Am 03.08.2021 fand beim Amtsgericht Hannover in Saal 3030 unter dem Aktenzeichen NZS 248Cs 2172Js 1736/21 ein Strafverfahren gegen Frau „Bea H.“ (32 Jahre) aus Nordrhein-Westfalen statt. Ihr war im Oktober 2020 vorgeworfen worden, bei einer Demonstration von „Walk to Freedom“ vom 25.07.2020 in Hannover ein unrichtiges ärztliches Gesundheitszeugnis verwendet zu haben. Konkret ging es um ein Attest, das ihr eine Befreiung vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung attestierte. Ausgestellt worden war dieses von der Ärztin Dr. med. Carola Javid-Kistel. Vieles spricht dafür, dass damals nicht der Inhalte des Attestes die Aufmerksamkeit der Polizei erregte, sondern der Name der ausstellenden Ärztin. „Bea H.“ zufolge habe sie bis vor Verhandlungsbeginn keine konkreten Gründe benannt bekommen, weshalb das ausgestellte Attest Verdacht erregt hatte.
Der Strafbefehl und die Post mit der Ladung waren der seinerzeit hochschwangeren Angeklagten im Rahmen einer Hausdurchsuchung zur Verfügung gestellt worden. Es sei versucht worden, dass Attest der Ärztin sicher zu stellen, aber nicht gefunden worden, da sie es bereits vernichtet hatte. Dies hatte sie seinerzeit bereits vorgetragen gehabt. Die Durchsuchung währte etwa ¼ Stunde und verlief verständlicherweise ergebnislos. Im Anschreiben des Amtsgerichts Hannover stand daher fehlerhaft, dass das Attest bereits eingezogen worden sei.
Vorwürfe ohne konkrete Nachweise
Vorgeworfen wurden Vergehen nach §§ 279, 74 StGB, unter anderem:
„Auf einer Demonstration gegen die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie (Versammlung „Für einen Corona-Untersuchungsausschuss und die Wiederherstellung unserer Grundrechte) legten Sie gegenüber den Polizeibeamten [….] ein durch die Ärztin Dr. Carola Javid-Kistel aus Duderstadt am 30.04.2020 ausgestelltes Attest vor, ausweislich dessen Sie gesundheitliche Probleme hätten und daher aus ärztlicher Sicht vom Tragen einer Atemschutzmaske bzw. einer Mund-Nase-Bedeckung befreit seien. Dabei wussten Sie, dass die Ausstellung des Attestes keine Untersuchung und ordnungsgemäße Befundung zugrunde lag und das Attest aus rein ideologischen Gründen ausgestellt worden war und bei Ihnen keine schwerwiegende Erkrankung vorlag, die eine Befreiung von der Maskenpflicht rechtfertigen konnte und verwendeten das Attest auch in Kenntnis dieser Sachlage, um den Eindruck einer ordnungsgemäßen Befreiung zu erwecken.“
Das Schreiben gibt indes keine Belege für die aufgestellten Vorwürfe gegen Frau H. und verkehrt vollkommen die Beweislast.
Vor Beginn der Verhandlung ab 11:30 Uhr hatten sich vor dem Amtsgericht im Volgersweg 1 in Hannover diverse Unterstützer der Angeklagten eingefunden, sowie die als Zeugin der Verteidigung zur Verfügung stehende Ärztin Dr. med. Carola Javid-Kistel. Die ausgewiesene Homöopathin aus Duderstadt, welche im September 1989 mit ihrer Familie in einem kleinen grünen Trabbi über Ungarn in die Bundesrepublik Deutschland geflüchtet war, fasste die Fakten aus ihrer Sicht wie folgt zusammen:
„Die Bea hat kein falsches Attest. Ich habe kein falsches Zeugnis ausgestellt. Wir haben uns nichts vorzuwerfen.“
Ordnungshaft oder Cash
Die Angeklagte gab im Vorgespräch an, dass sie neben dem Attest von Frau Dr. med. Javid-Kistel ein weiteres eines HNO-Arztes besäße. Ihr sei angedroht worden, wahlweise 30 Tagessätze à 50 Euro (d.h. 1.500 Euro) zu zahlen oder eine Ordnungshaft von 30 Tagen anzutreten. Da sie als alleinerziehende Mutter von fünf Kindern, eins davon ein Baby von wenigen Monaten, von Arbeitslosengeld II lebe, sei der benannte Betrag von ihr in keinem Fall zu leisten. Sie habe zudem keine Straftat begangen, um den Eindruck einer ordnungsgemäßen Befreiung zu erwecken.
Was bedeutet das angedrohte Strafmaß?
Gemäß § 40 Absatz 1 Satz 2 StGB liegt die Zahl der verhängten Tagessätze zwischen fünf und 360. Innerhalb dieses Rahmens kann sich das Gericht bewegen. Ist die Anzahl der Tagessätze entschieden, wird die Tagessatzhöhe anhand des Nettoeinkommens ermittelt. Stehen Anzahl und Höhe der Tagessätze fest, wird die Gesamtstrafe durch Multiplikation ermittelt. Hierzu wird die Anzahl der Tagessätze mit der Tagessatzhöhe multipliziert.
