Kunden unterschätzen gerne den Wert ihres Hausrates. Dies kann verschiedene Gründe haben.
So wird etwa oft der Wert von Bekleidung, Büchern, CDs oder anderen Medien außer Acht gelassen oder nur mit einem überschlägigen Zeitwert eingeordnet. Eine Hausratversicherung sieht allerdings Schutz für versicherte Sachen zum Neu- oder Wiederbeschaffungswert vor. Es mag also sein, dass ein bestimmtes Buch auf dem Flohmarkt nur noch mit einem Euro gehandelt wird, es im Laden aber mittlerweile 20 Euro kostet. Für den Versicherungsschutz spielt es keine Rolle, ob Sie tatsächlich durch einen Schaden zerstörte oder abhandengekommene Sachen neu erwerben oder sich lediglich den Geldwert auszahlen lassen.
Kein Ersatz für nicht anfallende Mehrwertsteuer
Fällt in der Praxis keine Mehrwertsteuer an, hat der Versicherungsnehmer lediglich Anspruch auf den Nettoauszahlungswert (siehe Urteil des LG Stade vom 01.12.2020, Az.: 3 O 28/20), also ohne die tatsächlich nicht angefallene Steuer[1].
In den Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) heißt es hierzu (VHB 2022 – Quadratmetermodell, Stand 11.2023):
„A 17.2 Mehrwertsteuer
Die Mehrwertsteuer wird nur ersetzt, wenn und soweit sie anlässlich der Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung tatsächlich angefallen ist.
Sie wird nicht ersetzt, wenn der Versicherungsnehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.“
Übersehen wird vielfach, dass man nicht nur selbst, sondern auch andere Haushaltsangehörige neue Dinge angeschafft haben können. So zählt selbstverständlich auch das Spielzeug der Kinder oder die Autogrammsammlung des Partners zu den versicherten Sachen.
Wertzuwachs oft unterschätzt
Ein besonderes Problem stellen Wertsachen dar. So sind etwa die Preise für Gold, Silber und andere Edelmetalle in den vergangen Jahren stark gestiegen. Kettner Edelmetalle äußerte sich hierzu wie folgt:
„Insbesondere bei langfristiger Betrachtung sind die Kurssteigerungen des Goldpreises signifikant. Innerhalb der letzten 12 Monate ist der Goldpreis um mehr als 28 % gestiegen.
Während der letzten 5 Jahre hat sich der Preis sogar beinahe verdoppelt. Regelmäßige Anpassungen der Versicherungssumme sind daher unabdingbar, um im Schadensfall den vollen Wert erstattet bekommen zu können.“
Nicht immer wird jedoch die dem Vertrag zugrundeliegende Versicherungssumme ebenfalls entsprechend angepasst. Dabei gilt: auch Wertsachen sind im Rahmen der Versicherungssumme in vollem Umfang zu berücksichtigen.
Goldpreisentwicklung, Stand 22.04.2024 um 21:16 Uhr
Über die Wertermittlung von Briefmarken
Nicht immer einfach ist auch die Bewertung von Briefmarken. Sollen diese erst nach dem Eintritt eines Schadens bewertet werden, so ist dies vielfach nicht mehr möglich. Ein Sachverständiger für Briefmarken, der jedoch an dieser Stelle nicht benannt werden möchte, äußerte sich dahingehend, dass wertabhängige Gutachten unseriös seien. Ein vereidigter Sachverständiger solle vielmehr vorab seinen Preis benennen. Ein angemessener Preis für die Bewertung eines Konvoluts von 15 Briefmarkenalben läge bei etwa 90 bis 200 Euro.
Die meisten neueren Briefmarken hätten kaum einen echten Wert. Deutlich wertvoller seien möglichst vollständige Sammlungen mit vielen Marken aus der Zeit vor 1955. Ein gutes Indiz für einen hohen Wert einer Sammlung sei es, wenn der Sammler Mitglied eines Briefmarkenvereins sei. Noch besser sei es, wenn dieser seine Schätze auch auf Ausstellungen der Öffentlichkeit präsentiere. Professionelle Sammler hätten zudem meiste Alben, in denen die einzeln Marken bereits als Bilder vorgedruckt seien, so dass sie sich leichter zu einer vollständigen Sammlung zusammentragen ließen.
