Critical News berichtete am 15.01.2022 über die jüngste Demonstration von „Celle steht auf“. Erwähnt wurde am Rande eine Gegendemonstration mit vermeintlich „entgegengesetzter Position“. Da die Redaktion diese nicht aus eigener Anschauung erleben durfte, war eine umfangreichere Berichterstattung hierzu nicht möglich.
Sehr auffällig ist jedoch die Darstellung der beiden Veranstaltungen in anderen Medien.
Celler Presse: Fokus auf einem neuen Bündnis ohne Kommentierung der Fakten
Die „Celler Presse“[1] berichtete von der Gründung eines „Aktionsbündnis Gelebte Demokratie“, in dem am vergangenen Samstag Redner von DIE LINKE, IG Metall, Netzwerk Südheide sowie dem oben benannten neu gegründeten Aktionsbündnis auftreten sollten. Während „Celle steht auf“ ein „offenes Mikro“ zur Verfügung stellte, gäbe es bei der Gegendemonstration eine „Speaker Corner“. An dieser Stelle fängt dann auch der Bericht in der Celler Presse mit seinem Framing an. Im Bericht heißt es, dass sich Bürger dort
„zu den Querdenkern äußern [dürften] nach vorheriger Anmeldung beim Versammlungsleiteer Hans-Peter Binder (DIE LINKE).“
In dem Pressebericht fehlt jeder Hinweis darauf, dass „Celle steht auf“ kein Teil der Querdenken-Bewegung ist. Es wird zudem der „Querdenken“-Bewegung per se unterstellt, dass Querdenken etwas Negatives sei.
Unkommentiert zitiert die Zeitung die Ziele des Aktionsbündnisses. So stehe man für das Impfen und wolle „Freiheit durch unsere Solidarität zurückgewinnen“. Während man sich als „die Stimme der Vernünftigen“ bezeichne, unterstelle man der Querdenken-Bewegung, dass diese einen „Angriff auf Solidarität, Wissenschaft und Demokratie“ durchführe. Dabei wolle man „mit Aufklärung, Fachwissen und Argumenten den Falschinformationen von Querdenken entgegentreten.“ Belege für solche Vorwürfe werden nicht gegeben.
Hierbei stellt sich schon mal die Frage, weshalb man auf der einen Seite gegen Fake News vorgehen wolle, gleichzeitig aber „Celle steht auf“ der „Querdenken“-Bewegung, die von Michael Ballweg ins Leben gerufen wurde, zurechne, obwohl diese eindeutig erkennbar sind (z. B. 711-Querdenken). Auch stellt sich die Frage, womit „Celle steht auf“ ein Angriff auf die Demokratie unterstellt wird. Tatsächlich zeigte sich gerade diese Gruppierung nicht nur am 15.01.2022 sehr diskussionsbereit, setzte sich deutlich für die Wiederherstellung der verfassungsgemäßen und unveräußerlichen Grundrechte (z. B. Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit) ein, zitierte Studien, oft mit Quellenangaben, ließ in der Vergangenheit wiederholt Personen aus der Mitte der Gesellschaft, eine Schulleiterin, Ärzte, Pfleger, aber auch Impfopfer und andere Opfer der Corona-Maßnahmen zu Wort kommen.
Eher hetzend und spaltend ist es auch, wenn das Aktionsbündnis von einer „wehrhaften Demokratie“ spricht, „die sich den Rechtspopulisten und rechten Mit-/Nachläufern stellen.“ Da auch dies von der „Celler Presse“ nicht weiter kommentiert wird, liest es sich so, als sei „Celle steht auf“ eine rechte (oder gar rechtsextremistische) Veranstaltung. Dass dies gerade nicht der Fall ist, wäre sehr leicht für jeden zu überprüfen, der sich unvoreingenommen mit den Teilnehmern unterhielte oder die Beiträge der vielfältigen Redner lauschen würde. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die „Celler Presse“ bereits über die Spaziergänge vom 04.01.2022 mit einem rechten Framing berichtete und auch das Artikelbild entsprechend ausgewählt hatte[2].
