2023 lag der Anpassungsfaktor in der Wohngebäudeversicherung bei 24,06[1] und erhöhte sich somit gegenüber dem Vorjahr laut „Versicherungsbote“ um 14,73 %[2]. Für 2024 gab der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) eine Anpassung um 7,5 % bekannt[3], per Rundschreiben an die Mitgliedsunternehmen vom 29.08.2023 einen berechneten Wert von 25,87171, gerundet auf 25,87[4].
Der Anpassungsfaktor dient im Rahmen der gleitenden Neuwertversicherung dazu, sicher zu stellen, dass die Kosten, um ein Wohngebäude auch nach einem Totalschaden wieder aufzubauen, stets vollständig abgesichert sind.
Berechnungsgrundlagen
Grundlage für die Berechnung des Anpassungsfaktors sind zu 80 % der „Baupreisindex für Wohngebäude“ sowie zu 20 % der „Tariflohnindex für das Baugewerbe“, die jeweils vom Statistischen Bundesamt bekannt gegeben werden. Die maßgeblichen Indexwerte betrugen für die Jahre 2022 sowie 2023 laut GDV 147,2 bzw. 160,2 (Baupreisindex) sowie 105,5 bzw. 108,0 (Tariflohnindex Baugewerbe). Der mittlerer Baupreisindex für das Jahr 2022 wurde in Euro mit 1.968,7 angegeben[5] und zuletzt 2023 für den Zeitraum bis einschließlich 2026 auf 2.134,5 angepasst[6].
Grundsätzlich führt eine erhöhte Inflation zu einer Erhöhung der benannten Indizes. Da die Inflation jährlich mal mehr, mal weniger steigt, bedeutet dies, dass der Anpassungsfaktor ebenfalls jährlich um einen gewissen Wert angepasst wird.
Branchenweite Verbandsempfehlung
Der Anpassungsfaktor findet in den Musterbedingungen des GDV Anwendung u. a. bei Tarifen auf Basis des Wertes 1914 in den VGB 2000, VGB 2008, VGB 2010, VGB 2016 sowie VGB 2022, bei Wohnflächentarifen auf Basis der VGB 2008, VGB 2010, VGB 2016 sowie VGB 2022.
Eine Erhöhung des Anpassungsfaktors hat für Versicherte eine Erhöhung der Bruttojahresprämie zur Folge. Geregelt ist eine Prämienanpassung auf Basis des Anpassungsfaktors aktuell in Ziffer A 15.1 der VGB 2022 – Wohnflächenmodell bzw. VGB 2022 – Wert 1914 „Gleitender Neuwert Plus“ des GDV. Die meisten Wohngebäudeversicherer in Deutschland orientieren sich bei der Formulierung ihrer Versicherungsbedingungen an den unverbindlichen Musterbedingungen.
Anpassung des Anpassungsfaktors bedeutet auch Prämienänderung
Basiert ein Vertrag auf einer Versicherungssumme Wert 1914, so dient der Anpassungsfaktor der Umrechnung von Versicherungssumme sowie Entschädigungsleistungen auf das aktuelle Preisniveau in Euro.
Der aktuell versicherte Neubauwert eines Hauses ergibt sich aus der Multiplikation des Wertes 1914 mit dem aktuell gültigen Baupreisindex geteilt durch 100, der Beitrag aus dem vereinbarten Prämiensatz, dem Wert 1914 mal Anpassungsfaktor zuzüglich aktuell geltender Versicherungssteuer (16,34% mit Feuerrisiko bzw. 19% für die Gebäudeversicherung ohne Feueranteil).
Unterscheidung zwischen Teil- und Totalschäden
Man könnte nun auf die Idee kommen, den Wert 1914 einfach mit dem Baupreisindex zu multiplizieren. Hierzu äußern sich Jörg Lemberg und Andreas Luksch in ihrem Buch „Wohngebäudeversicherung“ aus dem Jahre 2023 wie folgt:
„Das würde funktionieren, wenn immer nur Totalschäden eintreten würden, denn im Baupreisindex sind natürlich auch immer die veränderten Löhne für die Erstellung eines neuen Gebäudes unberücksichtigt.
