Gren­zen einer fremd­spra­chi­gen Versicherungsberatung

Das Bei­spiel einer Ver­si­che­rungs­be­ra­tung auf Vietnamesisch

Immer wie­der kommt es vor, dass deut­sche Ver­mitt­ler aus­län­di­sche Kun­den bera­ten oder dass Deut­sche bzw. Aus­län­der mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund ihre (ehe­ma­li­gen) Lands­leu­te bera­ten wol­len. Hier­bei gilt es Hin­der­nis­se zu umschif­fen, an die nicht jeder denkt.

In die­sem Bei­trag geht es exem­pla­risch um die Bera­tung viet­na­me­si­scher Kun­den. Wer die­se bera­ten möch­te, hat neben zu erwar­ten­den auch mit uner­war­te­ten Schwie­rig­kei­ten zu kämpfen.

Viet­na­me­sisch-Deutsch als 2. Band vorhanden

Neo­lo­gis­men oft unverständlich

Nahe­lie­gend ist es, dass ein Begriff wie „Ries­ter­ren­te“ in kei­nem der her­kömm­li­chen Wör­ter­bü­cher zu fin­den ist. Natür­lich lässt sich eine ent­spre­chen­de Über­set­zung wie bảo hiểm hưu trí Ries­ter als Neo­lo­gis­mus bewerk­stel­li­gen, doch wer­den die­se höchs­tens jene Viet­na­me­sen ver­ste­hen, die bereits in Deutsch­land hei­misch gewor­den sind und bereits wis­sen, dass es so ein Pro­dukt gibt. Glei­ches wird für eine „Pfle­ge­bahr­ver­si­che­rung“ gel­ten, die man natür­lich als „bảo hiểm chăm sóc  có sự hỗ trợ của  nhà nước(also ohne Bezug auf den ehe­ma­li­gen Minis­ter Bahr) oder „như vậy là không dùng đến tên của cựu bộ trưởng Bahr“ über­set­zen könn­te. Für sol­che Begriff­lich­kei­ten, die einen kon­kre­ten kul­tu­rel­len Hin­ter­grund benö­ti­gen, ist man auch als Mut­ter­sprach­ler bes­ser bera­ten, eine Umschrei­bung zu nutzen.

© 2021 Cri­ti­cal News — Zwei­spra­chi­ge Bewer­bung für eine Lebensversicherung

Ver­si­che­rungs­pro­duk­te sind oft sehr kom­plex gestal­tet. Das zeigt sich nicht nur bei der Bera­tung von Alters­vor­sor­ge- oder Bio­me­trie­pro­duk­ten, son­dern auch bei ver­meint­lich ein­fa­chen Risi­ken wie der Bera­tung zur Wohngebäudeversicherung.

Aus­wahl­kri­te­ri­en für Wör­ter­buch­ein­trä­ge oft überraschend

Man dürf­te erwar­ten, dass sich ein Begriff wie „Wohn­ge­bäu­de­ver­si­che­rung“ (bảo hiểm nhà cửa) in jedem bes­se­ren Wör­ter­buch fin­den las­sen soll­te, doch weit gefehlt. Selbst das gro­ße „Từ Điển Đức Việt. Deutsch-Viet­na­me­si­sches Wör­ter­buch“ von Nguyễn Văn Tuế und Nguyễn Thị Kim Dung aus dem Jah­re 1999 mit 150.000 Stich­wor­ten oder „Từ Điển Đức Việt. Deutsch-Viet­na­me­si­sches Wör­ter­buch“ von Ban Tu Thư aus dem Jah­re 2000 müs­sen hier pas­sen. Glei­ches gilt für „Moder­nes Wör­ter­buch Deutsch ‑Viet­na­me­sisch“ von Nguyễn Thu Hương und Nguyễn Hữu Đoàn (hier 7. Auf­la­ge mit 75.000 Ein­trä­gen aus dem Jah­re 2005). Wenn­gleich sich sol­che Begrif­fe sicher leicht für jeden Mut­ter­sprach­ler über­set­zen las­sen, dürf­te man ver­gleich­ba­re Ein­trä­ge doch sicher in einem umfas­sen Wör­ter­buch erwar­ten dür­fen, die je nach Autor deut­lich spe­zi­el­le­re Begrif­fe wie „Ioni­e­rungs­en­er­gie“ (năng lượng I on hó), „Moder­kä­fer“ (bọ mốc), „Mode­tor­heit“ (điên cuồng theo mốt thời trang) oder „Klaub­holz“ (củi) durch­aus enthalten.

