finden würde. Wesentliche Inhalte der Anfrage an das Unternehmen seien hier zitiert:
„wir hatten am 25.08.2025 ein längeres Telefonat zur Auslegung Ihrer Erweiterten Vorsorge. In dieser heißt es unter anderem wie folgt:
„Der leistungsstärkere Tarif ist allgemein zugänglich;“
Hierzu hatte ich Sie um eine schriftliche Klarstellung zur Auslegung gebeten und seitdem mehrfach (leider erfolglos) um Ihren Rückruf gebeten. Mittlerweile ist mir bekannt, dass Ihr Haus einem Dritten gegenüber eine konkrete Auslegung für bestimmte Fälle haben zukommen lassen. Da diese wohl vertraulich zu sein scheint, möchte ich nicht sagen, gegenüber wem Sie diese Aussage getroffen haben. Sie deckt sich jedoch mit den Inhalten Ihrer Onlinepräsentation von Anfang 2025 sowie den Inhalten unseres gemeinsamen Gespräches. Konkret wurde dort auch benannt, dass die VEMA im Rahmen Ihrer erweiterten Vorsorge als „allgemein zugänglich“ betrachtet würde.
Wie bekannt, legen verschiedene Wettbewerber die „allgemeine Zugänglichkeit“ unterschiedlich aus. Nach den Inhalten unseres Gespräches seien bei der Haftpflichtkasse davon erfasst insbesondere
• reine Maklerversicherer wie die InterRisk
• Versicherer, die nur über Vertreter abgeschlossen werden können wie die HUK24
• Versicherer, die sowohl von Maklern als auch von Ausschließlichkeitsvertretern vermittelt werden können wie z.B. DEVK oder Nürnberger
• Assekuradeure wie Domcura oder Konzept & Marketing
• Sonderkonzepte mit oder ohne Sideletter wie z. B. germanBroker.net oder die VEMA
als auch auf
• ausschließlich regional tätige Anbieter wie z.B. eine Westfälische Provinzial oder eine VGH
Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass reine Seniorentarife (z.B. Ideal) nicht jedermann zugänglich seien. Juristisch wird jedoch auch die gegenteilige Ansicht vertreten. Hierzu habe ich keine konkrete Auslegung Ihrerseits in Erinnerung.
Können Sie mir diese breite Auslegung bestätigen? Konkret ausgeführt hatten Sie, dass beispielhaft Tarife, die z.B. nur von Hebammen über ihre Verbände abgeschlossen werden können, nicht unter den Begriff der allgemeinen Zugänglichkeit fallen würden. “
Eine konkrete Auskunft sieht anders aus
Als der Versicherer schließlich am 08.09.2025 eine Antwort zukommen ließ, zeigte diese wenig von der am Telefon und im Rahmen der benannten Schulung ausgesprochenen Transparenz:
„Generell wird die Erweiterte Vorsorge so angewandt, wie es den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen zu entnehmen ist.
Etwaige Abweichungen davon, sind dann Einzelfallentscheidungen, welche nur in einem konkreten Schadenfall getroffen werden.
Unabhängig der Interpretation von „allgemein zugänglich“, werden Einzelfallentscheidungen solcher Natur von uns nicht pauschalisiert und auch nicht im Vorhinein zugesagt. “
Schulungsunterlagen und Webcode gewähren Klarstellung
In den Unterlagen zu einer Onlineschulung vom 11.01.2024 der Haftpflichtkasse findet sich schließlich doch ein offizielles Statement des Versicherers:
„3.3.2 Zählt die erweiterte Vorsorge auch für Deckungskonzepte? Z.B. VEMA (BSG/Alte Leipziger)) oder VFM (Baloise) Wie ist das mit VEMA Deckungskonzepten bei der erweiterten Vorsorge?
