Rechtsanwalt Ralf Ludwig: Das, was hier passiert, ist menschenrechtswidrig, ist völkerrechtswidrig

Critical-News im Interview vom 23.06.2021 mit Rechtsanwalt Ralf Ludwig

„Ein Richter wird nicht abgelehnt, weil er befangen ist, sondern ein Richter wird abgelehnt, weil die Besorgnis der Befangenheit besteht.“

Critical News: Guten Tag Herr Ludwig[1].

Durch die Coronakrise sind Sie als Rechtsanwalt stark in Erscheinung getreten. Unter anderem waren Sie Mitgründer der Partei „Widerstand 2020“ und erreichten durch eine entsprechende Verfassungsklage, dass 2020 nach dem vorübergehenden Verbot sämtlicher Demonstrationen erstmals wieder demonstriert werden durfte. Mittlerweile zählen Sie in Deutschland zu einem der besten und prominentesten Verfassungs- und Versammlungsrechtler.

© 2021 Critical News — Ralf Ludwig am 18.07.2020 in Hannover

Im Zusammenhang mit dem Urteil des Amtsgerichts Weimar vom 11.01.2021 (Az. 6 OWi - 523 Js 202518/20 = openJur 2021, 3576) wurde dem Richter von einigen Medien unterstellt, dass er möglicherweise bei seiner Entscheidung befangen gewesen sei. So schreibt beispielsweise die „Thüringer Allgemeine“ vom 25.01.2021[2], dass der Richter „auch privat ein Gegner von  Maskenpflicht und Abstandsregeln“ sei. Damit wird unterstellt, dass ein Richter mit einer solchen Ansicht, kein Urteil gegen die Corona-Maßnahmen sprechen dürfe. Dies erscheint wenig nachvollziehbar, da die meisten Richter sicher auch privat gegen Mord, Totschlag oder Vergewaltigung eingestellt sein dürften, dennoch aber über Mörder, Totschläger oder Vergewaltiger rechtsprechen dürfen, ohne dass ihnen Befangenheit unterstellt wird. Wie bewerten Sie den Vorwurf einer möglichen Befangenheit des Richters am AG Weimar?

Rechtsanwalt Ralf Ludwig: Also in Weimar hat es ja sogar zwei Entscheidungen gegeben, in denen es um die Frage der Besorgnis der Befangenheit des jeweiligen Richters ging. Das von Ihnen gerade vorgestellte Verfahren war ein Ordnungswidrigkeitenverfahren, wo ein Richter sich sehr intensiv mit der Frage der Rechtmäßigkeit der Verordnungen auseinandergesetzt hat, und ein zweites Verfahren, das es noch gab, war ein Verfahren, wo es um Kindeswohl ging, vor dem Familiengericht, wo der Richter ja geurteilt hatte, dass die Masken und der Abstand in der Schule kindeswohlgefährdend seien. In beiden Fällen wurde den Richtern Befangenheit vorgeworfen, wobei man da sehr genau sein muss: es geht niemals um eine Befangenheit, sondern um die Besorgnis der Befangenheit, und das wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Richter ja eine vorgefasste Meinung zu den Themen hätten, und eine vorgefasste Meinung zu den Themen ist nicht verboten, begründet auch nicht die Besorgnis einer Befangenheit, sondern das ist ja sogar bei Richtern erwünscht. Richter sollen ja gerade auch aus ihrer Erfahrung schöpfen. Richter sollen ja zum Beispiel schauen, ob sie bei bestimmten Dingen Zweifel haben oder keine Zweifel haben. Es geht genau auch darum, wie der Richter etwas wahrnimmt und natürlich ist seine politische Auffassung auch da, die darf er haben. Die politische Auffassung darf nur nicht, wenn es um eine politische Entscheidung geht, im Vordergrund stehen der Entscheidung. Im Vordergrund der Entscheidung muss natürlich immer eine juristische Bewertung stehen. Politische Entscheidungen treffen Politiker und keine Richter, wobei das natürlich nicht immer trennscharf ist. Aber deswegen kann man hier sagen, in diesem Fall, besteht keine Besorgnis der Befangenheit durch die Richter, wenn nicht sich herausstellen sollte, dass die Richter im Vorfeld mit den Verfahren befasst waren, möglicherweise die Mandanten kannten, möglicherweise Kontakt zu den Mandanten hatten, dann eben einseitig ihre Entscheidungen getroffen haben, weil sie diese Personen unterstützen wollten, zum Beispiel. Was aber, soweit ich das bisher aus den Medien erfahren habe, nicht der Fall war.