Beispiel: Ein Täter wurde zu 90 Tagessätzen verurteilt. Er hat ein Nettoeinkommen von 3.000 Euro. Dies ergibt eine Tagessatzhöhe von 100 Euro (3.000 : 30). Um die Gesamtstrafe zu ermitteln, wird nun die Anzahl der Tagessätze mit der Tagessatzhöhe multipliziert. 90 x 100 ergibt 9.000. Die Gesamtstrafe beträgt demnach 9.000 Euro.
Die Zahl der Tagessätze soll sich an der Schuld des Angeklagten orientieren:
„Jeder Täter, der eine bestimmte Straftat begeht, soll daher die gleiche Zahl an Tagessätzen verhängt bekommen. Hier spielen allein die Regeln der Strafzumessung nach § 46 StGB eine Rolle.
So werden für Beleidigungsdelikte beispielsweise üblicherweise 15 bis 20 Tagessätze verhängt
- Für Nötigung meist 10 bis 30 Tagessätze
- für das unerlaubte Entfernen vom Unfallort zum Beispiel üblicherweise 10 bis 50 Tagessätze, abhängig von der entstandenen Schadenshöhe.
Die Angaben sind jedoch nicht als fixe Werte zu verstehen, sondern dienen nur der Orientierung, letztlich sind die Tagessätze einzelfallabhängig festzulegen.“[1]
Eine Bewährungsstrafe ist möglich, wenn maximal 180 Tagessätze vereinbart wurden, ab 90 Tagessätze gilt man – außer im Fall einer Erstverurteilung – als vorbestraft, was einen Eintrag ins Führungszeugnis zur Folge hätte. Kann eine Geldstrafe nicht gezahlt werden, besteht die Möglichkeit diese nach § 42 StGB entweder in Raten zu zahlen oder eine Ersatzfreiheitsstrafe abzusitzen. Letztere kann allerdings nicht gewählt werden, wenn eine Zahlung möglich wäre[2].
Hinzu kommt, dass sie als Mutter nicht mehr für ihre Kinder, darunter ein im April 2021 geborenes Baby, zur Verfügung stehen könnte. So eine Inhaftierung könnte in der Praxis auch dazu dienen, eine zumindest vorübergehende Inobhutnahme der fünf Kinder zu realisieren.
Gute Zuschauer, böse Zuschauer?
Da nur eine begrenzte Zahl an Plätzen im Verhandlungssaal zur Verfügung stand, wurden die anwesenden Unterstützer und Zuschauer, sowie die anwesende Presse, die den Prozess verfolgen wollten, gebeten, sich in zwei Gruppen aufzuteilen: jene, die eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen konnten und jene, die aus gesundheitlichen Gründen davon befreit waren. Letztere sollten sich gesammelt mit einer Justizbeamten treffen, damit man ihre Atteste einsammeln und dem Vorsitzenden vorlegen könne. Dieser habe auf diese Vorgehensweise bestanden. Dies gelte auch für Pressevertreter ohne Presseausweis, wenngleich das Grundgesetz die Pressefreiheit vorsieht und es an einer rechtlichen Grundlage fehlt, einen Presseausweis mit sich zu führen.
Presseausweis kann Zugang erleichtern
In der beruflichen Praxis erhalten meist nur hauptberufliche Journalisten einen Presseausweis, und nicht überall werden Presseausweise aller Presseverbände gleichermaßen anerkannt. Dabei gilt für Journalisten mit Presseausweis gemäß § 6 Abs. 2 Versammlungsgesetz ein gesetzlicher Anspruch auf Zutritt zu öffentlichen Versammlungen in geschlossenen Räumen.
Das Landgericht Regensburg urteilte in einem ähnlich lautenden Fall, dass es an einer rechtlichen Grundlage fehle, wie vom Vorsitzenden des Gerichts verlangt Masken zu tragen, zumal bei Gericht ein Vermummungsverbot für Verfahrensbeteiligte besteht. Besonders befremdlich war der Sachverhalt, dass dieser nach Aussage der Angeklagten selbst keine Maske trug und dies damit begründete, dass er reden würde. Die Staatsanwaltschaft sei ausdrücklich nicht davon ausgenommen gewesen.
„Grundsätzlich gilt in öffentlichen Gerichtsverhandlungen für die Verfahrensbeteiligten das Vermummungsverbot gemäß § 176 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz. Die Kommunikation ‚von Angesicht zu Angesicht‘ ist ein zentrales Element im rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren. Allerdings können die Vorsitzenden als sitzungspolizeiliche Maßnahme Ausnahmen von dem Vermummungsverbot gestatten und auch eine Bedeckungspflicht aus Gründen des Gesundheitsschutzes im Gerichtssaal anordnen.“[3]
Seit damals hat offenbar das LG Regenburg eine Neuregelung gefunden:
„Neu ist insbesondere, dass jeder – auch Verfahrensbeteiligte, Rechtsanwälte sowie Laien- und Berufsrichter – ab Betreten der Justizgebäude bis zum Erreichen des Sitzungssaals eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen muss. Im Sitzungssaal entscheidet der jeweilige Vorsitzende über deren weitere Verwendung. Während der Verhandlung greift insoweit prinzipiell das Vermummungsverbot nach § 176 Absatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Ausnahmen etwa aus Gründen des Gesundheitsschutzes können allerdings vom Vorsitzenden in richterlicher Unabhängigkeit zugelassen oder angeordnet werden.“[4]
Zweiklassengesellschaft: Maskenträger und Maskenbefreite
Nachdem die einzelnen Atteste (vermutlich ohne vorherige Einwilligung kopiert worden sind und) vom Vorsitzenden überprüft waren, wurde den Wartenden mitgeteilt, dass es nicht genug Sitzplätze auch für Personen ohne Mund-Nasen-Bedeckung geben würde. Das Zeugnis der Angeklagten spricht dafür, dass der vorsitzende Richter von vornherein keine kritischen Zuschauer mit Maskenbefreiung im Saal haben wollte. Er hätte ja auch einen Teil der Sitzplätze für Maskenbefreite zur Verfügung stellen oder alle Plätze unter den Anwesenden auslosen oder in einen größeren Saal wechseln können, der unbelegt war. Hier zeigt sich bereits, dass durch die Auswahl eines zu kleinen Saales Menschen von ihrem Recht ausgeschlossen werden können, einer Verhandlung beizuwohnen.
