Tarife, die auch unbenannte Gefahren versichern, sind auf dem Vormarsch.
Mitunter wird zwischen einer Mitversicherung auch unbenannter Gefahren und einer Allgefahrendeckung unterschieden. Tatsächlich bedeuten beide Benennungen keinen relevanten Unterschied. Werden unbenannte Gefahren grundsätzlich oder gegen Zuschlag mitversichert, so erweitert dies nur die bereits benannten Gefahren. Man könnte also von einer „unechten Allgefahrendeckung“ sprechen. Insofern gibt es also nur Allgefahrendeckungen (AllRisk) ohne Benennung konkreter Gefahren, Tarife mit abschließend benannten Gefahren sowie solche, bei denen ein Teil der Gefahren benannt und ein Teil der Gefahren unbenannt sind. Werden unbenannte Gefahren versichert, so schließt dies unbekannte Gefahren mit ein.
Allen Allgefahrendeckungen gemein ist, dass es für bestimmte Gefahren Ausschlüsse gibt. Diese werden anbieterabhängig jedoch sehr unterschiedlich definiert. Nicht immer ist auf den ersten Blick verständlich, was tatsächlich mitversichert ist und was als ausgeschlossen gelten soll bzw. tatsächlich ausgeschlossen ist.
Definition einer versicherten Gefahr uneinheitlich
Regelmäßig gilt, dass eine unbenannte Gefahr eine solche sein soll, die
- unvorhergesehen eintritt,
- vom Versicherungsnehmer oder seinem Repräsentanten nicht rechtzeitig vorhergesehen wurden,
- vom Versicherungsnehmer oder seinem Repräsentanten nicht hätten rechtzeitig vorhergesehen werden können,
- vom Versicherungsnehmer oder seinem Repräsentanten mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht rechtzeitig vorhergesehen werden konnten,
- vom Versicherungsnehmer oder seinem Repräsentanten mit dem für die im Betrieb ausgeübte Tätigkeit erforderlichen Fachwissen vorhergesehen werden könnten,
Dabei gilt:
- es schaden nur Vorsatz bzw. die vorsätzliche Herbeiführung ist ausgeschlossen,
- es schadet auch grobe Fahrlässigkeit – je nach Anbieter Kürzungsrecht auch bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles
Beweislastumkehr in der Regel nicht klargestellt
Problematisch ist, dass im Zweifel der Versicherungsnehmer nachweispflichtig ist, dass er einen konkreten Schaden tatsächlich nicht vorhersehen konnte. Solange es keine Beweislastumkehr zu Lasten des Versicherers gibt, ist eine solche Anforderung zumindest streitanfällig.
Zu beachten ist, dass eine Allgefahrenversicherung nicht bedeutet, dass auch alle Sachen oder alle Kosten versichert wären.
In der Praxis fällt es Vermittlern oft schwer, ihren Kunden konkrete Beispiele für den Mehrwert einer Allgefahrendeckung zu benennen. Hierfür möchten wir dem Hannoverschen Assekuradeur Konzept & Marketing für einige konkrete Beispiele aus der eigenen Schadenpraxis danken.
Schadenbeispiel 1: Flachdach Wasserschaden
Nach einem Unwetter mit Starkregen hatte sich auf dem oberhalb des Eingangsbereiches liegenden Flachdach Niederschlagswasser angestaut, nachdem das Entwässerungsrohr überlastet war (kein Rückstau). Dieses drückte sich im weiteren Verlauf über die Oberkante der Bitumenabdichtung (intakt) und drang so in das Gebäudeinnere. Im Eingangsbereich, im Treppenhaus, in den Fluren im Erdgeschoss und im Untergeschoss sind Feuchtigkeitsschäden eingetreten.