Anders ist das bei allen, bei sämtlichen Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte in Bezug auf Normenkontrollanträge zu den Corona-Verordnungen. Weil das Besondere an den Corona-Verordnungen ist ja, dass jeder davon betroffen ist, ohne dass er noch selbst etwas tun muss. Das heißt also, der Richter am Oberverwaltungsgericht, der entscheiden muss, ob eine Verordnung die besagt, du musst eine Maske tragen oder du musst Abstand halten oder nicht, rechtmäßig ist oder nicht entscheidet ja direkt über sich selbst. Das ist ja eigentlich ein typischer Befangenheitsgrund. Also ein Richter, der über irgendwas entscheiden muss, was ihn selbst betrifft, bei dem besteht nicht nur die Besorgnis der Befangenheit, sondern der ist befangen. Und deswegen dürften eigentlich sämtliche Normenkontrollanträge gegen die Corona-Verordnungen nicht durch die Richter getroffen werden, die sie treffen, weil sie alle ja in dem Land leben, wo sie von der Verordnung direkt betroffen sind. Das heißt, völlig egal, wie sie politisch dazu stehen, ob sie das Maskentragen richtig finden oder falsch, entscheiden sie ja über eine Frage, die sie unmittelbar direkt betrifft und das ist eben eine typische Befangenheitskonstellation. Ein Richter am Oberverwaltungsgericht, der über einen Normenkontrollantrag entscheidet, entscheidet letztlich über sich und seine eigene Situation und dürfte das nicht. Und die Besorgnis der Befangenheit, die begründete Besorgnis der Befangenheit bedeutet im verfassungsrechtlichen Sinne, dass nicht der mir garantierte gesetzliche Richter entscheidet. Das heißt, mir als Partei vor Gericht ist garantiert, dass ich einen Richter habe, der der gesetzliche Richter ist. Der gesetzliche Richter kann kein Richter sein, so ist das definiert, bei dem die Besorgnis der Befangenheit besteht, bei dem die Besorgnis besteht, dass er mit der Sache vorbefasst ist oder dass er mit einer Partei so nahe oder so eng ist, dass er eine Partei bevorzugt oder benachteiligt. Und deswegen sind im Prinzip vom Grundsatz her, sämtliche Normenkontrollverfahren, die wir haben, im Prinzip verfassungswidrig.

Critical News: Dürfte dann überhaupt ein Verfassungsrichter, der früher Mitglied in der CDU irgendwelche Entscheidungen treffen, wenn er ja diese politische Nähe besitzt?

Rechtsanwalt Ralf Ludwig: Die Fragen haben wir immer wieder. Wenn man das mal aus wirtschaftlichen Compliance-Gründen ansehen würde, dürfte er das nicht. Das ist ja auch immer die Frage. Es gab ja schon vorher den Peter Müller. Peter Müller war Ministerpräsident des Saarlandes und ist dann ja auch ans Verfassungsgericht gegangen und musste dort dann über Dinge entscheiden, die er vorher als Ministerpräsident des Saarlandes mit abgestimmt hatte. Da hat er sich dann häufig zurückgezogen, aber es gab auch eine Menge Befangenheitsanträge. Das Problem ist, das über die Frage, ob die Besorgnis der Befangenheit besteht oder nicht, das Verfassungsgericht selber entscheidet. Das Verfassungsgericht neigt eher dazu, was ich falsch finde, die Befangenheit nicht anzunehmen oder die Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, denn sie tatsächlich zu bestätigen. Es wäre viel sinnvoller, da auch m Sinne von typischen Compliance-Richtlinien, die wir sonst haben, sich da raus zu nehmen. Das gilt natürlich auch für Professor Harbarth[3]. Professor Harbarth ist ein politischer Richter. Der ist eingesetzt worden. Wenn man da mal nach Amerika guckt, da ist Trump vorgeworfen worden, dass er die Richter, die in seiner Zeit eingesetzt wurden, am Supreme Court, dass er die zu seinen Gunsten eingesetzt hat, um seine Politik und möglicherweise auch seine Wiederwahl zu sichern. Die haben sich aber im Wesentlichen in den Entscheidungen nicht zu seinen Gunsten ausgewirkt, während wir jetzt hier einen Verfassungsgerichtspräsidenten in Deutschland haben – das ist immer sehr interessant; es wird immer nach Amerika geguckt und Amerika Vorwürfe gemacht; und umgekehrt in Deutschland wird genau das getan, was man den Amerikanern vorwirft – und wir haben jetzt hier einen politischen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, der, soweit ich das beurteilen kann, bei den Entscheidungen, an denen er beteiligt ist, nicht juristisch entscheidet, sondern ausschließlich politisch.