Indiz für eine eher wertlose Sammlung sei es, wenn die Briefmarken von einem Briefmarkenversand bezogen würden. Der Experte gab auch an, dass gerade Frauen vor allem Wert auf schöne Bilder legen würden, während Männer diesen Weg nicht gehen würden.
Bei einigen Ländern seien vor allem ganze, korrekt frankierte Briefe von hohem Wert, die innerhalb der jeweiligen Länder oder von dort ins Ausland verschickt worden seien. So hätten etwa die Vereinigten Arabischen Emirate früher sogar 3D-Briefmarken gehabt.
Inflation nicht zu vergessen
Auch bei normalem Hausrat besteht das Risiko, dass Kunden Wertsteigerungen unbeachtet lassen. Wer sich einmal seine Einkäufe (auch Teil des Hausrates) auf einem Bon des Jahres 2020 ansieht und mit den Preisen für die gleichen Dinge des Jahres 2024 vergleicht, dürfte schnell feststellen, dass eine prall gefüllte Speisekammer in den letzten vier Jahren deutlich an Wert zugenommen hat.
Natürlich zählen auch solche Sachen zum versicherten Hausrat, die beim Stadtbummel oder im Ausland erstmals erworben werden und erst noch zum Versicherungsort verbracht werden sollen. Rechtsanwalt Lars Krohn bringt dies auf den Punkt:
„Es besteht kein Versicherungsschutz, wenn Geld auf einer Reise ausgegeben werden soll, LG Köln RuS 2012, 343, es sei denn, es sollen Gegenstände erworben werden, die in die versicherte Wohnung geschafft werden sollen, LG Köln RuS 1992, 63.
Hier: Kaution für Bootmiete versichert“[2]
In seinem Urteil vom 23.10.2008 (Az. 24 S 19/08) vertrat das Landgericht Köln die Ansicht, dass Geld dann versichert sei, wenn es zunächst dazu bestimmt gewesen sei, irgendwann wieder an den Versicherungsort zu gelangen.
Jörg Lemberg, Jurist und Autor des Werkes „Hausratversicherung“ von Lemberg/Luksch, 3. Auflage 2024 beim Verlag Versicherungswirtschaft, gibt folgenden Hinweis zur Rechtsbewertung:
„Dietz [3]und Martin[4] haben seinerzeit in ihren Standardwerken aus gutem Grund dafür plädiert, die Regelung der Außenversicherung in Bezug auf Bargeld weit auszulegen, also großzügig im Sinne des Versicherungsnehmers. Sie lehnen allesamt eine Bewertung des Bargeldes danach, ob es jemals an den Versicherungsort gelangen sollte, ab.“ So sah es im Übrigen auch das OLG Zweibrücken[5] in seiner Entscheidung vom 3.11.89. Dies macht auch Sinn, denn kein auch noch so verständiger Versicherungsnehmer würde jemals damit rechnen, dass nach einem Raub einzelne Geldbeträge deshalb wieder abgezogen werden, weil diese nie dafür gedacht waren, jemals an den Versicherungsort gebracht zu werden. Vielmehr wird ein verständiger Versicherungsnehmer davon ausgehen dürfen, dass es mit den Kürzungen aufgrund der Regelung zur Außenversicherung und aufgrund der Aufbewahrung außerhalb eines Stahlschrankes nun auch mal genug der Kürzungen ist. Alle weitere Kürzungen aufgrund der rückblickenden Zweckbestimmung des Geldes, sind für den Versicherungsnehmer vollkommen intransparent. Oder anders formuliert: möchte ein Versicherer nur dasjenige Geld über die Außenversicherung versichern, das auch irgendwann an den Versicherungsort gebracht werden soll, so möge er diese zusätzliche Einschränkung bitte ausdrücklich in seinen AVB festhalten.“
Mitunter wird in Versicherungsschulungen irreführend behauptet, dass Gegenstände, die noch nie am Versicherungsort waren, unversichert seien.
Individuelle Wertermittlung kostenspielig
Die wenigsten Versicherungsvermittler oder Kunden dürften den Wert eines individuellen Hausrats exakt einschätzen können. In der Praxis bietet sich vor allem eine überschlägige Wertermittlung an. So könnte man etwa für ein durchschnittliches Buch oder T‑Shirt einen Wert von 20 Euro ansetzen, für eine Hose je nach Markenaffinität des Kunden 75 Euro oder auch 150 Euro. Einzelne, besonders wertvolle Stücke sollten natürlich separat bewertet werden. Für spezielle Wertsachen, antike Möbel oder bestimmte Musikinstrumente kann es sinnvoll sein, sich ein individuelles Wertgutachten erstellen zu lassen.