Die Realität sieht aber anders aus, denn die meisten Schäden sind Teilschäden, bei denen Handwerker Reparaturen am Gebäude vornehmen müssen. Mit dem Anteil von 29 % für Lohnkosten im Anpassungsfaktor trägt man diesem erhöhten Anteil von Lohnleistungen Rechnung.“ [7]
Wurde eine Wohngebäudeversicherung als Wohnflächentarif kalkuliert, so bezieht sich der Anpassungsfaktor auf die jährliche Prämienerhöhung je Quadratmeter Wohnfläche.
Maßgebliche Quelle für angebliches Widerspruchsrecht?
Haus & Grund verweist auf eine Warnung des GDV:
„Versicherte haben durch eine solche Beitragsanpassung kein außerordentliches Kündigungsrecht. Denn mit der Anpassung des Beitrages sind auch höhere Leistungen im Schadensfall verbunden. Allerdings können Kunden der Beitragsanpassung widersprechen. Das Gebäude wäre dann jedoch nicht mehr zum gleitenden Neuwert versichert und somit möglicherweise schnell unterversichert, warnt der GDV.“ [8]
Nach den Musterbedingungen des GDV ist das hier benannte Widerspruchsrecht gegen eine Prämienanpassung in Folge eines geänderten Anpassungsfaktors nicht vorgesehen. Dies ergibt sich grundsätzlich auch nicht aus § 40 VVG.
Abweichend hierzu heißt es z. B. bei der INTER Allgemeine Versicherung AG nach § 12 Nr. 2 c) VGB 2008 wie folgt:
„Der Versicherungsnehmer kann einer Erhöhung der Prämie innerhalb eines Monats, nachdem ihm die Mitteilung über die Erhöhung des Gleitenden Neuwertfaktors zugegangen ist, durch Erklärung in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung. Damit wird die Erhöhung nicht wirksam. Die Versicherung bleibt dann als Neuwertversicherung (siehe Abschnitt „A“ § 10 Nr. 1 b)) in Kraft, und zwar zur bisherigen Prämie und mit einer Versicherungssumme, die sich aus der Versicherungssumme „Wert 1914“ multipliziert mit 1/100 des Baupreisindexes für Wohngebäude ergibt, der im Mai des Vorjahres galt.
In diesem Fall gilt ein vereinbarter Unterversicherungsverzicht nicht mehr.
Das Recht des Versicherungsnehmers auf Herabsetzung der Versicherungssumme wegen erheblicher Überversicherung bleibt unberührt.“
Die Annahme einer Beitragsanpassung infolge eines erhöhten Anpassungsfaktors schützt Kunden daher vor einer möglichen Unterversicherung.
Gleichsetzung Anpassungsfaktor und gleitender Neuwertfaktor?
Auf verschiedenen Websites (z. B. Check24[9] oder Wikipedia[10]) wird eine Gleichsetzung von „Anpassungsfaktor“ mit dem so genannten „gleitenden Neuwertfaktor“ sowie dem „Prämienfaktor“ behauptet. So schreibt etwa Check24 auf seiner Website:
„Der gleitende Neuwertfaktor wird jährlich vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) festgelegt und dient der Berechnung des aktuellen Neubauwerts. Er wird auch Anpassungsfaktor beziehungsweise Prämienfaktor genannt. Als Prämienfaktor wird der gleitende Neuwertfaktor in älteren Verträgen der Wohngebäudeversicherung bezeichnet.“ [11]
Tatsächlich ist eine Gleichsetzung von Anpassungsfaktor sowie gleitendem Neuwertfaktor jedoch mit Vorsicht zu genießen, da die Werte zwar nahe beieinander liegen, sich aber durchaus unterscheiden. So benannte z. B. die AVW Unternehmensgruppe für das Jahr 2023 einen „Anpassungsfaktor (ab VGB 2000 / 2002)“ von 24,06 sowie als „Gleitender Neuwertfaktor (SGIN 88/93, VGB 88 und tlw. ab 2008)“ einen Wert von 24,3[12].