Solidarität von Wagenknecht kritisch hinterfragt
Das Wording des zitierten Aktionsbündnisses[3] liest sich so, als sei „Solidarität“ ein Wert für sich. Was eine (vermeintliche) Mehrheit in der Vergangenheit an Leid über die Menschen gebracht hat, sollte jedem Erwachsenen aus der Geschichte zweier Weltkriege und einer Teilung auf deutschem Boden hinreichend bekannt sein. Impfen, Maskentragen, Lockdowns und andere Maßnahmen sollten aber doch wohl wissenschaftlich begründet werden und gerade nicht aus reiner Solidarität mitgetragen werden. So wird zu keiner Zeit auf die nachteiligen Folgen des Impfens, Maskentragens, Lockdowns und andere Maßnahmen hingewiesen, die jede für sich viele Menschen zu Opfern werden ließen, die offenbar für das eigene Überleben billigend in Kauf genommen werden.
In diesem Zusammenhang sei auf ein aktuelles Interview der Welt mit der LINKEN-Politikern Sarah Wagenknecht vom 12.01.2022[4] hingewiesen. So fragte hier der Reporter, ob sie sich für unsolidarisch halte, weil sie nicht geimpft sei. Wagenknecht entgegnete hierauf wie folgt:
„Ein solidarischer Akt kann eigentlich ja immer nur ein Akt sein, mit dem man andere Menschen schützt. Es ist aber so, und dich finde, das sollte auch Olaf Scholz zur Kenntnis nehmen, wir haben leider keinen Impfschutz, der davor bewahrt, dass ich mich infiziere und andere anstecke. […] Und man schützt sich selbst, man schützt nicht Andere.“
Als Nächstes wollte der Reporter wissen, ob es nicht auch solidarisch sei, sich selbst zu impfen, um damit das Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu schützen. Auch hierzu wusste Wagenknecht schlagfertig mit einer hier offenbar nicht gewollten Wahrheit zu kontern:
„Nur, wenn man diese Definition aufnehmen, dann muss man sagen, jeder, der raucht, ist unsolidarisch, jeder, der ein bisschen zu viel isst und ein größeres Übergewicht entwickelt, ist unsolidarisch. Das sind alles Dinge, wo der persönliche Lebensstil vielleicht irgendwann dazu führt, dass man auch krank werden könnte, und ich finde eigentlich, in einer liberalen und freien Gesellschaft, sollte das wirklich auch die freie Entscheidung eines Jeden sein. Abgesehen davon, ist es tatsächlich ja so, Corona ist eine Krankheit, die vor allem für Ältere sehr gefährlich ist. [….] Zwei Drittel der Intensivpatienten war über 60 Jahre alt. Das heißt, wenn man jetzt junge Leute unter Druck setzt und sagt, sie seien jetzt unsolidarisch, wenn sie sich nicht impfen lassen, 30jährige, 20jährige, dann ist das der größte Unsinn, da es sehr, sehr unwahrscheinlich ist, dass sehr junge Menschen, gesunde Menschen, auf der Intensivstation landen. Es ist nicht ausgeschlossen; es gibt solche Fälle, aber sie sind extrem selten.“
Ganz deutlich steht Wagenknecht für das Recht am eigenen Körper und wirbt auch dafür, dass man die Gründe, wieso ein Teil der Bevölkerung sich nicht impfen lassen möchte, ernst nehme müsse. Viele dieser Menschen hätten rationale und gut durchdachte Gründe.
„Der Impfschutz hält nicht auf Dauer. Das Virus mutiert. Wir sehen jetzt, doppelte Geimpfte sind gegen Omikron sehr viel weniger geschützt. Wir haben auch keinen Impfschutz, der dauerhaft hält, und auch das spricht gegen eine Impfpflicht.“
Sie wendet auch ein, dass noch immer nicht bekannt sei, wie oft die „Impfung“ wiederholt werden müsse, um eine mögliche Impfpflicht zu erfüllen. Außerdem gibt sie zu bedenken, dass gerade die Länder mit den höchsten Impfquoten auch die größten Inzidenzen haben. Jeder solle selbst abwägen, welches Risiko die Erkrankung mit Covid-19 und welches Risiko die Impfung mit sich bringe. Auch sei nicht zu vergessen, dass die Einführung von 2G in Hamburg auf einer falschen Datenbasis erfolgt sei. Kritisch sieht sie auch, das Geboosterte sich am Tag der Boosterung nicht testen lassen müssen, obwohl man wisse, dass der Booster da noch nicht wirke. Wissenschaftlich sei dies fragwürdig.