Ein vergleichbarer Schaden führte bei einem Versicherer ohne Allgefahrendeckung zu einem Gerichtsurteil zu Lasten des entsprechenden Kunden, dass der Schaden nicht als erweiterter Elementarschaden versichert sei. Siehe Gerichtsurteil: https://openjur.de/u/2196787.html
„Das Anstauen von Wasser auf dem obersten Balkon eines Gebäudes infolge außergewöhnlichen Starkregens und dessen Eindringen in das Gebäude über die Balkontürschwelle stellt auch dann keinen Rückstau im Sinne von § 4 der vereinbarten Gebäudeversicherungsbedingungen dar, wenn das Wasser infolge Überlastung des Balkonentwässerungssystems nicht über dieses abfließen kann.
Denn ein Rückstau setzt voraus, dass Wasser aus dem Rohrsystem des versicherten Gebäudes austritt; daran fehlt es, wenn es schon nicht eintreten kann.
Auch bei einer Zusatzversicherung gegen Elementarschäden kann der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer bei Gebäudeschäden infolge Starkregens nur erwarten, dass bestimmte in den Bedingungen definierte Risiken – wie Rückstau und Überschwemmung – gedeckt sind.“
Da hier kein Rückstau nach Definition der Elementarversicherung vorliegt, ist dieser Schaden über die Allgefahrendeckung abgesichert.
Schadenbeispiel 2: Wasserstau im Lichtschacht (Starkregen)
Durch Niederschläge sammelte sich Wasser im Lichtschacht (keine Überschwemmung des Grundstückes). Aufgrund des verstopften Abflusses im Lichtschacht drückte sich das Wasser anschließend durch das Kellerfenster sowie das Mauerwerk (beides intakt) nach innen. Der Feuchtigkeitsschaden wurde von K&M mit insgesamt 11.000 Euro erstattet.
Ein vergleichbarer Schaden führte bei einem Versicherer ohne Allgefahrendeckung zu einem Gerichtsurteil zu Lasten des entsprechenden Kunden, dass der Schaden nicht als erweiterter Elementarschaden versichert sei. Siehe Gerichtsurteil des OLG München.
Wohngebäudeversicherung für Wasserschaden im Haus nicht einstandspflichtig
Kommt es zu einem Wasserschaden in einem Haus, weil sich auf einer mit einer Mauer umgebenen Terrasse Regenwasser anstaut, so haftet dafür nicht die Wohngebäudeversicherung. Denn in einem solchen Fall liegt keine Überschwemmung im Sinne der Versicherungsbedingungen vor. Dies hat das Oberlandesgericht München entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Aufgrund heftigen Niederschlags staute sich auf der Terrasse eines Ferienhauses Wasser an. Da die Terrasse von einer Mauer umgeben war, konnte das Regenwasser nicht abfließen. Es drang daher in das Untergeschoss des Hauses ein und verursachte dort einen Wasserschaden. Der Eigentümer des Ferienhauses beanspruchte aufgrund dessen seine Wohngebäudeversicherung. Er sah in dem Wasserschaden den Versicherungsfall „Überschwemmung“ gegeben. Die Versicherung sah dies aber anders. Der Hauseigentümer musste daher Klage erheben.
Das Landgericht Kempten wies die Klage ab. Es sah eine Überschwemmung im Sinne der Versicherungsbedingungen als nicht gegeben. Das angestaute Regenwasser habe gerade nicht durch die Überflutung des Grundstücks abfließen können, so das Gericht, sondern durch die bauliche Gegebenheit. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein.
Das Oberlandesgericht München bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies daher die Berufung des Klägers zurück. Ein Anspruch auf Versicherungsschutz bestehe nicht. Eine Überschwemmung im Sinne der Versicherungsbedingungen habe nicht vorgelegen, da die bauliche Beschaffenheit der Terrasse für das mangelnde Abfließen und das Eindringen von Wasser in das Untergeschoss des Gebäudes ursächlich gewesen seien. Nach gefestigter Rechtsprechung liege keine Überschwemmung vor, wenn mangelnde Entwässerung von Flachdächern, Terrassen oder Balkonen zur Anstauung von Wassermassen führe, also keine Überflutung des Grundstücks für die Beeinträchtigung des Abflusses ursächlich sei.