Auch die Partnervertriebsdirektion Berlin der Gothaer unterscheidet zwischen einem Beitragsfaktor (Verträge mit Anpassung gemäß SGNI 79a), einem Anpassungsfaktor (VGB/ WEZ 2002, VGB/ WEZ 2008, VGB/WEZ 2014, VGB/WEZ 2018, VGB/WEZ 2019) und einem gleitenden Neuwertfaktor (VGB 88,VGB94, VGB99 sowie SGNI88, SGNI95, SGNI02 und SGNI 08), wobei Beitragsfaktor und gleitender Neuwertfaktor für die Jahre 2022 und 2023 einen identischen Wert aufwiesen, der Anpassungsfaktor jedoch abweichend etwas niedriger ausgewiesen wurde.
Welcher Tarif ist versichert?
Folgt man allein den Ausführungen des GDV, so beziehen sich die drei Begriffe auf jeweils unterschiedliche Tarifgenerationen der unverbindlichen Musterbedingungen:
„Der Anpassungsfaktor wird benötigt für die Prämienberechnung von Wohn‑, Geschäfts– und landwirtschaftlichen Gebäuden, die nach den VGB 2022 / 2016 / 2010 / 2008 / 2000, SGlN 2000, AFB gleitende Neuwertversicherung, VSG bzw. ABL versichert sind. Der gleitende Neuwertfaktor wird benötigt für die Prämienberechnung der genannten Objekte, die nach den VGB 88, SGlN 93 bzw. SGlN 88 versichert sind, und der Prämienfaktor für die Prämienberechnung der genannten Objekte, die nach den SGlN 79a versichert sind.
Der in den SGlN 2000 benannte gleitende Neuwertfaktor wird genau wie der Anpassungsfaktor der VGB 2022 / 2016 / 2010 / 2008 /2000 berechnet, der Einfachheit halber wird daher auf eine separate Benennung verzichtet. Für den Anpassungsfaktor der VGB 2000 wird von einer Gewichtung von 80 % Baupreisindex und 20 % Tariflohnindex Baugewerbe ausgegangen.“ [13]
Die aktuellen Werte für das Jahr 2024 werden vom GDV mit gerundet 26,1 (Prämienfaktor sowie gleitender Neuwert) bzw. mit 25,87 (Anpassungsfaktor) benannt[14].
Beispiel für eine Berechnung des Neubauwertes bei Wohngebäudetarifen
Der aktuell versicherte Neubauwert eines Hauses ergibt sich aus der Multiplikation des Wertes 1914 mit dem aktuell gültigen Baupreisindex geteilt durch 100. Der Beitrag berechnet sich aus dem vereinbarten Prämiensatz, dem Wert 1914 mal Anpassungsfaktor zuzüglich aktuell geltender Versicherungssteuer (16,34% mit Feuerrisiko bzw. 19% für die Gebäudeversicherung ohne Feueranteil).
Beispiel:
Ein Neubau soll gegen alle Gefahren versichert werden. Der vom Kunden oder Vermittler berechnete Neubauwert 1914 liegt bei 20.000 Mark. So bedeutet dies für 2024 einen aktuellen Neubauwert von 426.900 Euro (= 20.000 Mark * 2.134,5 / 100). Regionale Unterschiede bei den Baukosten bleiben dabei unbeachtet.
Der Beitrag berechnet sich beispielhaft bei einem angenommenen Beitragssatz von 0,65 Euro je 1.000 Mark Versicherungssumme Wert 1914 und einem aktuellen Anpassungsfaktor von 25,87 mit 336,31 Euro netto bzw. 400,21 Euro brutto pro Jahr.
Neuwertspitze über berechnete Entschädigung hinaus
Die Autoren Andreas Luksch und Jörg Lemberg wiesen in ihrem Buch darauf hin, dass die oben ermittelte Summe „grundsätzlich als Gegenwartsversicherungssumme zur Verfügung“ stehe. Hierzu führend wird weiter ausgeführt:
„Der so ermittelte Wert stellt allerdings keine absolute Obergrenze für die Entschädigung dar, da der Versicherer gemäß Ziff. 18.1.1.1 VGB zusichert, die ortsüblichen Wiederherstellungskosten zu erstatten. Diese können also sogar noch höher sein.“[15]
Zu beachten ist, dass Versicherungsnehmer nach den Musterbedingungen nur dann Anspruch auf Auszahlung der so genannten „Neuwertspitze“ haben, wenn diese innerhalb der 3‑Jahres-Frist nach Eintritt des Versicherungsfalles für den Wiederaufbau des Wohngebäudes verwendet wird[16]. Verwiesen sei dabei auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 20.07.2011 (Az. IV ZR 148 / 10).