In einem Ende 2021 ausgestrahlten Fernsehduell gegen den heute amtierenden Gesundheitsminister Karl Lauterbach bei Anne Will
„verwies Wagenknecht auf die Weigerung der Impfmittelhersteller, die Haftung für mögliche Langzeitnebenwirkungen ihrer Medikamente zu übernehmen. Die Impfdebatte sei, so die Politikerin, moralisch aufgeladen. Sie machte deutlich, dass es ihrer Ansicht nach mit den aktuellen Impfstoffen keine Herdenimmunität geben werde. Auch auf mögliche Nebenwirkungen wies die Linke hin, mRNA-Impfstoffe seien neu und Langzeitfolgen allein deshalb nicht auszuschließen.
Dass ausgerechnet Wagenknecht so impfkritisch auftrat, stellte die eingespielte Talkshow-Maschinerie vor ein Problem: Die Ikone der Linken kann man nicht so leicht als „rechts“, „rechtspopulistisch“ oder „rechtsoffen“ diffamieren, wie das mit anderen Kritikern der Impfpolitik quer durch die politischen Lager geschieht. Wagenknecht kam hier eine Beißhemmung der Gegenüber zugute.“[5]
In „Wagenknechts Wochenschau“ #11 äußerte sich die LINKEN-Politikerin bereits zu Anfang der Corona-Krise, also noch im Jahre 2020, zum Thema Solidarität unter anderem wie folgt:
„Da könnte man ja denken, man, großartig, es ist sogar bei der Bundeskanzlerin angekommen, dass Solidarität eine gute Sache ist. Müsste man doch jetzt erwarten, dass sofort Gesetze auf den Weg gebracht werden, zum Beispiel gegen Unternehmen, die ihre Gewinne in Steueroasen verschieben, weil jetzt zählt ja das WIR. Fehlanzeige. Noch nicht einmal so weit ist man gegangen, dass man Rettungsgelder davon abhängig macht, dass die betreffenden Unternehmen hier ihre Steuern zahlen. Das hat Dänemark so gemacht. Frankreich wird es wohl auch so machen. Viele andere Länder. In Deutschland? Fehlanzeige. Von wegen „Jetzt zählt das Wir“. Oder man könnte denken, na ja, also, wenn jetzt das Wir zählt, dann müsste doch ganz genau hingeguckt werden, wer kriegt jetzt eigentlich Rettungsmilliarden, wer kriegt jetzt eigentlich Staatshilfen und sind das nicht vielleicht Unternehmen, die gleichzeitig auch ihre Aktionäre in Geld betten. Also zum Beispiel bei BMW wird es so sein, dass alleine an zwei Leute, das Geschwisterpaar Quandt und Klatten in diesem Jahr voraussichtlich 770 Millionen Euro ausgeschüttet werden, und dieses gleiche Unternehmen profitiert von Staatshilfen in Form von Kurzarbeitergeld. Und ich erinnere daran: Quandt und Klatten, die waren die beide großartigen Figuren, die tatsächlich im Herbst letzten Jahres, in der BILD-Zeitung getönt haben, wer wolle denn mit ihnen tauschen. Da sollte man sich mal daran erinnern, zwei Leute, die mitten in der Krise 770 Millionen Euro bekommen sollen, ja, wer wollte denn mit ihnen tauschen? Nun kann man sage, O.K., wir machen nicht das Kurzarbeitergeld davon abhängig, dass sie diese Dividende nicht ausschütten, aber wenn jetzt das Wir zählt, warum denn nicht ein Gesetz der Bundesregierung, dass alle Diejenigen, die in diesem Jahr Dividenden bekommen, also Kapitalerträge, in Höhe von, sagen wir mal, über 50.000 Euro, dass diese Dividenden zu 100 Prozent besteuert werden? Dann würde ja das Wir zählen, dann hätte nämlich der Staat dieses Geld und könnte damit den Menschen helfen, die es wirklich brauchen.“[6]
Harald Welzer schreibt in seinem Buch: „Täter – Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden“ folgendes:
„Wie ist es möglich, dass Veränderungen in Verhaltensnormen, die für jedermann für gegeben und gültig hält, in solcher Geschwindigkeit vonstattengehen können, wie wir es am Beispiel besonders der Frühphase des „Dritten Reiches“ beobachten können?