© 2021 Critical News — Ralf Ludwig im Interview vom 23.06.2021

Das, was hier passiert, ist, menschenrechtswidrig, ist völkerrechtswidrig

Critical News: In der Vergangenheit hat insbesondere das Verwaltungsgericht München immer wieder Demonstrationen mit der Begründung verboten, dass diese von „Querdenken“ organisiert würden und möglicherweise auch Teilnehmer aus dem rechten Umfeld zu den Teilnehmern zählen könnten. Beispielsweise schrieb die „Tagesschau“ am 05.12.2020 zu den für diesen Tag geplanten Demonstrationen in Bremen und Mannheim: „Für heute geplante "Querdenken"-Demonstrationen in Bremen und Mannheim sind letztinstanzlich verboten worden. Nach Ansicht von IMK-Chef Maier sind auf solchen Demos ein Drittel Rechtsextremisten.“[4] Im Bericht werden die Teilnehmer wie mittlerweile üblich als „Impfgegner“, „Reichsbürger“ bzw. „Rechtsextremisten“ tituliert. Da im Beispiel gerichtlich ein Eilantrag der Veranstalter abgelehnt wurde, stellt sich die Frage, ob sich ein solches Verbot nach Ihrer Ansicht rechtsstaatlich begründen lässt. 

Rechtsanwalt Ralf Ludwig: Nein. Es gibt keine rechtsstaatliche Begründung für die Verbote, und das hat auch relativ deutlich der Gutachter, der für die Stadt Stuttgart beigezogen wurde, in Bezug auf, ich glaub, das war die Demonstration am 3. April in Stuttgart, der dazu Aussagen tätigen sollte und das natürlich unter den normalen, wie wir sie bis Anfang 2020 kannten, unter den normalen Maßstäben für Demonstrationen, für Versammlungen, geprüft hat, und natürlich gesagt hat, „eine Querdenker-Demonstration kann nicht verboten werden“. Auch hier sind wir in einem, nach Ernst Fraenkel[5], politischen Maßnahmestaat. Wir bewegen und nicht mehr im Normstaat. Das, was hier passiert, ist, menschenrechtswidrig, ist völkerrechtswidrig; es verstößt gegen die internationalen Pakte über bürgerliche Rechte. Es verstößt gegen den EU-Vertrag, gegen die EU-Grundrechte-Charta; es verstößt auch gegen das Grundgesetz. Aber wir haben natürlich immer eine Machtdiskussion. Der Staat hat die Macht. Der Staat nutzt diese Macht mit all seinen Instanzen aus, um eine Kritik, möglicherweise auch eine etwas fundamentalere Kritik, dabei zu unterdrücken. Und was wir jetzt sehen, ist ja zum Beispiel mit Blick auf das DIVI-Register, mit Blick auf die PCR-Tests, mit Blick auf die Impfungen, sich im Wesentlichen das als wahr erweist, was die Querdenker immer gesagt haben. Das war natürlich das Ziel. Das heißt, man nimmt sich irgendein Argument raus und sagt, wir haben eine Inzidenz, und die Querdenker halten sich ja nicht an die Abstände und deswegen kann man eine solche Demonstration verbieten; denn wenn die Querdenker sich nicht an Abstände halten, dann würde ja die Gefahr für Leib und Leben so groß sein, dass Menschen sterben können, dass man eine Demonstration verbieten kann. Das das, sagen wir mal juristisch unhaltbar ist, ist evident. Das weiß auch jeder, der das tut, und da sind wir halt in der Situation, wo wir uns eben anfangen müssen, mit Hanna Arendt[6], mit Ernst Fraenkel beschäftigen zu müssen, wo wir gucken müssen, was passiert eigentlich in diesem Land. Ich sag immer einen Satz sehr gern: wir dürfen nicht mit der NAZI-Zeit, mit der DDR gleichsetzen, wir müssen aber vergleichen. Und die Vergleiche sind: wieso agiert die Justiz, wieso agieren die Behörden im Prinzip genauso wie wir das historisch dort auch schon relativ gut uns angeschaut haben, ermittelt haben, studiert haben und wissen? Das das, was hier passiert, ist natürlich völlig rechtswidrig. Und wenn wir, das ist erstmal meine Hoffnung, und da bin ich auch relativ zuversichtlich, dass das auch klappt; wenn wir erstmal wieder in die Situation kommen, wo die Sachen sauber juristisch betrachtet werden, dann werden zum einen diese Entscheidungen im Nachhinein revidiert und diejenigen, die das gemacht haben, werden aus meiner Sicht, als Täter vor einem internationalen Strafgerichtshof stehen müssen, um sich dafür zu rechtfertigen. Denn das, was hier passiert, ist im Prinzip – ich glaub‘ der Markus Schlöffel[7] hat es im Prinzip so bezeichnet – ein Staatsstreich von oben. Das heißt also, der Staat garantiert seinen Bürgern nicht mehr die Grund- und Menschenrechte, die die Bürger grundsätzlich haben, und das zeigt sich insbesondere an diesen Demonstrationsverboten.