Insgesamt stünden nur fünf bis sieben Plätze für Besucher zur Verfügung. Ein Unterstützer berichtete davon, dass er mit Maske in den recht kleinen Saal gekommen sei. Richter Olaf Wöltje sei „arrogant und hochnäsig“ aufgetreten. Er habe die Nutzung von Stehplätzen ausdrücklich verboten. So kamen also von deutlich über 20 Personen, die als Beobachter an der Verhandlung teilnehmen hätten können, nur einige wenige, jeweils mit „Maske“ hinein. Da auch Frau Dr. Javid-Kistel als Zeugin der Verteidigung einen Maskenbefreiungsattest besitzt, war es schon bemerkenswert, dass ihr kein Sitzplatz zur Verfügung gestellt wurde (siehe hierzu auch das Interview mit Frau „Bea H.“ weiter hinten im Text). Bereits vor dem Termin gab eine Unterstützerin bekannt, dass der Richter „der schlimmste“ Strafrichter in Hannover sei und ihm alles andere als ein vorteilhafter Ruf vorauseile.
Stehplätze nicht vorgesehen
Die wenigen Zuschauer, die letztlich zur Verhandlung zugelassen wurden, mussten vor dem Betreten die vorgelegten Kontaktbögen ausfüllen. Dies galt auch für jene, die zwar eine Maske trugen, letztlich aber keinen der begehrten Sitzplätze zur Verfügung gestellt bekamen. Wozu diese Daten im Anschluss verwendet werden, und wie dies mit dem Datenschutz übereinkommt, ist fraglich. Gemäß DSGVO gilt ja de Grundsatz de Datenminimierung.
Stehplätze bei Gericht sind üblicherweise nicht vorgesehen. Hierzu schreibt etwa das Amtsgericht Augsburg:
„Ebensowenig können wir ausreichende Sitzplätze garantieren. In der Regel fasst ein Sitzungssaal zwar ca. 30 Personen, wegen des Grundsatzes der Öffentlichkeit können jedoch Plätze durch Dritte bereits belegt sein. Stehplätze sind nicht vorgesehen. Wir empfehlen daher frühzeitige Anfahrt, zumal auch die Personenkontrolle am Eingang mit einkalkuliert werden muss. Bitte rechnen Sie auch damit, dass sich Ihre Gruppe unter Umständen aufteilen muss.“[5]
Bereits gegen 10:50 Uhr hatten sich vor dem Gericht vier Polizistinnen und drei Polizisten eingefunden. Laut Auskunft einer der anwesenden Polizistinnen könne man ja nicht wissen, was passieren werde. Tatsächlich sei dieses große Aufgebot wegen der anstehenden Verhandlung erfolgt.
In der Verhandlung habe der Richter Frau H. zufolge ausgeführt, dass das ausgestellte Attest nicht wirksam sein könne, da die „Ärztin bekannt“ sei. Das Attest sei „aus ideologischen Gründen“ ausgestellt worden. Beweise für diese Behauptung wurden nicht vorgelegt. Eine Umkehr der Beweislast zu Lasten der Angeklagten wäre nicht einmal juristisch begründet worden.
Wie Betroffene den Prozess erlebten
Nach der Verhandlung gab „Bea“ H. ein Interview dazu, wie sie die Verhandlung erlebt hat:
„Bea H.“: Die Verhandlung ist von vornherein schon nicht gut gelaufen. Der Richter war total voreingenommen. Ich durfte die Maske auch nicht absetzen im Gerichtssaal. Ich habe als Einzige keine gehabt. Da wollte er bei mir auch noch mich dazu bewegen, eine Maske aufzusetzen. Dann hat er es als großzügig abgetan, dass ich keine aufsetzen durfte, einfach weil er keinen Nebenkriegsschauplatz aufmachen wollte in Anführungsstrichen, so hat er das gesagt. Dann hat er versucht, mir ein Angebot zu machen. Die haben sich dann zu dritt erstmal zurückgezogen im Nebenraum – Staatsanwaltschaft, Richter, meine Anwältin, und dort wurde ein Angebot ausgehandelt: entweder ich zahle 450 Euro und die Sache ist ein für alle Mal für mich erledigt oder es geht weiter in die nächste Instanz mit Gutachten und allem Möglichen. Ich haue meine Ärztin nicht in die Pfanne. Ich hab‘ jetzt gesagt, ich kämpfe. Ich habe nicht gesagt, ich werde jetzt nicht einknicken und Geld bezahlen. Das ist nicht mein Ding, einfach.“
Die Auskunft von Frau H. ist zunächst widersprüchlich, löst sich aber für den um Verständnis bemühten Leser oder Zuhörer leicht auf: zunächst mussten alle, also auch sie, eine Maske tragen, später wurde sie „gnädigerweise“ von dieser Pflicht entbunden. Glaubte der Richter möglicherweise selbst, dass „Bea H.“ einen medizinischen Grund für das Nichttragen einer Mund-Nasen-Bedeckung hatte?