Im Ergebnis bedeuten diese normativen Veränderungen, dass eine Gruppe von Gesellschaftsmitgliedern sukzessive aus dem „Universum der allgemeinen Verbindlichkeit“ ausgeschlossen wird, das für die Anderen, die Zugehörigen zur Mehrheitsgesellschaft, nach wie vor in Geltung ist, nun aber exklusiv wird. Dieser Vorgang ist, wie gesagt, die zentrale Voraussetzung für die Entstehung genozidaler Prozesse. Denn die Ausschließung verläuft über Definitionen, dass die auszuschließende Gruppe an sich, und das heißt: jedes ihrer Mitglieder, eine Bedrohung für das Wohlergehen und letztlich für die Existenz der Mehrheitsgesellschaft ist – die dann folgerichtig ihr Heil darin erblickt, diese als bedrohlich wahrgenommene Gruppe unschädlich zu machen und, in letzter Konsequenz, zu vernichten. Deshalb geht allen bekannten Vernichtungsprozessen eine Definition der bedrohlichen Gruppe voraus, und dieser Definition schließt sich eine sich beschleunigende soziale, psychologische, materielle und juristische Deklassierung an, die die zunächst nur behauptete Andersartigkeit der ausgeschlossenen Gruppe zunehmend in eine von den Zeitgenossen gestaltete und gefühlte Realität überführt.“[7]
So werden Forderungen durch Politiker, wie z. B. der Lohnabzug für sogenannte „Impfverweigerer“ oder ein Arbeitsverbot im Allgemeinen nicht auf solchen Veranstaltungen bzw. in bestimmten Medien hinterfragt. Eine „Rote Linie “ scheint es für die Politik nicht zu geben.
Das berühmte Milgram-Experiment des gleichnamigen Psychologen Stanley Milgram zeigt zudem auf, wie einfach es ist, dass jedermann dazu gebracht werden kann, selbst körperliche Gewalt gegen Andere zu dulden oder selbst vorzunehmen, und somit Vorgegebenes umzusetzen. Im Spielfilm „I wie Ikaru“ unter der Regie von Henri Verneuilaus aus dem Jahr 1979 wird das Milgram-Experiment in einem Ausschnitt detailliert erklärt, siehe hier). Ein Kommentar unterhalb des Filmes beschreibt es:
„Das Milgram-Experiment ist ein erstmals 1961 in New Haven durchgeführtes psychologisches Experiment, das von dem Psychologen Stanley Milgram entwickelt wurde, um die Bereitschaft durchschnittlicher Personen zu testen, autoritären Anweisungen auch dann Folge zu leisten, wenn sie in direktem Widerspruch zu ihrem Gewissen stehen. Der Versuch bestand darin, dass ein „Lehrer“ – die eigentliche Versuchsperson – einem „Schüler“ (ein Schauspieler) bei Fehlern in der Zusammensetzung von Wortpaaren jeweils einen elektrischen Schlag versetzte. Ein Versuchsleiter (ebenso ein Schauspieler) gab dazu Anweisungen. Die Intensität des elektrischen Schlages sollte nach jedem Fehler erhöht werden. Diese Anordnung wurde in verschiedenen Variationen durchgeführt. Das Milgram-Experiment sollte ursprünglich dazu dienen, Verbrechen aus der Zeit des Nationalsozialismus sozialpsychologisch zu erklären.“
An diesen Beispielen wird vielleicht jedem deutlich, wieso es aktuell so wichtig ist, diesem Wording entgegenzutreten.