Critical News: Ist es Ihrer Ansicht nach zulässig, dass ein von GEZ-Gebühren finanziertes Medium wie die „Tagesschau“ dazu berechtigt ist, regierungskritische Gruppierungen pauschal in eine Schmuddelecke zu stellen anstatt einfach neutral über Fakten zu berichten? Wie ist dies im Kontext mit dem Leak des Bundeskriminalamtes zu betrachten, in dem festgestellt wurde, dass nicht von Querdenken Gewalt ausgehe, sondern reche Einflüsse ausdrücklich „nicht prägender Natur“ seien und die tatsächliche Zahl gewaltbereiter Teilnehmer derart gering sei, dass der zivildemokratische Charakter der Querdenken-Bewegung bestehen bliebe?[8]

© 2021 Critical News — Querdenken-Demo in Hannover am 19.06.2021

Rechtsanwalt Ralf Ludwig: Es gibt ja nicht nur dieses Leak des Bundeskriminalamtes; es gibt mittlerweile ja auch eine Menge Studien. Da ist es immer ganz spannend, dass die Studienüberschriften oder so wie es in den Medien dargestellt wird, immer versucht wird, in eine bestimmte Richtung – man sucht sich irgendeinen Teil raus, der scheinbar noch das bestätigt, was man über Querdenken meint, zu wissen oder meint, behaupten zu müssen, aber sämtliche Studien, die wir haben, sämtliche Leaks, von Polizei, vom BKA, wir haben aber natürlich auch Versammlungsbescheide, in denen die Polizeien vor Ort, die Landeskriminalämter zum Beispiel über Querdenken vor Ort berichten. Querdenken ist eine Bewegung der Mitte; das sagen alle diese Studien, diese Leaks, das sagen alle diese Bescheide bzw. Äußerungen der Landeskriminalämter, nicht der jeweiligen Landesverfassungsschutzpräsidenten oder -stellvertreter. Das sind aber politische Beamte. Deren Aufgabe ist es, in der Position des Landesverfassungsamtspräsidenten Stimmung zu machen gegen irgendeine Gruppierung. Also der Sinn des Landesverfassungsschutzes oder auch des Bundesverfassungsschutzes ist nicht mehr, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu beobachten - das machen sicherlich einige Abteilungen, die dort arbeiten -, aber die Spitze der jeweiligen Behörden, die soll nur noch Stimmung machen, politische Stimmung machen, um dann z. B. die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass eine Bewegung aus der Mitte der Bevölkerung, wie Querdenken, tatsächlich verboten, werden darf. Ähnliches beobachten wir auch beim RKI: wenn wir uns die RKI-Studien ansehen, uns die Arbeit der Wissenschaftler beim RKI angucken, da muss man sagen, da läuft im Wesentlichen eine hervorragende medizinische, virologisch-epidemiologische Arbeit, aber was dann verlautbart wird, über Herrn Wieler, ist dann was völlig Anderes als das, was man in den Studien liest. Das heißt also, erst mal zu dem Thema „Wer ist Querdenken eigentlich?