Möglicherweise bestand Unmut auf Seiten der Angeklagten, da ihr unklar war, welchem Zweck die vorgeschlagene Einstellung des Verfahrens gegen Auflage einer Geldzahlung dienen sollte. Auch wurde hier verkannt, dass es nicht die Aufgabe der Anwältin ist, Frau Dr. med. Javid-Kistel als ausstellende Ärztin zu schützen. Wie ein Versicherungsmakler allein die Interessen seiner Kunden zu vertreten hat, gilt dies analog auch für das Verhältnis einer Ärztin zu ihren Mandanten.
Nun weiter mit dem Interview:
„Critical News: Sie hatten Ihre Ärztin als Zeugin mitgenommen.
„Bea H.“: Da wurde von vornherein gesagt; da hat der Richter gesagt, solange sie keine Maske aufsetzt, wird sie als Zeugin nicht eingelassen.
Critical News: Wurden denn Maskenatteste nicht akzeptiert?
„Bea H.“: Nein, und bei mir hat er ja nur „großzügig“ darüber hinweggesehen“.
Im Termin habe der Richter Frau H. zufolge spontan erwogen, die ursprünglichen 30 Tagessätze auf 90 Tagessätze zu erhöhen, damit es mehr ins Vorstrafenregister falle. So sei laut „Bea H.“ der Versuch unternommen worden, Druck auf sie auszuüben, doch dem Angebot, das sie als „Deal“ verstanden hatte, zuzustimmen.
Bei dem Deal habe es sich laut „Bea H.“ um eine „Einstellung gegen Geldbuße“ gehandelt, womit eine Einstellung nach § 153 a ZPO, also eine Einstellung gegen Geldauflage, gemeint war, also was gänzlich Anderes als ein Deal. Dies könnte als Wink verstanden werden, dass die Staatsanwaltschaft nichts strafrechtlich Belastendes gegen „Bea H.“ vorbringen konnte und man sie daher letztlich durch finanzielle Erwägungen zum Einknicken bewegen wollte.
Unterschiede zwischen Deal und Einstellung gegen Geldauflage
Es bleibt festzuhalten, dass ein Deal gemäß § 257c StPO (Strafprozessordnung) nicht einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a ZPO gegen Geldauflage gleichzusetzen ist:
„Der § 153a StPO wurde im Jahr 1974 in die StPO aufgenommen und hat das Ziel, dass im Fall kleinerer oder mittlerer Kriminalität ein Verfahren sehr schnell und effektiv erledigt werden kann. Von dem Grundgedanken ist die gängige Praxis mittlerweile ein wenig abgewichen, da der § 153a StPO aktuell eher als Allzweck-Waffe bei einem Verfahren eingesetzt wird.
[…]
Der wesentliche Unterschied zwischen einer Einstellung des Strafverfahrens gegen Geldauflage gem. § 153a StPO und der normalen Einstellung des Verfahrens gem. § 153 StPO liegt in dem Umstand, dass der Beschuldigte Auflagen sowie Weisungen erhält.“[6]
Wichtige Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 153a StPO ist, dass es sich lediglich um ein „Vergehen“ handelt, das dem Angeklagten zur Last gelegt wird. Nach § 12 StGB sind Vergehen solche Handlungen, die mit einer Freiheitsstrafe von unter einem Jahr bedroht sind. Beträgt die in Aussicht gestellte Freiheitsstrafe mindestens ein Jahr, ist von einem Verbrechen die Rede. Die meisten Rechtsschutzversicherer bieten für den Vorwurf eines auch fahrlässig begehbaren Vergehens (z. B. Steuerhinterziehung, Schwarzfahren) Versicherungsschutz im Rahmen des erweiterten Straf-Rechtsschutzes, für die Verteidigung wegen des Vorwurfs eines Verbrechens (z. B. Mord) besteht in der Regel kein Versicherungsschutz.
Die Strafprozessordnung regelt in § 257c Abs. 2 und 3 StPO insbesondere folgendes:
„(1) 1Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. 2§ 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) 1Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. 2Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. 3Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
(3) 1Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. 2Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. 3Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. 4Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.“
Die Anwältin von „Bea H.“ habe vor der Verhandlung angeregt, die Öffentlichkeit auszuschließen, um den Richter nicht weiter zu provozieren. Diesem Vorschlag wurde nicht gefolgt.
Prozesskostenhilfe nur eingeschränkt für Strafprozesse
Die Angeklagte teilte nach dem Termin mit, dass sie sich Sorgen wegen der Anwalts- und Gerichtskosten mache. Da es sich um einen Strafprozess handele, gäbe es keine Prozesskostenhilfe, so dass sie die Anwalts- und Gerichtskosten vollständig alleine zahlen müsse, wenn sie verliere. Das Gericht habe ihr mitgeteilt, dass die Gesamtkosten für sie von den anfänglich aufgerufenen 1.500 Euro auf bis zu 5.000 Euro hochgehen könnten. Im Zweifel könnte es erforderlich sein, für die zweite Instanz eine Pflichtverteidigung zu beantragen, so die für einen Rechtsschutzversicherer tätige Rechtsanwältin.