Auch Verlag Dierichs GmbH & Co. KG steht offenbar nicht für objektive Presse
In das gleiche Horn der Verunglimpfung von „Celle steht auf“ stößt die von Dr. Dirk Ippen herausgegebene HNA, die zur Zeitungsholding Hessen gehört. Die Demonstranten werden hier als Verschwörungstheoretiker und „Verharmloser der Pandemie“ geframed:
„Lenke hat sich einem Aufruf zu einer Mahnwache für die Opfer der Corona-Pandemie am Freitag auf dem Opernplatz in Hannover angeschlossen, die sich auch gegen Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit Corona richtet. Auch in Celle wollen Bürger am Samstag gegen eine Verharmlosung der Pandemie demonstrieren.“[8]
Rechtes Framing im Staatsfernsehen
Die aus GEZ-Gebühren zwangsfinanzierte „Tagesschau“, die an sich neutral über ausgewählte Ereignisse berichten sollte, hält es offenbar für notwendig, „Celle steht auf“ ein rechtes Framing zu geben und gleich in seiner Überschrift von „Corona-Leugnern“ (hier erfolgt unterbewusst oft eine Gleichsetzung mit Holocaust-Leugnern und Antisemiten) zu sprechen. Entsprechend wird von „Verschwörungsmythen“, „Aufmärschen“ und von einem „Angriff auf die Demokratie“ gesprochen. Es wird jedoch kein Wort dazu verloren, dass genau diesem Pastor von „Celle steht auf“ die Möglichkeit zum öffentlichen Dialog angeboten wurde, also zu einem demokratischen Diskurs. Dem Beitrag zufolge scheint „Celle steht auf“ keine Möglichkeit zu einer Gegenstellungnahme geboten worden zu sein:
„Etwa 300 Menschen sind in Celle gegen Corona-Verschwörungsmythen und für einen wirksamen Schutz gegen die Pandemie auf die Straße gegangen. Sie wendeten sich vor allem gegen die Bewegung „Celle steht auf“, die sich ihrerseits seit Monaten mit Kundgebungen und Protestzügen durch die Altstadt gegen die staatliche Corona-Politik wendet. „Die Corona-Proteste in vielen Städten sind keine Spaziergänge mehr, sondern haben mehr mit Aufmärschen zu tun“, sagte der evangelische Ruhestandspastor und Mitinitiator Wilfried Manneke der Nachrichtenagentur epd. „Sie sind ein Angriff auf die Demokratie.“ Die Demonstration des neu gegründeten Bündnisses „Gelebte Demokratie“ war die bislang größte Aktion dieser Art in der niedersächsischen Stadt.“[9]
TAZ nutzt epd als Quelle – Tagesschau auch?
Auffällig ist der fast identische Text auch bei der taz, was das Aktionsbündnis betrifft. Inhaltlich neue Informationen bietet der Text jedoch zu „Celle steht auf“:
„Zur selben Zeit folgten rund 200 Menschen einem Aufruf von „Celle steht auf“ und zogen lautstark durch die Innenstadt. Manneke verwies darauf, dass sich an den Celler Kundgebungen gegen die Corona-Politik auch der Rechtsextremist Dennis Bührig beteiligt habe. „Das ist vermutlich nicht der einzige Neonazi bei den ‚Querdenkern‘. Es fällt auf, dass sich die Bewegung nicht dagegen wehrt.“ Nach seinen Worten organisieren Rechtsextremisten mittlerweile in vielen Städten die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen. (epd)“[10]
Die taz bietet als einzige gefundene Quelle Angaben zur Teilnehmerzahl von „Celle steht auf“ von lediglich 200 an jenem Wochenende. Ob sich jener Dennis Bührig am Samstag tatsächlich unter den Teilnehmenden befand oder nicht, ist nicht bekannt. Gemäß einem Beitrag der „Celler Presse“ vom Mai 2020 sei Bührig im Jahre 2008 als Kandidat für die NPD angetreten.[11]
Fakt ist aber, dass eine Teilnehmerin des 15.01.2022 durch ihr Schild deutlich eine Abgrenzung gegen „Nazis“ vollzog und auch ansonsten keinerlei rechtsextremes Gedankengut transportiert wurde.