Wert 1914 führt nicht zum Verkehrswert
In einem 2020 veröffentlichten Aufsatz führen die zuvor benannten Autoren folgendes aus:
„Den wie oben beschrieben ermittelten Sachwert des Objekts darf man allerdings nicht mit dem Verkehrswert (Def. Verkehrswert in § 194 BauG) des Objektes verwechseln, also dem aktuellen Marktwert, da dieser vor allem auch durch Angebot und Nachfrage geprägt ist. So wird der Verkehrswert regelmäßig vom Sachwert des Objektes abweichen – mal mehr und mal weniger.“[17]
Beitragsanpassungen auch Folge steigender Schadenquoten
Neben dem Anpassungsfaktor haben auch Schadenquoten einen relevanten Einfluss auf eine dauerhafte Prämienstabilität. Liegen die Schadenaufwendungen über der Summe der Prämieneinnahmen, sind Versicherer gezwungen, ihre Prämien zu erhöhen. Kein Versicherer kann schließlich auf Dauer mehr ausgeben als er einnimmt. Liegen Schadenaufwendungen über der Summe der Prämieneinnahmen, so führt dies zu einem versicherungstechnischen Verlust bzw. einer combined ratio von über 100 %. Bezogen auf die Branche als Ganzes, waren etwa die Jahre 2021 und 2022 sehr schadenträchtige Jahre mit entsprechenden Auswirkungen auf die Prämienstabilität der davon betroffenen Tarife:
„2022 übersteigen die gebuchten Brutto-Beiträge erstmals 10 Mrd. Euro. 2021 wurde in der Verbundenen Wohngebäudeversicherung aufgrund der Sturzflut Bernd ein deutlicher versicherungstechnischer Verlust verzeichnet (Combined Ratio 139,2 %). 2022 verharrt die Sparte in der Verlustzone (Combined Ratio 106,4 %). “[18]
Problematisch ist hier, dass gerade kleine Versicherungsbestände sehr anfällig für schadenbedingte Beitragsanpassungen sind. Dies liegt daran, dass dort ein einziger Großschaden schnell die Schadenquote erheblich beeinflussen kann.
Optionen, um die Schadenquote in den Griff zu bekommen
Um aus dem Ruder laufende Schadenquoten in den Griff zu bekommen, haben Versicherer vor allem die Option einer restriktiveren Schadenregulierung, z. B. eine schnellere Kürzung von Leistungen aufgrund des Vorwurfes einer grob fahrlässigen Herbeiführung von Versicherungsfällen oder Verletzung von Obliegenheiten. Ebenfalls denkbar ist die schnellere Ablehnung nicht ganz unstrittiger Schäden.
Wer hingegen eine niedrige Schadenquote aufweist, ist möglicherweise eher dazu bereit, Kulanz im Schadenfall zu gewähren. Kulanz sowie eine kundenfreundliche Schadenregulierung können jedoch auch dazu führen, dass ein Versicherer seine Bestände dadurch erhöht und in Folge weniger anfällig für einzelne Großschäden ist.
Altbauten besonders oft von Schäden betroffen
Steigende Schadenzahlen können verschiedene Ursachen haben. So steigt etwa mit zunehmendem Gebäudealter auch das Eintrittsrisiko für Versicherungsschäden. Insbesondere gilt dies für unsanierte Gebäude[19]. Aus diesen Gründen sehen viele Wohngebäudeversicherer eine Beitragsanpassung in Abhängigkeit vom Gebäudealter vor. Solche Tarife mögen dann für Neubauten um teilweise über 50 % rabattiert sein, werden dafür aber für Altbauten aber umso teurer.