© 2021 Cri­ti­cal News — Bewer­bung Kfz- und ande­re Ver­si­che­run­gen auf Vietnamesisch

Da über­rascht es dann schon, wenn Ein­trä­ge für „Wohn­flä­che“ (z.B. diện tích ở) bzw. „Nutz­flä­che“ (z.B. diện tích hữu dụng) in zwei der drei benann­ten Wör­ter­bü­cher gefun­den wer­den. Auch „Rück­stau“ (z.B. sự ứ động) fin­det sich immer­hin in den bei­den grö­ße­ren Wörterbüchern.

Groß­wör­ter­buch Deutsch-Vietnamesisch

„Eigen­be­we­gung“ in der Ver­si­che­rung: ngoài ý muốn, không do tác động từ bên ngoài

Lei­der sind auch im Ver­si­che­rungs­deutsch übli­che Begrif­fe wie „Mit­wir­kungs­an­teil“ (phần đóng góp tự trả) oder „Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung“ (bảo hiểm không có khả năng hành nghiệp) nicht zu fin­den, wäh­rend immer­hin das gro­ße Wör­ter­buch von Ban Tu Thư mit chuyển động riêng eine Über­set­zung für „Eigen­be­we­gung“ (chuyển động riêng) lie­fert, die­se sich aller­dings auf Steue­rungs­tech­nik und nicht auf die Unfall­s­par­te bezieht.

Wör­ter­buch für den Hausgebrauch

Klaus­tro­pho­bie ist nicht Platzangst

Vor­sicht soll­ten Ver­mitt­ler und Über­set­zer auch wal­ten las­sen, wenn es um medi­zi­ni­sche Begrif­fe geht. Für die­se Zwe­cke gibt es bei­spiels­wei­se ein „Medi­zi­ni­sches Wör­ter­buch Deutsch – Viet­na­me­sich & Viet­na­me­sich – Deutsch“ [sic!] – hier bezo­gen auf die 2. Auf­la­ge aus dem Jah­re 2001. Sucht man dort nach dem Begriff „Platz­angst“, fin­det man unter ande­rem die mög­li­che Über­set­zung chứng sợ ngộp ở chỗ đong người. Die­se bezeich­net aller­dings „Klaus­tro­pho­bie“, d.h. was auf Deutsch mit „Raum­angst“, der Angst vor engen geschlos­se­nen Räu­men zu über­set­zen wäre. Tat­säch­lich ist „Platz­angst“ (Ago­ra­pho­bie bzw. chứng sợ hãi chỗ rộng lớn) die Angst vor gro­ßen Plät­zen. Wer Kun­den mit einer ent­spre­chen­den Panik­stö­rung hat, wird eine kor­rek­te Über­set­zung sehr zu schät­zen lernen.

© 2021 Cri­ti­cal News – „Medi­zi­ni­sches Wör­ter­buch Deutsch – Viet­na­me­sich & Viet­na­me­sich – Deutsch“, 2001

Fazit: wer aus­län­di­sche, in die­sem Fall viet­na­me­si­sche, Kun­den in ihrer Mut­ter­spra­che bera­ten will, kommt oft mit her­kömm­li­chen Wör­ter­bü­chern nur schwer zum Ziel und ist in jedem Fall dar­auf ange­wie­sen, dass ent­we­der der Bera­te­ne hin­rei­chend Deutsch ver­steht oder aber der Bera­ter flie­ßend in der Lage ist, sich allein oder mit­tels eines Dol­met­schers in der Ziel­spra­che auszudrücken.

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