In einer Demokratie gibt es stets Personen mit unterschiedlichen Auffassungen und es ist Aufgabe von Demokraten, einen sachlichen Diskurs auch mit Mitgliedern anderer Parteien und Auffassungen zu führen. Nur, weil man den Austausch auch mit Andersdenkenden pflegt, macht man sich nicht automatisch auch mit Diesen gemein. Es ist jedoch für eine Demokratie unabdingbar, auch Minderheiten anzuhören. Aus diesem Grunde gibt es etwa Gleichstellungsbeauftragte, Asylrecht oder die gesetzliche Anerkenntnis der Ehe von gleichgeschlechtlichen Personen. Eine Grenze sieht der demokratische Rechtsstaat dort, wo gegen geltendes Recht verstoßen wird, also etwa Gewalt gegen Dritte eingesetzt wird. Ausweislich des weiter unten zitierten Berichtes des NDR wurden am 15.01.2022 keine entsprechenden Ausschreitungen vermeldet. Dies deckt sich auch mit den Beobachtungen von Critical News sowohl für dieses wie auch für viele andere Wochenenden.
Schwund von Bündnisteilnehmern in der Celleschen Zeitung
Sprachen die Tagesschau und die taz von 300 Teilnehmenden des Aktionsbündnisses, sind es bei der Celleschen Zeitung lediglich 230, also gut 23 Prozent weniger:
„220 Celler sind am Samstag zur Kundgebung auf den Großen Plan gekommen, um ein Zeichen gegen die Querdenker zu setzen.“[12]
Meinrenken stellt in seinem Beitrag wie auch die eingangs zitierte „Celler Presse“ nicht klar, dass es sich bei „Celle steht auf“ um keinen Ableger der Querdenken-Bewegung handelt.
Verschwörungsmythen im Trend? Wie wäre es mit Verschwörungspraxis?
Die „Badische Zeitung“ scheint ihre Leser auch nur über impffreundliche Veranstaltungen informieren zu wollen und greift auf dieselben Zahlen und ein teilweise ähnliches Framing wie die „Tagesschau“ zurück:
„In München gingen etwa 1000 Menschen gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße. In Fürth waren es 1900, 60 Menschen kamen zu einer Gegen-Demonstration. Rund 300 Menschen demonstrierten in Celle gegen Corona-Verschwörungsmythen und für einen wirksamen Schutz gegen die Pandemie. Sie wendeten sich vor allem gegen die Bewegung „Celle steht auf“. „[13]
Neutrale Berichterstattung im NDR
Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) erwähnt die regierungskritische Demonstration in Celle nur am Rande, geht jedoch nicht auf das oben beschriebene, neu gegründete Bündnis ein:
„Ebenfalls angemeldete Demonstrationen in Lüneburg, Celle und Uelzen gegen die Corona-Politik verliefen nach Polizeiangaben ruhig. Abstände seien eingehalten und Masken getragen worden. In der neuen Corona-Verordnung ist eine FFP2-Maskenpflicht bei Demonstrationen enthalten. Grund sei, dass bei solchen Versammlungen regelmäßig eine große Anzahl von Menschen für einen längeren Zeitraum so dicht gedrängt zusammentreffe, dass das Abstandsgebot unterschritten werde.“[14]
Was bleibt als Fazit?
Folgt man der Berichterstattung der zitierten Onlinemedien, gab es am Samstag, dem 15.01.2022 in der niedersächsischen Stadt zwei Veranstaltungen:
- Das „Aktionsbündnis Gelebte Demokratie“ mit den Meldungen nach 220 oder 300 Teilnehmern, welches sich für Impfungen, für Solidarität und gegen die Querdenken-Bewegung positioniert. Mit dem eigenen Anspruch eines Kampfes gegen „Falschinformationen“ und gegen Feinde der Demokratie nimmt man es offenbar weniger genau. Ob die Angaben zur Teilnehmerzahl stimmen, kann an dieser Stelle nicht bewertet werden.