“ Querdenken selber ist, wie Sie das gerade sagten, eine Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft, sehr breit gestreut. Die einzige Aufgabe, die sich Querdenken gesetzt hat, ist, einen Debattenraum zu schaffen; Querdenken selber transportiert ja im Wesentlichen keine Inhalte, sondern die Inhalte, die Querdenken transportiert, sind nur:  wir befürworten das Grundgesetz, wir befürworten die Grundrechte, wir wollen, dass sich die Grundrechte sich in vollem Maße wieder entfalten. Das sind im Prinzip die wesentlichen Punkte. Die Kritik ist also eher eine Staatsorganisationskritik, dass wir sagen: die herrschende Elite kann im Prinzip machen, was sie will. Und da kommen wir dann gleich zu Ihrer Frage, zu ARD und ZDF. Diejenigen, die die politische Macht haben, haben auch gleichzeitig die Macht, zu bestimmen, wer bei ARD und ZDF im Rundfunkrat sitzt, in den Beiräten sitzt, wer also quasi das Kontrollgremium ist, wer das Programm bestimmt und so weiter. Das heißt: auch hier haben wir keine Trennung. Auch da ist wieder das Problem, das wir im Prinzip die Kontrollfunktion, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk einmal haben sollte, hat er ja nicht mehr, weil die politischen Parteien, die ja auch in den Parlamenten und in anderen Gremien, die Macht haben, mehr oder minder sich jetzt die Macht gesichert haben, dass im Prinzip ARD und ZDF nichts Anderes sind, als das, was Adenauer übrigens mal wollte.

Das ZDF ist ja als so genanntes „Deutschlandfernsehen“ gestartet; das wollte ja Konrad Adenauer. Adenauer war ja damals unzufrieden mit der ARD, die ja als Länderzusammenschluss der einzelnen Länderprogramme auf Sendung war und immer wieder die Politik der Bundesregierung kritisiert hat. Da hat Konrad Adenauer dann damals gesagt: da müssen wir ein Deutschlandfernsehen dagegensetzen, das mehr oder weniger die Politik der Bundesregierung vertritt. So ist das ZDF entstanden. Da gab es damals, glaube zwei, Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen dazu, die dann eben der Regierung – also Konrad Adenauer wollte ja noch viel mehr Regierungsmacht im ZDF-Kontrollgremium haben – das war dann nicht zulässig; da ist dann das Bundesverfassungsgericht damals dazwischengegangen, aber grundsätzlich ist tatsächlich das ZDF so konzipiert, um Staatsfunk zu sein. Und weil das nicht funktioniert hat, hat man halt jetzt die letzten 50 Jahre genutzt, ARD und ZDF doch zum Staatsfunk zu machen, indem man einfach die entscheidenden Stellen besetzt hat, indem man auch zum Beispiel bewährte Leute als Regierungssprecher geholt hat, als Ministeriumssprecher geholt hat und so weiter, also diese Verflechtungen herbeigeführt hat und, um hier auch mal auf die Fragen zu antworten, es ist nicht der Sinn, dass mit den Gebühren der Gebührenzahler einseitig Programm gemacht wird zu Gunsten der Regierung. Es sollte eigentlich viel breiter gestreut, viel kontroverser diskutiert werden. Man sieht das ja: Karl Lauterbach war, glaube ich, mittlerweile gefühlt 150-mal bei Markus Lanz, ein Professor Bhakdi, ein Dr. Wodarg, andere prominente Vertreter der anderen Auffassung sind nicht ein einziges Mal dort gewesen.