Schon seit Jahren machen gerade Leitungswasserschäden eine Großteil der Schadenaufwendungen von Wohngebäudeversichern aus. Oft resultieren diese aus kaputten Rohren oder in die Jahre gekommenen Dichtungen[20]. Daneben gibt es auch immer wieder Starkregen- oder sonstige Unwetterereignisse, die zu einem starken Anstieg von Versicherungsschäden führen können.
Ahrtalkatastrophe: Folge von menschengemachtem Klimawandel!?
Wenn Versicherungsnehmer ihre Gebäude zu nah an überschwemmungsgefährdeten Gebieten bauen, steigt für solche Objekte das Überschwemmungsrisiko. Oft wird dann ein vermeintlich (menschengemachter) Klimawandel[21], [22], [23] als Ursache unterstellt. Beispielhaft sei hier die Ahrtalkatastrophe aus dem Jahre 2021 zu erwähnen. Ob diese Annahme den Tatsachen entspricht, wird durchaus unterschiedlich bewertet. So äußerte sich damals etwa der Ortsbürgermeister von Schuld wie folgt:
„Wir haben in der Chronik der Gemeinde Schuld mal nachgesehen: Das erste Hochwasser war so um 1790. Ich glaub da gab’s noch kein Klimawandel oder nicht in den Dimensionen. Das zweite Hochwasser war jetzt 1910. Das dritte, das unendliche Dimensionen überschritten hat, war jetzt 2021. Also ich glaube, uns hätte kein Hochwasserschutz geholfen, weil man kann so was gar nicht berechnen, wie bei solchen Wassermassen sich die Ahr verhält, das ist schier unmöglich.“[24]
Der Wiederaufbau von Wohngebäuden in von Hochwasser zerstörten Gebieten kann durchaus kritisch bewertet werden:
„Wer jetzt den Wiederaufbau im Ahrtal infrage stellt, muss sich konsequenterweise auch um den Rückbau anderer Städte bemühen, die ins Hochwasser gebaut sind. Das betrifft zum Beispiel das gesamte rechtsrheinische Köln. Das halte ich für vollkommen unrealistisch. Deshalb ist die Fachwissenschaft nicht unbedingt der Ratgeber, sondern das ist eine politische Entscheidung.“[25]
Statistisch entfällt bei Wohngebäudeversicherungen der Großteil aller Schäden auf die in den Musterbedingungen des GDV beschriebenen Gefahren. Weitergehende Leistungen, wie sie sich gerade bei Maklerversicherern und Assekuradeuren finden, bedeuten für Versicherte zwar einen deutlichen Mehrwert im Einzelfall, haben allerdings gemäß Brancheninsidern statistisch einen vergleichsweise nur geringen Einfluss auf die jeweilige Schadenquote. Gleichwohl bleibt ein weitergehender Versicherungsschutz besonders anzuraten, um im Fall eines Totalschadens möglichst wenige Absicherungslücken aufzuweisen.
Handeln bei explodierendem Prämienniveau
Für Personen, denen der erhöhte Wohngebäudebeitrag zu hoch ist, bieten sich je nach Einzelfall mehrere sinnvolle Optionen an:
- Erhöhung einer bereits vorhandenen Selbstbeteiligung im Schadensfall. Letztlich geht es im Schadenfall darum, das bisherige Gebäude vollständig wieder aufgebaut zu bekommen. Ein Abzug von z. B. 300 oder 500 Euro wird bei einem Totalschaden dann gerne verschmerzt.
- Einschluss einer Selbstbeteiligung im Schadensfall, falls bislang noch keine Selbstbeteiligung vereinbart war
- Ggf. Tarifwechsel beim gleichen Versicherer bzw. Assekuradeur
- Vereinbarung einer Differenzdeckung bei gleichzeitiger Beantragung von Versicherungsschutz bei einem Wettbewerber
Wechsel nur nach genauem Abwägen
Zu beachten ist, dass ein Tarif- oder Versichererwechsel in der Regel nicht nur mit einer geänderten Prämie, sondern praktisch immer auch mit Leistungsänderungen verbunden ist. Nicht immer erweist sich ein solcher Wechsel als vorteilhaft. Dies gilt z. B. dann, wenn wichtige Leistungen gar nicht mehr (z. B. bislang mitversicherte unbenannte Gefahren), nur noch eingeschränkt (z. B. Sublimits für bestimmte Schäden) oder ausschließlich unter Beachtung besonderer Obliegenheiten mitversichert sind (z. B. das Vorhandensein von Rückstauventilen, wenn der bestehende Tarif einen Verzicht auf Kürzung der Leistung bei Verletzung behördlicher oder gesetzlicher Vorschriften vorgesehen hat).