- „Celle steht auf“ mit angeblich 200 Teilnehmern (vgl. hierzu Berichterstattung auf Critical News). Hier wende man sich gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen. Das Framing ist rechts und Teilnehmer würden Verschwörungsmythen und Falschinformationen verbreiten. Ob rechtes Gedankengut tatsächlich einen maßgeblichen Einfluss auf die Bewegung hat, wird jeweils geflissentlich ausgeblendet und deckt sich nicht mit den eigenen Beobachtungen des Redakteurs. Angeblich gehöre „Celle steht auf“ zu den Querdenkern. Belege für diese unwahre Tatsachenbehauptung werden nicht gegeben. Kein Beitrag entlarvt diese unwahre Zuordnung und weist damit auf die Verbreitung von Fake News durch das Aktionsbündnis hin oder gibt auch nur einen Beleg, weshalb „Celle steht auf“ demokratiefeindlich sei. Auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Zielen der Demonstranten ist in keinem der Artikel erkennbar, während dem Aktionsbündnis hierfür breiter Raum eingeräumt wird. Komplett ausgeblendet werden daher wohl auch konkrete Redebeiträge, die ein objektives Bild abgeben könnten.
Veranstaltung 1) wird positiv beworben und erhält keinerlei Kritik, Veranstaltung 2) wird entweder von den jeweiligen Autoren direkt in ein schlechtes Licht gerückt oder aber durch Vorwürfe des Bündnisses. Hinterfragt wird nichts. So wurde z. B. bereits lange vor Beginn der öffentlichen Diskussion über eine mögliche Impfpflicht (für alle oder für bestimmte Berufsgruppen) von „Celle steht auf“ hiervor gewarnt. Anders als in den angeblichen Qualitätsmedien weist die Gruppierung regelmäßig – so auch am 15.01.2022 – auf die nur bedingte Zulassung der Covid-19-Vakzine hin, die sich noch in der klinischen Studie befinden, für die aber dennoch bereits vor Abschluss der selbigen eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen beschlossen wurde und zudem zeitnah eine allgemeine Impfpflicht diskutiert wird. Dies widerspricht unter anderem dem Nürnberger Kodex und dem Zivilpakt. Wenn also das Aktionsbündnis für das Impfen und für Wissenschaftlichkeit stehen will, stellt sich die Frage, ob deren Teilnehmern dieses Wissen auch entsprechend deutlich transportiert wird.
[1] PR „Demo und Gründung Aktionsbündnis Gelebte Demokratie *** aktualisiert“ auf „celler-presse.de“ vom 13.01.2022. Aufzurufen unter https://celler-presse.de/2022/01/13/demo-und-gruendung-aktionsbuendnis-gelebte-demokratie/, zuletzt aufgerufen am 17.01.2022
[2] „Versammlungsrechtliche Aktion gegen Corona-Maßnahmen in der Celler Innenstadt“ auf „celler-presse.de“ vom 04.01.2022. Aufzurufen unter https://celler-presse.de/2022/01/04/versammlungsrechtliche-aktion-gegen-corona-massnahmen-in-der-celler-innenstadt/, zuletzt aufgerufen am 18.01.2022
[3] PR „Demo und Gründung Aktionsbündnis Gelebte Demokratie *** aktualisiert“ auf „celler-presse.de“ vom 13.01.2022. Aufzurufen unter https://celler-presse.de/2022/01/13/demo-und-gruendung-aktionsbuendnis-gelebte-demokratie/, zuletzt aufgerufen am 17.01.2022
[4] „UNGEIMPFTE WAGENKNECHT: Warum Linken-Politikerin so klar gegen die Impfpflicht ist | WELT Interview“ auf „youtube.com“ vom 12.01.2022, 00:19 min. bis 07:16 min. Aufzurufen unter https://www.youtube.com/watch?v=v8UXuW70Xx8, zuletzt aufgerufen am 18.01.2022