Wer wirklich „auf Nummer sicher“ gehen möchte, könnte auch erwägen, einen Sachverständigen zur professionellen Bewertung seines Hausrates anzusprechen. Hier liegen die Prämien schnell zwischen 100 Euro und 180 Euro je Stunde[6]. Wer also das gesamte Inventar einer durchschnittlich großen Wohnung derart bewerten lassen möchte, zahlt schnell viele tausend Euro. Dies dürfte in der Praxis nur für sehr hochwertigen Hausrat einiger weniger Kunden Sinn machen. Hinzu kommt, dass ein aussagekräftiges Sachverständigengutachten stets nur eine Momentaufnahme sein kann. Aus diesem Grunde gewähren viele Versicherer ihren Kunden ab einer bestimmten Schadenhöhe die Übernahme der Kosten auch für einen von ihnen selbst bestimmten Sachverständigen.
Abzug bei möglicher Unterversicherung vermeidbar
Stellt sich im Schadenfall heraus, dass die vereinbarte Versicherungssumme zu gering ermittelt wurde, nennt der Versicherer dies eine Unterversicherung. Es steht ihm dann eine Kürzung der Versicherungsleistung zu. Beträgt der Gesamtwert des Hausrates beispielsweise 100.000 Euro und es wurden nur 80.000 Euro als Versicherungssumme vereinbart, so steht dem Versicherer grundsätzlich ein Recht auf Kürzung der Leistung um diese 20 % zu. Der Versicherer bietet allerdings zwei Optionen, um eine solche Kürzung zu vermeiden:
Versicherer gewähren Ihren Versicherten einen so genannten Unterversicherungsverzicht, wenn der Versicherungsnehmer eine definierte Mindestsumme je Quadratmeter Wohnfläche versichert hat. Aktuell wird auf eine Kürzung meist dann verzichtet, wenn eine Summe von mindestens 650 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche vereinbart wurde. Es gibt aber auch Anbieter, die 700 Euro pro Quadratmeter aufrufen.
Eine zweite Option, die die meisten Unternehmen vorsehen, bietet die so genannte „Vorsorgedeckung“. Diese erhöht die vereinbarte Versicherungssumme im Schadenfall um einen gewissen Prozentsatz, um zwischenzeitliche Preissteigerungen sowie Neukäufe abzusichern.
Beispiel:
Die Versicherungssumme beträgt wie im einführenden Beispiel 80.000 Euro, die Vorsorgedeckung 20 %. In diesem Fall findet ein Abzug wegen Unterversicherung erst dann statt, wenn der tatsächliche Versicherungswert über 96.000 Euro (80.000 Euro zzgl. 20 % Vorsorge) liegt. Bei einem angenommenen Versicherungswert von 100.000 Euro, steht dem Versicherer also nur noch ein Recht auf Kürzung der Leistung um 4 % zu. Dieses Recht gilt bei fehlendem Unterversicherungsverzicht sowohl für kleine wie auch für große Schäden.
Hat ein Kunde eine zu hohe Versicherungssumme abgeschlossen, so spricht man von einer Überversicherung. Eine solche bedeutet für den Versicherungsnehmer, dass er dauerhaft eine zu hohe Prämie zahlt. Versicherungsschutz besteht aber dennoch nur in Höhe des im Schadenfall ermittelten Versicherungswertes.
Nachweispflichten im Schadensfall
Der Nachweis des konkret entstandenen Schadens obliegt dem Versicherungsnehmer. Maßgeblich hierfür ist § 31 VVG:
„§ 31
Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers
(1) 1Der Versicherer kann nach dem Eintritt des Versicherungsfalles verlangen, dass der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist. 2Belege kann der Versicherer insoweit verlangen, als deren Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet werden kann.