„Im Strafverfahren ist jedoch nach dem Gesetz keine Prozesskostenhilfe vorgesehen. Eine Ausnahme ist das sogenannte Adhäsionsverfahren und die Nebenklage. Beim Adhäsionsverfahren kann der Geschädigte einer Straftat schon im Strafverfahren Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend machen. […] Auch bei einer Nebenklage kann ein Nebenkläger unmittelbar im Strafverfahren als Geschädigter einer Straftat nach § 397a Abs. 2 StPO Prozesskostenhilfe für sich beanspruchen.“[7]
Eine andere Quelle fasst die Fakten ähnlich zusammen:
„Prozesskostenhilfe (PKH) ist für einen Beschuldigten im Strafrecht nicht vorgesehen. Denn hierfür gibt es gerade das Institut der Pflichtverteidigung. Ausnahmen bilden allerdings die Nebenklage und das Adhäsionsverfahren. So kann ein Nebenkläger unmittelbar im Strafverfahren als Geschädigte/r einer Straftat nach § 397a Abs. 2 StPO Prozesskostenhilfe beanspruchen.“[8]
Laut Aussage eines Anwaltes seien für die erste Instanz Rechtsanwaltskosten nach Rechtsanwaltsvergütungsordnung (RVG) in Höhe von 1.100 Euro anzusetzen (falls keine Verteidigung vor Eingang der Klage abweichend nur ca. 890,00 Euro), dies zuzüglich Fahrtkosten und Auslagen (z. B. für das Porto). In der zweiten Instanz sei mit Anwaltskosten in Höhe von ca. 2.000 Euro zzgl. Fahrtkosten und Auslagen zu rechnen.
Hierzu kommen Gerichtskosten in Höhe von etwa bis 400 bzw. 1.000 Euro in der ersten bzw. zweiten Instanz.
Eine ausführliche Stellungnahme zum Termin beim AG Hannover gab auch Frau Dr. med. Javid-Kistel:
„Die Rechtsanwältin sagte gleich am Anfang, ja, wahrscheinlich werden nur die Zeugen der Anklage zugelassen; wenn sie auch noch zugelassen werden, dann holen wir sie noch rein. Das sagte die Justizangestellte vorhin auch. Da habe ich mich dann gewundert, weil die Zeugen der Anklage sind nur die Polizisten gewesen, die quasi das Attest von der Bea zwischendurch gesehen und eingezogen hatten und sich dann auch entsprechend geäußert hatten. Es kann doch nicht sein, dass Zeugen der Verteidigung gar nicht zugelassen werden, dass es da keine Zeugen geben darf. Es muss doch jemand sie verteidigen. Die Verteidigung machte leider Gottes keinen sehr engagierten Eindruck; ich kann das nur so sagen. Wir hätten das mit Pauken und Trompeten gewinnen müssen.“
Es ist unklar, ob eine im Vorfeld abgesprochene eidesstattliche Versicherung Eingang in die Gerichtsakte gefunden hat. Es wäre allerdings auch Teil der Arbeit des Mandanten sicherzustellen, dass der Anwalt wichtige Dokumente in seinem Sinne in das Verfahren zeitnahe einbringt. Verbindliche Absprachen zwischen Anwälten und Mandanten sind daher von großer Bedeutung.
„Letztendlich wurde die Bea dazu verdonnert, 450 Euro zu zahlen, und sie könnte das in Raten zahlen; dann würde das Verfahren eingestellt werden. Sie hat sich, Gott sei Dank, nicht erpressen lassen.“
Hier von einer „Verdonnerung“ zu sprechen, ist sicher falsch. Frau H. sei eine von Richter, Staatsanwaltschaft und Anwältin Einstellung des Verfahrens gegen Geldzahlung unterbreitet worden, also ein Entgegenkommen gegenüber den ursprünglichen 1.500 Euro. Hinzu kommt, dass die Ärztin als einzige Zeugin der Verteidigung nicht selbst in der Verhandlung zugegen war und daher nur über das berichten konnte, was ihr zugetragen wurde.
In jedem Fall wolle Frau G. sie in die zweite Instanz gehen.
„Dann wurde ihr angedroht, es würde dann alles viel, viel teurer werden noch. Die Prozesskosten kämen auch noch hinzu. Sie hat sich nicht erpressen und nicht nötigen lassen. Denn die wollen eigentlich nicht primär nur an die Patienten ran, sondern an die Ärzte ran, die solche Atteste ausstellen, die Ärzte, die solche Atteste ausgestellt haben.
Das wäre ja wie ein Schuldeingeständnis, wenn sie das zahlen würde, wie ein halbes Schuldeingeständnis, ja, ich habe doch ein Attest, das nicht ganz koscher war, ganz in Ordnung war. Dann zahl ich das jetzt mal.“
Diese Aussage träfe nur zu, wenn es sich tatsächlich um einen Deal gehandelt hätte, nicht jedoch, wenn es sich wie im konkreten Fall um die Verfahrenseinstellung durch Geldauflage handelte – Fragen, die Frau H. selbst nicht sicher beantworten konnte.