[5] Boris Reitschuster „Duell Wagenknecht gegen Lauterbach bei Will: Systemmedien hyperventilieren und framen. Peinliche Versuche, die „Linke“ niederzuschreiben“ auf „reitschuster.de“ vom 01.11.2021. Aufzurufen unter https://reitschuster.de/post/duell-wagenknecht-gegen-lauterbach-bei-will-systemmedien-hyperventilieren-und-framen/, zuletzt aufgerufen am 18.01.2022
[6] Sarah Wagenknecht „„Jetzt zählt das Wir“? Meine Antwort auf die Solidaritätsheuchler. Wagenknechts Wochenkommentar #11.“ auf invidious.snopyta.org vom 30.04.2020, 03:47 min. bis 06:18 min. Aufzurufen unter https://invidious.snopyta.org/watch?v=GiU85X3T6Po&&list=PLWMOkEY81QpiC-0fm6ospJHGMX5_a_BYo&listen=1&dark_mode=true, zuletzt aufgerufen m 18.01.2022
[7] Welzer, Harald „Täter – Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden“ Frankfurt am Main (S. Fischer), 2005, S. 63
[8] Thomas Kopietz „“Aufgeheizte und aggressive Stimmung“: Demo gegen Corona-Regeln in Niedersachsen eskaliert“ auf „hna.de“ vom 14.01.2022 um 09:26 Uhr. Aufzurufen unter https://www.hna.de/lokales/goettingen/polizei-anti-corona-demo-eskaliert-91235002.html, zuletzt aufgerufen am 17.01.2022
[9] „Protest gegen Corona-Leugner auch in Celle“ auf „tagesschau.de“ vom 15.01.2022 um 14:50 Uhr. Aufzurufen unter https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-samstag-103.html, zuletzt aufgerufen am 17.01.2022
[10] „Vierte Impfung bis Sommer gefordert“ auf „taz.de“ vom 15.01.2022. Aufzurufen unter https://taz.de/Aktuelle-Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5828437/, zuletzt aufgerufen am 18.01.2022
[11] „Wird Eschede das neue Hetendorf?“ auf „celler-presse.de“ vom 22.05.2020. Aufzurufen unter https://celler-presse.de/2020/05/22/wird-eschede-das-neue-hetendorf/, zuletzt aufgerufen am 18.01.2022
[12] Gunther Meinrenken „Celler setzen Zeichen gegen Querdenken“ auf „cz.de“ vom 15.01.2022 um 16:23 Uhr. Aufzurufen unter https://www.cz.de/Celle/Aus-der-Stadt/Celle-Stadt/Celler-setzen-Zeichen-gegen-Querdenker, zuletzt aufgerufen am 17.01.2022
[13] Anika Maldacker, Manuel Fritsch und Carolin Buchheim „Corona-Protest und Gegen-Demo: Mehrere tausend Menschen demonstrieren in Freiburg“ auf „badische-zeitung.de“ vom 15.01.2022 um 19:15 Uhr. Aufzurufen unter https://www.badische-zeitung.de/corona-protest-und-gegen-demo-mehrere-tausend-menschen-demonstrieren-in-freiburg – 208026647.html, zuletzt aufgerufen am 17.01.2022
[14] „Proteste gegen Corona-Maßnahmen in mehreren Städten“ auf „ndr.de“ vom 15.01.2022 um 17:15 Uhr. Aufzurufen unter https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Proteste-gegen-Corona-Massnahmen-in-mehreren-Staedten,proteste246.html, zuletzt aufgerufen am 17.01.2022
April 1933. Kauft nicht beim Juden. Später in Ghettos zusammen getrieben. Bewusste Ausgrenzungen salonfähig machen. Ich habe nie begreifen können, dass die Generation unserer Eltern so massenhaft diesem Faschismus den Boden bereitet hat. Haldenwanger, Präsident des Verfassungungsschutzes, stellt die Impfgegner mit Staatsfeinden gleich. Eliteprofessoren der Goethe-Universität Frankfurt sympathisieren ungeniert und öffentlich mit dem Gedanken, „Impfgegner“ gemäß vergangener Machart morgens um 5 Uhr zum Impfen abholen zu lassen, wie unlängst einer bekannten Zeitung der gleichen Stadt zu entnehmen war, diese Entgleisung war zwar nicht an prominenter Stelle zu entnehmen, wohl aber in den Kommentarspalten als Leserbriefe getarnt. Willkommen im neuen Faschismus.