Schadenbeispiel 3: Folgeschaden Glasbruch
In der Nacht ist die Scheibe, ohne menschliches Zutun und aus unerklärlichen Gründen gesprungen. Beschädigt wurden die Scheibe, das Laminat und die Türzarge.
Das Glas selber ist über eine Glasversicherung abgesichert, der Folgeschaden, wie in diesem Beispiel, ist nicht darüber versichert. Über die Allgefahrendeckung wird der Folgeschaden des Bruchs, also das beschädigte Laminat sowie die beschädigte Zarge von K&M mit insgesamt 1437,10 Euro erstattet.
Schadenbeispiel 4: Sturz Küchenschrank
Als die Kundin am Morgen in die Küche kam, sah Sie, dass sich der Küchenschrank von der Wand gelöst hatte. Es wurden mehrere Küchenutensilien, Geschirr, Tassen, Weingläser sowie ein Unterbauküchenradio beschädigt.
Die Montage der Küche erfolgte 2014, sodass ein Fehler bei der Montage ausgeschlossen werden konnte. Auch eine versicherte Gefahr wie Feuer, Leitungswasser, Sturm und Hagel, Einbruchdiebstahl oder auch menschliches Dazutun konnten ausgeschlossen werden.
Da über die Allgefahrendeckung noch nicht bekannte bzw. nicht eingetretene Gefahren mitversichert sind und hier kein Ausschluss bezüglich Fallens und Zerbrechens greift, erhält die Kundin hierüber Versicherungsschutz.
Einzelrechnungen der Gegenstände waren nicht vorhanden, sodass auf Basis einer Aufstellung eine pauschale Entschädigungsleistung vereinbart wurde. Der Hausratschaden wurde von K&M mit insgesamt 850,- Euro erstattet.
Fehlender Versicherungsschutz in herkömmlicher Hausratversicherung
Bei einem anderen Versicherer ohne Einschluss unbenannter Gefahren ereignete sich folgender Schaden:
Aufgrund eines Sturms, einhergehend mit starkem Regen, sammelte sich Regenwasser, das sich im Garten gesammelt hatte, im Eingangsbereich der Hintertür und wurde anschließend unter die geschlossene Tür ins Haus durchgedrückt.
Im Rahmen der Schadenbesichtigung stellte sich heraus, dass Regenwasser an der Hauswand heruntergelaufen war und sich in den Rabatten am Garten gesammelt hatte und dann in den Hintereingangsbereich lief.
Es entstanden Schäden an versichertem Hausrat in Höhe von 2.500 Euro.
Eine Überschwemmung im Sinne der Bedingungen lag nicht vor. Auch wenn eine Überschwemmung des Grund und Bodens (der Rasenfläche) vorgelegen hätte, wäre diese nicht ursächlich für den Schaden gewesen, denn die Rasenfläche war nicht abschüssig in Richtung des Hintereingangs, sondern in Richtung der Grundstücksgrenze.
Im Rahmen der Allgefahrendeckungen der Tarife allsafe home 2.0 bzw. allsafe casa von beispielsweise Konzept & Marketing hätte an dieser Stelle Versicherungsschutz bestanden, da es sich bei dem beschriebenen Schaden zwar nicht um eine Realisierung der erweiterten Elementargefahr Überschwemmung handelte, mithin also um eine nicht ausgeschlossene unbenannte Gefahr. Hätte der Kunde beispielsweise den Tarif allsafe casa abgeschlossen, würde er nicht nur Versicherungsschutz genießen, sondern dies zudem auch noch ohne Selbstbehalt anstatt mit Selbstbehalt für versicherte erweiterte Elementargefahren.