„Dann können sie an die Ärzte richtig ran. Dann können sie wirklich und wirklich versuchen, die Approbation zu entziehen, uns einsperren für zwei Jahre wegen Ausstellens von unrichtigen Gesundheitszeugnissen.“
Frau Dr. med. Javid-Kistel verleiht hier ihren verständlichen Ängsten als Ärztin Ausdruck. An dieser Stelle sei darauf hinzuweisen, dass es natürlich im konkreten Verfahren nur um die Angeklagte „Bea H.“ ging und nicht unmittelbar um einen Strafprozess auch gegen die das Attest ausstellende Ärztin. Dass der Strafprozess sich natürlich auch auf die Ärzte auswirkt, steht auf einem anderen Blatt.
Belehrung statt Gesundheitszeugnis
Frau Dr. med. Javid-Kistel führt weiter aus:
„Das ist ja kein Gesundheitszeugnis. Ein ärztliches Attest ist ja etwas Anderes als ein Gesundheitszeugnis. Ein Gesundheitszeugnis ist ja etwas viel Umfassenderes, was im Prinzip erstellt werden muss, zum Beispiel, wenn ein Patient berentet werden soll, dass man umfassend über alle Krankheiten Auskunft geben muss, umfassende Untersuchungen machen muss, weitergehende fachärztliche Untersuchungen machen muss und so. Das ist aber für ein ärztliches Attest zur Befreiung von der Nasen-Mund-Bedeckung gar nicht notwendig.
Das ist ja heutzutage so in Pandemiezeiten ja auch möglich, Krankschreibungen so zu machen, nur auf telefonische Ansage hin. Ich bin krank, kann nicht arbeiten, habe Erkältung oder so was. Dann konnte man sich krankschreiben. Da konnte man ärztliche Atteste quasi so ausstellen, aber wenn es um die Nase-Mund-Bedeckung geht, wo im Prinzip ja auch nur notwendig ist, dass der Patient quasi glaubhaft macht, dass er z. B. unter der Maske verstärkt unter Schwindel, Kreislaufproblemen, Kopfschmerzen, Konzentrationsproblemen, Angst- und Panikattacken, Atemnot und sonst was leidet, dann kann er ja im Prinzip auch diese Maske nicht tragen.
Da gibt es ja auch keine unbedingten Untersuchungen noch dazu. Wie soll ich jemandem nachweisen oder nicht nachweisen, dass er Kopfschmerzen kriegt hinter der Maske oder dass er Übelkeit hat? Das kann man schlecht nachweisen.“
Seit dem 01.01.2001 gilt in Deutschland das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Das vorher in den §§ 17 und 18 Bundesseuchengesetz geregelte Gesundheitszeugnis ist seitdem nicht mehr existent.
„Das Gesundheitszeugnis bescheinigte nicht die Gesundheit einer Person. Es sagte nur aus, dass der beauftragte Arzt zu dem Zeitpunkt nichts feststellen konnte, was einer Tätigkeit im Lebensmittelbereich entgegenstand.
[…]
Das heutige Gesundheitszeugnis heißt korrekt also Belehrung oder Erstbelehrung. Der Begriff Gesundheitszeugnis ist für diese Bescheinigung umgangssprachlich aber weiter gebräuchlich.“[9]
Die Ärztin führt weiter aus:
„Und das Fatale an diesem Prozess jetzt hier ist ja wirklich, dass die Bea vor einigen Wochen, als sie noch nicht ihr fünftes Kind geboren hatte, in der 33. / 34. Schwangerschaftswoche genötigt wurde, beim Gesundheitsamt, beim zuständigen Amtsarzt zu erscheinen, weil man hier schon einmal nachweisen wollte, dass sie in der Hochschwangerschaft, in der Spätschwangerschaft, ja, dass sie durchaus die Maske tragen könnte. Ja, da hat man sie einbestellt, da hat sie genötigt, die Untersuchung gemacht.
Sie sollte dann auch noch Sauerstoffmessung machen, mit und ohne Maske; die hat sie dann verweigert. Das ist unfassbar, was eigentlich passiert. Eine hochschwangere Frau, die wirklich jedes Fitzelchen Sauerstoff braucht, um sich und ihr ungeborenes Kind zu versorgen, sollte genötigt werden, da Tests zu machen mit Maske. Das ist einfach schon – wo sind wir gelandet?“
Hygieneüberwachungsdiktatur?
Weiterhin sagt Frau Dr. med. Javid-Kistel:
„Das ist kein Recht mehr, das hier gesprochen wird. Das ist kein Recht. Das ist Unrecht, und wir stehen, bitte, bitte jetzt alle mal auf. Wehrt euch dagegen, sonst werden die uns alle platt machen. Dasselbe passiert jetzt auch mit Impfunfähigkeitsbescheinigungen. Das wird genauso passieren.“
Dr. Javid-Kistels Zukunftsprognosen sind dystopisch:
„Das geht immer so weiter. Die machen immer so weiter, weil sie sehen, dass sie damit durchkommen. […] Das ist unfassbar. Ich habe nicht damit gerechnet. Jetzt ist das der eindeutige Beweis: wir leben in keinem Rechtsstaat mehr. Dieser Staat hat ausgedient. Das ist ein Staatsstreich, der hier erfolgt ist. Die haben alles untergeordnet, alle Instanzen quasi diesem Régime unterworfen, und ich sehe im Moment nicht mehr, dass wir hier unser Recht kriegen. Notfalls muss man dann vielleicht doch irgendwann mal das Land verlassen, damit man nicht eingesperrt wird. Ich lass‘ mich nicht einsperren, ich lass‘ mich als Ärztin nicht einsperren und ich hoffe, die Bea lässt sich nicht einsperren. Das ist eine ganz starke Frau; ich wir werden sie weiter unterstützen. Ich mach dann auch mal einen Spendenaufruf für sie. Sie muss ja alles aus eigener Tasche zahlen; sie kriegt keine Prozesskostenhilfe wohl. Das ist einfach fatal, was hier abläuft. Sie wollen die Leute erpressen, nötigen, klein machen, mobben, bis keiner mehr einen Ton sagt; bis alle nur noch unten auf dem Boden kriechen und das machen, was die Leute irgendwie wollen.“
Die vorgetragene Verfahrenseinstellung gegen Auflage einer Geldzahlung kann im ersten Zug als gute Arbeit der Anwältin verstanden werden, auch wenn es bei der Angeklagten und ihrer Ärztin anders ankam. Immerhin könnte man auf dieser Vorarbeit aufbauen.