(2) Steht das Recht auf die vertragliche Leistung des Versicherers einem Dritten zu, hat auch dieser die Pflichten nach Absatz 1 zu erfüllen.“
Das Gesetz schränkt also die Nachweispflichten derart ein, dass nicht alle denkbaren, sondern nur die erforderlichen und zumutbaren Belege vom Versicherungsnehmer beizubringen sind. Brennt etwa ein komplettes Haus ab, wird der Betroffene in vielen Fällen nur eingeschränkten Zugriff auf seine Versicherungsunterlagen, Kaufbelege, Quittungen, Fotos oder sonstigen Nachweise besitzen. Bei einem Einbruchdiebstahl hingegen geschieht es oft, dass Täter dezidiert nur solche Dinge stehlen, die sich möglichst schnell auf dem Schwarzmarkt veräußern lassen. Dann lassen sich Werte in der Regel deutlich einfacher nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Gerade Kontoauszüge können im Einzelfall sehr hilfreich sein, die konkrete Schadenhöhe glaubhaft zu machen.
Zur Zumutbarkeit der Beschaffung von Belegen äußerte sich auch Dr. Christian Armbrüster in seiner Kommentierung zum § 31 VVG in einer auf die Hausratversicherung übertragbaren Art und Weise:
„Soweit die Auskunftspflicht in der Beibringung von Belegen schriftl. Unterlagen, wie Geschäftsbüchern, Bilanzen, Inventuren (nicht: VersSchein, LG Göttingen VersR 1952, 313, 315) – besteht, ist sie durch Abs. 1 S. 2 durch das Merkmal der Zumutbarkeit eingeschränkt. Auf die Organisation, die Buchführung des versicherten Betriebes muss bei der Einforderung von Belegen Rücksicht genommen werden. Ein Fabrikant oder Großhändler kann nicht zu jeder beliebigen Zeit des Geschäftsjahres seinen Warenbestand nach Zahl, Gattung und Preis ziffernmäßig genau aus seinen Büchern feststellen (Nürnberg VA 1927 Nr. 1696, vgl. auch LG Kiel VersR 1972, 871 f.: Tierhandlung).“[7]
Kleine Kinder haben eine andere Perspektive
Hilfreich für den Schadensfall ist es, Wertgutachten von teuren Einzelstücken (z. B. Schmuck, Musikinstrumente) sowie Fotos oder Videos an einem sicheren Ort außerhalb der versicherten Wohnung aufzubewahren. Dies kann z. B. der Wertschutzschrank einer Bank ebenso sein wie ein sicherer Ort in der Wohnung von Eltern oder Geschwistern. Inwiefern es angeraten ist, Belege in einem Cloudspeicher aufzubewahren, sollte im Hinblick auf mögliche Cyberrisken zumindest kritisch hinterfragt werden.
Dabei kann es sinnvoll sein, dass Sie die Kamera auch Ihren ggf. vorhandenen Kindern geben, da diese auf ganz andere Dinge achten; schließlich gehören unter anderem auch Spielsachen oder Bilder an den Wänden der Wohnung des Versicherungsortes zu den versicherten Sachen.
Wie bewertet man Schmuck?
Die meisten Haushalte besitzen zumindest einige Schmuckstücke. Nicht selten handelt es sich dabei um Geschenke, Erbstücke oder „Schnäppchen“ vom Flohmarkt. Zum Teil werden Stücke aber auch im Auftrag eines Partners eigens durch einen Juwelier angefertigt. Vielfach haben Kunden zu solchen Preziosen eine hohe emotionale Bindung, da es sich um ein Luxusgut handelt, das auf der Haut getragen wird, aber anders als Parfüm nicht nach kurzer Zeit verdunstet ist.
Sowohl bei der Bestimmung der angemessenen Versicherungssumme wie auch im Schadenfall kann es sinnvoll sein, den Wert der eigenen Schmuckschatulle zu kennen.
Der Schmuckgutachter Axel Thierfelder von „Der-Schmuckgutachter.de“ erläutert hierzu die Möglichkeiten einer Wertermittlung. Komme Schmuck infolge eines Einbruchdiebstahls abhanden, gäbe es meist höchstens Kaufquittungen oder Fotos der gestohlen Gegenstände. Dann fertige der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige auf Basis glaubhafter Schilderungen der Diebesopfer Wertgutachten sowie (falls keine Fotos vorhanden sein sollten) Zeichnungen der Schmuckstücke an. Die entsprechenden Skizzen könnten dann auch der Polizei bei der Suche nach dem Diebesgut helfen.