Critical News: Wann sind Befangenheitsanträge juristisch zulässig und begründet? Wie lange braucht so ein Antrag im Allgemeinen, wenn dieser in die Beschwerde geht? Und: Haben Sie es bereits in von Ihnen geführten Verfahren erreicht, dass ein Richter aufgrund des von Ihnen erhobenen Vorwurfs der Befangenheit durch einen Kollegen ersetzt werden musste?

Rechtsanwalt Ralf Ludwig: Das hatte ich schon, aber vor der Corona-Zeit. Das gibt es schon mal in ganz, ganz seltenen Fällen. Der Weg ist erst einmal folgender: zunächst einmal, habe ich ja vorhin schon mal gesagt, man äußert die Besorgnis der Befangenheit. Da heißt, wenn es so scheint oder den Eindruck erweck, dass ein unbefangener Dritter den Eindruck haben muss, dass der Richter, wie er handelt, nicht mehr unbefangen ist. Da gibt es bestimmte absolute Gründe. Das ist eben zum Beispiel, wenn eine Partei verwandt ist mit dem Richter oder wenn sie eng befreundet sind oder wenn der Richter mit der Sache schon vorbefasst ist. Also, wir stellen uns vor: ein Richter am Amtsgericht macht ein Urteil; wir gehen in Berufung. Dann wird der Richter in dieser Zeit zum Landgericht versetzt, kommt ans Landgericht und kriegt sein eigenes Urteil als Berufung auf den Tisch und soll darüber jetzt entscheiden. Dann ist klar, dass er da nicht die nötige Distanz hat, um zu prüfen, ob er in der ersten Instanz das Richtige gemacht hat. Das sind absolute Befangenheitsgründe. Da kann man dann davon ausgehen, dass der Richter tatsächlich befangen ist. Ansonsten ist es dann die Besorgnis der Befangenheit, das heißt, wenn der Richter den Eindruck vermittelt, eine Partei besonders zu bevorzugen oder eine Partei besonders zu benachteiligen – aus sachfremden Gründen, nicht aus juristischen Gründen; er darf natürlich seine juristische Auffassung äußern und darf sagen: nach meiner vorläufigen Auffassung wird das Verfahren sich in diese Richtung entwickeln, aber grundsätzlich ist dann das der Fall, wenn der Richter eben Menschen anbrüllt, wenn er sie niedermacht, wenn er irgendwelche bösen Sachen sagt und so weiter. Dann besteht die Besorgnis der Befangenheit. Oder wenn er selber von der Sache betroffen ist; wenn der Richter etwa über einen Grundstücksstreit entscheiden muss, wo seine Tochter, sein Sohn oder er selber beteiligt ist. Das ist, was ich vorher auch meinte mit den Oberverwaltungsgerichten.

Die Frage, ob man Abstand halten muss oder Maske tragen muss, trifft ja jeden Richter, einen Richter in Sachsen oder hier sind wir bei Critical News, da sind wir in Niedersachsen, ein Richter in Niedersachsen, der jetzt auf einmal entscheiden muss, ob das Maskenmandat, die Abstandsregelung rechtmäßig ist oder nicht, ist im Prinzip per se befangen, weil er ja über seine eigene Situation entscheidet. Wenn er wieder vor das Gericht geht, ist ja gerade seine Entscheidung die wesentliche Entscheidung dafür, ob das, was draußen vor der Tür passiert, richtig ist oder falsch ist, und damit ist er ja natürlich persönlich betroffen. Auch, wenn zum Beispiel sein eigenes Kind zur Schule geht und er jetzt entscheiden muss, allgemein, ob die Regeln in der Schule rechtmäßig sind. Also hier haben wir jedenfalls einen schwierigen Bereich, dass die Richter, da es sich ja unmittelbar verwirklicht, von den Maßnahmen betroffen sind und damit würde ich sagen, besteht da in jedem Fall eine Befangenheitssituation. Das heißt, eigentlich müsste jeder Richter in Niedersachsen, der in Niedersachsen lebt auch, und über die Maßnahmen entscheiden muss, müsste sich selbst wegen Befangenheit ablehnen. In den meisten Fällen führt das nicht zum Erfolg. Da müssen wir vorsichtig sein; wir stellen zwar häufige solche Anträge auf Ablehnung des Richters oder der Gerichtsperson, weil das häufig dazu führt, dass ein Richter, der tatsächlich schon befangen ist, aber natürlich, weil in dem System diese Befangenheit nicht festgestellt wird, der wird sich ab diesem Moment, wo dieser Antrag gestellt wird, zurücknehmen. Das ist mehr oder weniger ein Warn- oder Ordnungsruf an den Richter: Kommen Sie bitte wieder in die Funktion der Justitia und nicht in die Funktion der Person, die Sie gerade sind. Nehmen Sie sich etwas zurück und versuchen sich zumindest neutral, juristisch neutral zu agieren. Deswegen ist ein Befangenheitsantrag häufig nicht der Falscheste, auch wenn er nicht erfolgreich ist, weil er zumindest dem Richter zumindest noch eine Warnaktion zeigt: Achtung, was hier gerade passiert, ist offensichtlich nicht im Sinne der Justitia neutral.