Es ist nichts Corona-Spezifisches, wenn Anwälte ihren Mandanten nach Besprechung mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft die Offerte einer Verfahrenseinstellung gegen Auflage einer Geldbuße unterbreiten. Dabei ist der Anwalt lediglich Überbringer des Vorschlages. Dass dies nicht dem gewünschten Freispruch entspricht, den sich die Angeklagte wünscht, steht auf einem anderen Blatt.
Unschuldsnachweis mit Vergleichszahlung unmöglich
Der Weg in die zweite Instanz ist ganz gewiss mit einem Kostenrisiko verbunden, ermöglicht jedoch einen Freispruch. Der Ausschluss von Frau Dr. med. Javid-Kistel als einziger Zeugin der Verteidigung könnte so verstanden werden, dass sie „weichgekocht“ werden sollte. Auch wenn das Verfahren selbst durch die Auflage einer Geldzahlung beendet worden wäre, stünde weiter der Vorwurf im Raum, dass das Attest tatsächlich zu Unrecht ausgestellt worden wäre. Ein Verfahren mit Beweislastumkehr und ohne Beweisaufnahme würde dazu führen, dass es dauerhaft keinen Nachweis für die fehlende Schuld geben würde. Die Verfahrenseinstellung gegen Auflage einer Geldzahlung käme einem Schuldanerkenntnis gleich. Nur ein echter Freispruch bietet für „Bea H.“ die Möglichkeit, ihre Unschuld zu beweisen.
Die Staatsanwaltschaft hat den Beweis zu führen, dass ein durch die Ärztin Dr. Carola Javid-Kistel aus Duderstadt am 30.04.2020 ausgestelltes Attest, ausweislich dessen Sie gesundheitliche Probleme hätte und daher aus ärztlicher Sicht vom Tragen einer Atemschutzmaske bzw. einer Mund-Nase-Bedeckung befreit sei, keine Untersuchung und ordnungsgemäße Befundung zugrunde lag und das Attest aus rein ideologischen Gründen ausgestellt worden war und bei ihr keine schwerwiegende Erkrankung vorlag, die eine Befreiung von der Maskenpflicht rechtfertigen konnte und das verwendete Attest auch in Kenntnis dieser Sachlage, um den Eindruck einer ordnungsgemäßen Befreiung zu erwecken, genutzt hatte. Diesen Beweis konnte die Staatsanwaltschaft offenbar nicht führen. Sie hat sich somit die Möglichkeit „ertrickst“, in einer zweiten Instanz diesen Beweis führen zu können bzw. die Angeklagte weiter zu zermürben.
Wenig Liebe für Interviews
Wenig auskunftsfreudig für ein Interview war die Rechtsanwältin der Angeklagten, Frau Yvette Weber von der Kanzlei Parriger & Collegen, ihres Zeichens gelernte Bankkauffrau und Fachanwältin für Medizinrecht sowie unter anderem Autorin von „„Die Beweisregeln des § 630h BGB in der anwaltlichen Praxis – Die Aufklärungspflichtverletzung“ in ZMGR 3/2017“.[10] Sie hätte schon schlechte Erfahrungen mit Interviews gehabt, so dass sie weder vor noch nach der Verhandlung zu einem solchen bereit war. Während Frau Dr. med. Javid-Kistel verdeutlichte, dass es einen erheblichen Unterschied zwischen einem ärztlichen Attest und einem ärztlichen Gesundheitszeugnis gäbe (siehe zum Thema auch oben), teilte Frau Weber mit, dass es wohl eine Entscheidung des BGH gäbe, wonach selbst eine ärztliche Überweisung als ärztliches Gesundheitszeugnis angesehen werden könne.
Von einer Prozessbeteiligten wurde die Anwältin in ihrem Auftreten bei Gericht als „sehr passiv und verunsichert“ beschrieben. Auch wenn der Unmut über die von der Anwältin überbrachten Einstellung des Verfahrens gegen Auflage einer Geldzahlung verständlich ist, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass Frau Weber allein die Interessen ihrer Mandantin und nicht die von Frau Dr. med. Javid-Kistel zu vertreten hatte und dass die lediglich Überbringerin der Botschaft war, nicht jedoch die Person, von der dieser ausging.