Von den Kosten eines Schmuckgutachtens
Im Vorfeld zu einem Schaden lasse sich ein Wertgutachten natürlich deutlich einfacher erstellen. Hier gäbe es zwei Wege für die Wertermittlung. Zunächst könnten die Juwelen natürlich von einem zertifizierten Transportunternehmen zum Schmuckgutachter geschickt werden (als besonderen Service biete Thierfelder auch eine versicherte Abholung an), denn diese sollten in natura gesichtet und bewertet werden. Einen anderen Weg stellten Fotos, gegebenenfalls vorhandene Kaufquittungen sowie weitere Angaben des Klienten dar. Dabei fertige Thierfelder für seine Kunden in der Regel keine Gutachten für Silberschmuck, sondern nur für Gegenstände aus Gold an. Dies liege an den mit einem Gutachten verbunden Kosten.
Beispielsweise gäbe der Kunde für eine Goldkette ein Gewicht von 20 Gramm an. Anhand von Erfahrungswerten zum Goldgehalt sei hier ein tatsächlicher Feingoldgehalt von 11,7 Gramm anzunehmen. Das restliche Material besteh dann meist aus Silber und Kupfer. Je nach Verarbeitung ergäbe sich dann über den Edelmetallgehalt hinaus ein unterschiedlich hoher Marktwert zum Zeitpunkt des Diebstahls. Handele es sich nur um ein einzelnes Schmuckstück, so dürfe ein Interessent laut Thierfelder etwa 160 Euro für ein solches Gutachten veranschlagen. Würden hingegen mehrere Preziosen gleichzeitig begutachtet, so könne ein Preis von etwa 90 bis 100 Euro je Kette angesetzt werden. Dies liege an dem Aufwand der erstmaligen Einrichtungszeit für ein neues Gutachten.
Bei der Wertermittlung kämmen neben konkreten Erfahrungswerten und dem jeweiligen Edelmetallgehalt auch andere Faktoren zum Tragen.
Vom Sparen am falschen Ende
Immer wieder komme es vor, dass Kunden den finanziellen Aufwand für ein qualifiziertes Schmuckgutachten scheuen und sich lieber den Wert ihrer Ware von der Verkäuferin in der Schmuckabteilung des Kaufhauses, ihrem Juwelier oder einem befreundeten Goldschmied bescheinigen lassen. Im Schadenfall würden solche Gutachten von Versicherern oft als Gefälligkeitsgutachten angesehen, denen die fachliche Expertise fehle. Immer wieder komme es vor, dass Thierfelder selbst von Versicherungen als Plausibilitätsgutachter beauftragt werde, um seinerseits die Bewertung von Schmuckstücken, Münzen oder anderen Wertsachen vorzunehmen.
Eine Bewertung anhand von Bildquellen sei in der Praxis nicht immer unproblematisch. So könne man Modeschmuck im Zweifel nur haptisch von Echtschmuck unterscheiden. Ein weiteres Problem stellten Sammlermünzen dar. Oft würden diese in Internetbörsen oder anderweitigen Kollegen mit einem Sammlerwert ausgewiesen, der deutlich über dem Materialwert läge. Gleichwohl könne es z. B. vorkommen, so Thierfelder, dass etwa eine 5‑DM-Münze als Einzelstück einen Sammlerwert von beispielsweise 170 Euro aufweise. Für eine exakte Bewertung von Münzen über den Materialwert hinaus empfehle er jedoch die Expertise eines öffentlich bestellten und vereidigten Numismatikers. Er habe allerdings seine Zweifel, ob es einen solchen in Deutschland überhaupt gäbe.
Schwer unterscheidbare Imitate
Auf Alibaba oder anderen Plattformen würden Thierfelder zufolge immer wieder Goldbarren als Imitate angeboten werden. Unter einer dicken Schickt echten Goldes verberge sich dann vielfach ein Kern aus Wolframgranulat. Aufgrund der ähnlichen Dichte beider Materialien könne er den Unterschied de facto nur durch Aufschneiden solcher Barren erkennen, was aber für die Praxis wenig realistisch sei.
Auch, wenn solche Waren aktiv als Fälschungen beworben würden, hindere das deren Erwerber natürlich nicht daran, diese an Dritte als echtes Edelmetall weiterzuverkaufen. Aus diesem Grunde kaufe Thierfelder auch keine Barren über 10 Gramm auf. Einen aktiven Handel mit Barren betreibe er daher nicht.