Ja, die Erweiterte Vorsorge beinhaltet auch VEMA-Deckungskonzepte, nicht aber individuelle Rahmenverträge zwischen einem einzelnen Makler und einem Versicherer, da diese nicht frei zugänglich sind.“[1]
Eine weitere Klarstellung der Haftpflichtkasse existiert bei der VEMA unter dem Webcode 272 (Stand 11.2025) in Bezug auf ihre Tierhalterhaftpflichtversicherung (Hervorhebungen gemäß Original):
„Erweiterte Vorsorge
• Die Erweiterte Vorsorge bezieht sich lt. Auskunft des Versicherers auch auf VEMA-Deckungskonzepte mit anderen Versicherern. Beachten Sie bitte die Einschränkungen (z. B. Auslandsschäden) gemäß Bedingungen.“
Proaktive Schadenregulierung in der Praxis
Die benannten Zitate können helfen, eine gewisse Klarstellung in die Auslegung der Erweiterten Vorsorge aus dem Hause Die Haftpflichtkasse zu gewähren. Obwohl die schriftliche Klarstellung des Anbieters wenig Transparenz zeigte, glänzt das Unternehmen dennoch in der bedingungsseitig garantierten proaktiven Schadenregulierung.
Bei einem Hausratschaden, über den ein Versicherungsmakler aus Offenburg im Dezember 2023 berichtete, erfolgte eine Schadenregulierung unter Verweis auf die Erweiterte Vorsorge:
„Sie haben in Ihrem Vertrag aber die „Erweiterte Vorsorge“ vereinbart. Was bedeutet das für Sie?
• Wir versichern sogar Risiken, die bei uns nicht eingeschlossen sind. Den Schaden bearbeiten wir nach den Bedingungen eines anderen Versicherers. Dabei muss es sich um einen allgemein erreichbaren Hausrat-Tarif einer deutschen Versicherung handeln.
• Wir bearbeiten den Fall für Sie positiv und schauen, ob es einen leistungsstärkeren Tarif gibt.
Wir haben eine andere Versicherung gefunden, die das Risiko eingeschlossen hat. Deshalb erhalte Sie eine Entschädigung von 10.000 EUR (Höchstentschädigungsgrenzte). Diesen Betrag überweisen wir innerhalb der nächsten fünf Werktage auf Ihr Konto.“[2]
Inwiefern der im Text des Maklers herangezogene Wettbewerbstarif einer aus dem Hause VEMA war oder ob ein anderer Anbieter die begehrte Mehrleistung anbot, geht aus dem zitierten Anschreiben des Versicherers nicht hervor.
In einem eigenen Schadenfall eines Kunden regulierte das Unternehmen im April 2025 mit einem vergleichbaren Anschreiben an den Kunden:
„wir haben Ihren Fall sorgfältig geprüft. Eigentlich ist er nicht über die Hausrat-Versicherung abgedeckt.
Gerne erklären wir Ihnen die Gründe:
Es besteht Versicherungsschutz für Schäden durch Blitzschlag sowie Überspannungsschäden durch Blitzschlag.
Nach der Wetterauskunft gab es am 09.09.2024 keine Gewitter, die Überspannungsschäden verursachen.
Überspannungsschäden durch Schwankungen im örtlichen Stromnetz sind nicht versichert.
Sie haben in Ihrem Vertrag aber die „Erweiterte Vorsorge“ vereinbart. Was bedeutet das für Sie?
• Wir versichern sogar Risiken, die bei uns nicht eingeschlossen sind. Den Schaden bearbeiten wir
nach den Bedingungen eines anderen Versicherers. Dabei muss es sich um einen allgemein erreichbaren Hausrat-Tarif einer deutschen Versicherung handeln.
• Wir bearbeiten den Fall für Sie proaktiv und schauen, ob es einen leistungsstärkeren Tarif gibt.
Wir haben eine andere Versicherung gefunden, die das Risiko eingeschlossen hat.
Die Kosten in Höhe von 1.328,00 EUR übernehmen wir.“
Fazit: Eine Erweiterte Vorsorge kann Vorteile bei der Schadenregulierung gewähren. Die Auslegung kann sich jedoch von Versicherer zu Versicherer unterscheiden und sollte daher nach Möglichkeit im Vorfeld geklärt werden.
[1] „Fragenkatalog Zur Online-Präsentation der Hausrat-Versicherung“. Online-Präsentation 11.01.2024. Druckstück Fragenkatalog 01/2024, S. 5
[2] „Die erweiterte Vorsorge in der Hausratversicherung- hier Die Haftpflichtkasse!“ auf „versicherungen-offenburg.de“ vom 03.12.2023. Aufzurufen unter https://www.versicherungen-offenburg.de/2023/12/03/die-erweiterte-vorsorge-in-der-hausratversicherung-hier-die-haftpflichtkasse/, zuletzt aufgerufen am 25.11.2025.