Da hier offenbar Kommunikationsdefizite zwischen Rechtsanwältin und Mandantin bestanden, ist es nicht verwunderlich, dass einem Tag nach dem Gerichtstermin der Anwältin ihr Mandat gekündigt wurde. Zum Glück wurde mittlerweile ein neuer Rechtsbeistand gefunden, um die Interessen von Frau K. weiter vertreten zu können.
Der Weg in die zweite Instanz
Was ist nun angezeigt? Um in die Berufung zu gehen, besteht eine Frist von einer Woche ab der Urteilsverkündigung am 03.08.2021. Es kann sinnvoll sein, den Antrag auf Berufung unmittelbar per Fax mit Sendebericht zu stellen oder sich einen Eingang persönlich bei Gericht bestätigen zu lassen.
Weiter ist es anzuraten, die Akten von Gericht und Staatsanwaltschaft einzufordern. Oft kommen durch eine solche Einsicht weitere Sachverhalte heraus. Kosten für eine entsprechende Akteneinforderung liegen bei etwa 12,00 Euro zuzüglich etwaigen Kopierkosten gemäß RVG.
Es ist dringend angeraten, die zur Verfügung gestellten Akten als Mandant selbst durchzuarbeiten und auch auf etwaige Unstimmigkeiten oder nachträgliche Änderungen zu überprüfen. Für Anwälte, die nicht nach Stundensätzen, sondern – wie üblich – nach RVG abrechnen, ist eine solche Aufgabe kaum wirtschaftlich sinnvoll zu leisten. Wenn Mandanten ihren Anwälten entsprechend zuarbeiten und eigene Entwürfe erstellen, die der Anwalt dann nur noch in juristisch korrektes Deutch umsetzen muss, gibt dies die besten Ergebnisse.
[1] fachanwalt.de-Redaktion „Geldstrafe – Anzahl der Tagessätze und Berechnung der Höhe“ auf fachanwalt.de vom 13.05.2019. Aufzurufen unter https://www.fachanwalt.de/magazin/strafrecht/geldstrafe-tagessaetze, zuletzt aufgerufen am 04.08.2021
[2] fachanwalt.de-Redaktion „Geldstrafe – Anzahl der Tagessätze und Berechnung der Höhe“ auf fachanwalt.de vom 13.05.2019. Aufzurufen unter https://www.fachanwalt.de/magazin/strafrecht/geldstrafe-tagessaetze, zuletzt aufgerufen am 04.08.2021
[3] Zitiert nach Dr. Martin Heuser und Prof. Dr. Jan Bockemühl „“Der Rechtsstaat braucht den freien Blick ins Gesicht“ Maskerade in der Hauptverhandlung“ in KriPoZ 6&2020, S. 2. Aufzurufen unter https://kripoz.de/wp-content/uploads/2020/11/heuser-bockemuehl-der-rechtsstaat-braucht-den-freien-blick-ins-gesicht.pdf, zuletzt aufgerufen am 03.08.2021. Der im Text angegebene Link ist weder direkt noch übe die Waybackmachine aufrufbar.
[4] Landgericht Regenburg / Pressemitteilung „Corona-Schutz bei der Regensburger Justiz – Sicherheitsmaßnahmen im Justizgebäude werden erweitert“ auf „wochenblatt.de“ vom 08.05.2020, Stand 10.01.2021 um 15:07 Uhr, aufzurufen unter https://www.wochenblatt.de/archiv/corona-schutz-bei-der-regensburger-justiz-sicherheitsmassnahmen-im-justizgebaeude-werden-erweitert-326101, zuletzt aufgerufen am 03.08.2021
[5] „Justiz ist für die Menschen da, Strafverfahren“ auf „justiz.bayern.de“. Aufzurufen unter ‚https://www.justiz.bayern.de/gerichte-und-behoerden/amtsgerichte/augsburg/verfahren_22.php, zuletzt abgerufen am 04.08.2021
[6] „Die Einstellung eines Strafverfahrens gegen Geldauflage. Was bedeutet eine Einstellung nach 153a StPO?“ auf „strafrechtsiegen.de“. Aufzurufen unter https://www.strafrechtsiegen.de/die-einstellung-eines-strafverfahrens-gegen-geldauflage/, zuletzt aufgerufen am 04.08.2021
[7] Kanzlei Janssen „Prozesskostenhilfe im Strafrecht?“ auf „prozesskostenhilfe-direkt.de“ vom 16.01.2019, aktualisiert am 13.10.2019. Aufzurufen unter https://www.prozesskostenhilfe-direkt.de/post/prozesskostenhilfe-im-strafrecht, zuletzt aufgerufen am 03.08.2021.
[8] „Bekomme ich im Strafrecht Prozesskostenhilfe?“ auf „pflichtverteidiger.hamburg“. Aufzurufen unter https://www.pflichtverteidiger.hamburg/faq/prozesskostenhilfe-im-strafrecht/, zuletzt aufgerufen am 03.08.2021
[9] „Gesundheitszeugnis – was Sie wissen und beachten müssen!“ auf „anwalt.de“ vom 21.10.2019. Aufzurufen unter https://www.anwalt.de/rechtstipps/gesundheitszeugnis, zuletzt aufgerufen am 04.08.2021
[10] „Yvette Weber“ auf „parriger.eu“. Aufzurufen unter http://www.parigger.eu/kanzlei/anwaelte/yvette-weber/index.html, zuletzt aufgerufen am 03.08.2021