Critical News: Gibt es noch irgendwas, was Sie den Lesern bzw. Hörern mitteilen wollen?

Rechtsanwalt Ralf Ludwig: Ja. Sie sind ja auch jemand, der sehr kritisch ist und viele Fragen stellt, und wir sind ja auch heute erst zusammengekommen, weil ich beim letzten Mal viele Fragen… Die Problematik ist einfach, dass so viele juristische Fragen auf einmal stellen, die seit 2020 anders beantwortet werden als sie davor beantwortet worden sind. Und viele gerade Ihrer Leser und Zuschauer fragen sich natürlich: warum dauert das alles so lange? Und ich versuche gerade überall, wo ich auftrete, zu sagen, das ist normal. Wir haben eine Situation: in den Eilverfahren haben sich die Gerichte entschieden, nicht mehr im Sinne der Bürger und nicht mehr im Sinne des Grundgesetzes zu entscheiden. Das heißt also: diese Grundnorm „Zero Covid“ ist über alles gesetzt. Das heißt: die Würde des Menschen ist unantastbar, die eigentlich in Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz steht, steht zumindest in den Eilverfahren nicht mehr über allem, sondern steht unter dem Wunsch, dem politischen und juristischen Wunsch, Zero Covid zu erreichen. Deshalb können wir die Eilverfahren im Wesentlichen nicht gewinnen, müssen sie aber dennoch führen. Wir kommen jetzt nach und nach in die Hauptsacheverfahren. In den Hauptsachverfahren dreht sich das Ganze. Wir haben viel mehr Erfolge in den Hauptsacheverfahren. Die Gerichte müssen jetzt auf einmal Sachverständigengutachten einholen, sie müssen Dinge prüfen. Jetzt wird auf einmal geprüft: gibt es überhaupt im Außenbereich eine Ansteckung? Gab es jemals eine Gefahr, sich draußen anzustecken? Wahrscheinlich nein. Das heißt, sämtliche Maßnahmen, die getroffen wurden, das heißt Maske, Abstände und so weiter im Außenbereich, werden sich als rechtswidrig erweisen. Aber das dauert. Diese Verfahren dauern. Die deutsche Justiz war vorher schon langsam und ist jetzt noch viel langsamer, und dann ist es ja so, dass wir darauf aufbauend erst gucken, wer hat sich möglicherweise schuldig gemacht mit diesen Maßnahmen, wer hat möglicherweise mehr Wissen gehabt und dieses Wissen nicht angewandt, weil es politisch vielleicht opportun erschien, diese Maßnahmen zu machen, weil man damit einfach leichter regieren konnte. Das heißt also diese Verfahren dauern, das kostet viel Zeit und wir müssen einfach geduldig sein und müssen uns geduldig ansehen, was da passiert. Wir gehen Schritt für Schritt vorwärts und werden am Ende das Ganze – da bin ich mir sehr sicher – das Ganze auch zum Erfolg bringen. Sie begleiten das Ganze kritisch, Sie greifen das ja auch auf, bereiten auch sehr viel auf. Es sind aber sehr viele Fragen; was ich halt sagen will: es wird seine Zeit lang dauern. Wir müssen immer wieder in regelmäßigen Abständen ein Update bringen und fragen: wo stehen wir eigentlich gerade?

Critical News: Dann bedanke ich mich für das Interview.