Münzen kaufe und bewerte Thierfelder meist nur als Konvolut. Eine einzelnen Bewertung solcher Stücke sei mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden und erfolge daher nicht. Mitunter erhalte er ganze Schuhkartons mit Münzen zur Bewertung vorgelegt.
Korrekt Wertermittlung von Hausrat mit großem Aufwand verbunden
Viele Versicherer bieten ihren Kunden spezielle Wertermittlungsbögen zur Wertbestimmung des vorhandenen Hausrats an. Als Orientierungshilfe sind solche Listen sehr nützlich, doch gerade große Haushalte mit vielen Zimmern und wenigen Umzügen in der Vergangenheit lassen sich kaum umfassend erfassen. Wer es sehr genau nehmen wollte, ‚müsste nicht nur jede Konservendose, sondern auch jede Büroklammer und jedes Buch erfassen und regelmäßig den Neuwert dieser Dinge aktualisieren.
Was Versicherungsschutz zum Neuwert bedeutet
In jedem Fall muss der Versicherungsnehmer im Schadenfall dem Versicherer eine möglichst vollständige Schadenaufstellung zukommen lassen, wobei Bons und andere Einkaufsbelege neben Foto- und Videomaterial sicher hilfreich sein können. Oft werden solche Belege nicht vorhanden sein. Dann sollte der Versicherungsnehmer sein Gedächtnis anstrengen und möglichst genaue Angaben zu Erwerbsdatum sowie Anschaffungspreis machen.
Dabei ist zu beachten, dass im Schadenfall der Neuwert der versicherten Sachen, nicht jedoch der Zeitwert ersetzt werden muss. Wer also vor wenigen Jahren noch seine 500 Blatt Kopierpapier für 2,50 Euro kaufen konnte, sollte nicht vergessen, dass diese im April 2024 mitunter schon weit über 6,00 Euro kosten können. Personen, die oft auf Reisen sind, kaufen ihre T‑Shirts oder Souvenirs mitunter zu Beträgen von unter einem Euro bis hin zu nur wenigen Euros; bei der Wiederbeschaffung kommen dann jedoch gegebenenfalls um ein Vielfaches höhere Neuwerte zum Tragen.
[1] Siehe dazu ausführlich Jöhnke, Björn Thorben M. „Kein Erstattungsanspruch für nicht angefallene Mehrwertsteuer bei entsprechender Klausel (LG Stade)“ auf „joehnke-reichow.de“. Aufzurufen unter https://joehnke-reichow.de/2021/10/16/wohngebaeudeversicherung-kein-erstattungsanspruch-fuer-nicht-angefallene-mehrwertsteuer-bei-entsprechender-klausel-lg-stade/, zuletzt aufgerufen am 02.04.2024.
[2] Krohn, Lars „Landgericht Stade, Urteil vom 11.08.2021 – 3 O 71/20“ in „Wichtige und aktuelle Rechtsprechung zur Sachversicherung“, S. 5 auf kanzlei-michaelis.de. Aufzurufen auf https://kanzlei-michaelis.de/wp-content/uploads/2021/09/2021_1309_2_SachversR13_09LK.pdf, zuletzt aufgerufen am 14.03.2024.
[3] Dietz, Horst, Hausratversicherung 84, 2. Auflage, § 12, Rn. 2.2.3.
[4] Martin, Anton, Sachversicherungsrecht, 3. Auflage 92, GV Rn. 28 und 29.
[5] OLG Zweibrücken, Urteil vom 03.11.89, 1 U 221/88.
[6] Siehe z. B. „Kapitel 3. Der richtige Stundensatz“ auf „dgusv.de“. Aufzurufen unter https://www.dgusv.de/gutachter-verband/erfolgreich-als-sachverstaendiger/3‑stundensatz-gutachter-sachverstaendige.php#Verguetung-als-Sachverstaendiger-ohne-gerichtlichen-Auftrag, zuletzt aufgerufen am 14.03.2024
[7] Armbrüster, Christian „§ 31 VVG 10“, S. 346 – 357 in Prölss / Martin „Versicherungsvertragsgesetz mit Nebengesetzen, Vermittlerrecht und Allgemeinen Versicherungsbedingungen.“ München (C. H. Beck), 30. Auflage, 2018, Rn. 43.