Rechtsanwalt Ralf Ludwig: Danke auch

Critical News: Ich hoffe, dann bis zum nächsten Mal.

Rechtsanwalt Ralf Ludwig: Tschüss

Critical News: Tschüss


[1] Ralf Ludwig ist Rechtsanwalt in Leipzig und wurde 1972 in Osterode am Harz / Niedersachsen geboren. Er ist Mitbegründer der Partei „Widerstand 2020“, der Klagepaten als Unterstützung für Personen, die von den Coronamaßnahmen geschädigt wurden und Mitbegründer der „Anwälte für Aufklärung“.

[2] Elmar Otto „Corona-Urteil: Weimarer Amtsrichter sieht keinen Befangenheitsgrund“ in „Thüringer Allgemeine“ vom 25.01.2021 um 16:16 Uhr. Aufzurufen unter https://www.thueringer-allgemeine.de/politik/corona-urteil-weimarer-amtsrichter-sieht-keinen-befangenheitsgrund-id231405135.html, zuletzt aufgerufen am 07.02.2021 um 20:40 Uhr.

[3] Prof. Dr. Stephan Harbarth wurde 1971 in Heidelberg geboren, ist seit Juni 2020 Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Von 2009 bis 2018 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und von 2016 bis 2018 Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Seit 2018 ist er auch Honorarprofessor an der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Siehe „Prof. Dr. Stephan Harbarth, LL.M. (Yale)“ auf „bundesverfassungsgericht.de“. Aufzurufen unter https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Richter/Erster-Senat/Praesident-Prof-Dr-Harbarth/praesident-prof-dr-harbarth_node.html, zuletzt aufgerufen am 24.06.2021

[4] dpa "Letztinstanzliche Urteile. Gerichte verbieten "Querdenken"-Demos" auf "tagesschau.de" vom 05.12.2020 um 13:46 Uhr. Aufzurufen unter https://www.tagesschau.de/inland/querdenken-107.html, zuletzt aufgerufen am 07.02.2021 um 20:54 Uhr

[5] Ernst Fraenkel war ein deutsch-amerikanischer Jurist und Politikwissenschaftler, der von 1898 bis um 1975 lebte. Von ihm stammt u. a. eine 1940/1 erschienene Studie über den „Doppelstaat“ der Nationalsozialisten.

[6] Hanna Arendt (1906 bis 1975) war eine Jüdin mit deutsch-amerikanischen Wurzeln. Sie war sowohl publizistisch als auch politisch tätig. Nachdem sie 1933 selbst vorübergehend von der GESTAPO inhaftiert wurde, verließ sie das Land und nahm später die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an. Besondere Aufmerksamkeit erregte sie im Jahre 1951 mit ihrem Buch „The Elements of Totalitarianism“ (1955 auf Deutsch: „Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft“), in dem sie u. a. grundlegende Gemeinsamkeiten von Stalinismus und Nationalsozialismus herausarbeitete.

[7] Suspendierter Bundespolizist, der zunächst am 11.04.2020 mit einem Kollegen an einer Zwei-Mann-Demo teilnahm und sich am 19.07.2020 aufgrund seines Asthmas einem Kollegen widersetzte, der von ihm das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung verlangte. In diesem Zusammenhang sei ihm auch von einem Kollegen eine nicht zutreffende Nähe zu Reichsbürgern unterstellt worden. All dies zusammen führte zu einem Disziplinarverfahre. Nach der Rückkehr zum Dienst am 18.08.2020 kam es nach dem ersten Gespräch mit den Vorgesetzen zu einer Remonstration gegen eine direkte schriftliche Dienstanweisung. Mehr hierzu siehe „Remonstration eines Polizisten – Teil 2. Bundespolizist Markus Schlöffel zu seiner Remonstration“ auf „klagepaten.eu“ vom 05.04.2021. Aufzurufen unter https://www.klagepaten.de/article/remonstration-eines-polizisten-teil-2-bundespolizist-markus-schloeffel-zu-seinem-fall-kptv, zuletzt aufgerufen am 24.06.2021

[8] Siehe z.B. https://www.nordkurier.de/politik-und-wirtschaft/linke-querdenken-hasser-wollen-es-nicht-wahr-haben-2842234601.html?amp&__twitter_impression=true

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