Je nach Bedingungswerk lassen sich Leistungsnachteile durch eine bedingungsseitige Besitzstandsgarantie vermeiden. Bei einigen Anbietern gilt diese allerdings nur z. B. für die ersten drei Jahre (z. B. der Tarif Basis-plus, Stand 12.2016 als nicht allgemein zugängliches Sonderkonzept aus dem Hause des Versicherungsmaklers FINAS mit der aus Concordia als Risikoträger auf Basis „Besondere Vereinbarungen zur Wohngebäudeversicherung für FINAS (Deckungserweiterungen)“) bzw. fünf Jahre nach dem Versicherwechsel (z. B. Tarif Premium der Rhion.digital, Stand 03.2022; Tarif Wohngebäude Premium 2022 aus dem Hause Württembergische, Stand 06.2022).
Wie Unternehmen gegensteuern
Versicherer versuchen seit Jahren ihre Schadenquoten in den Griff zu bekommen. Dazu gibt es vielfältige Ansatzpunkte:
- Restriktive Annahmepolitik bei besonders schadenbelasteten Verträgen
- Restriktive Schadenregulierung zu Lasten der Versicherten
- Bestandsaufkäufe zur Vergrößerung des Schadenkollektivs und zum Erreichen einer geringeren Anfälligkeit von Großschäden
- Gebäudestaffeln mit höheren Prämien für Altbauten
- Sanierungsnachweise für Wohngebäude ab einem bestimmten Baujahr
- Implementierung von Sensoren, um mit Hilfe künstlicher Intelligenz Wasser im normalen und nicht normalen Gebrauch zu unterscheiden[26]
- Versicherer könnten Kunden per App rechtzeitig vor einem heranziehenden Orkan sensibilisieren, Kleintierställe, Gartenmöbel, Trampolins u. ä. in Sicherheit zu bringen. Auch Rollläden sind im Zweifel besser hochzuziehen, da sie schneller durch ein Sturmereignis beschädigt werden als Fensterflächen[27].
- Kunden könnten vom Versicherer in regelmäßigen Abständen (z. B. per Beitragsrechnung oder App) daran erinnert werden, zu prüfen, ob irgendwelche morschen Bäume oder Äste auf dem Grundstück eine Gefahr für das versicherte Gebäude darstellen.
- Anreize bieten, damit Kunden ihre Objekte sanieren oder Rückstausicherungen einzubauen
- Wiederaufbau von durch Hochwasser oder Erdbeben zerstörten Wohngebäuden an einem anderen Ort mit geringerem Risiko
- Anreize für Kunden, kleinere handwerkliche Tätigkeiten selbst durchzuführen. Diesen Weg geht z. B. die Alte Leipziger mit ihrem Tarif #selbermacher (Stand 12.2021).
Die Entwicklung des Anpassungsfaktors in den vergangen 10 Jahren
2015: 16,74 (Erhöhung um 1,76 % gegenüber Vorjahr)
2016: 17,03 (Erhöhung um 1,73 % gegenüber Vorjahr)
2017: 17,39 (Erhöhung um 2,11 % gegenüber Vorjahr)
2018: 17,87 (Erhöhung um 2,76 % gegenüber Vorjahr)
2019: 18,55 (Erhöhung um 3,18 % gegenüber Vorjahr)
2020: 19,36 (Erhöhung um 4,37 % gegenüber Vorjahr)
2021: 19,87 (Erhöhung um 2,63 % gegenüber Vorjahr)
2022: 20,97 (Erhöhung um 5,54 % gegenüber Vorjahr)
2023: 24,06 (Erhöhung um 14,74 % gegenüber Vorjahr)
2024: 25,87 (Erhöhung um 7,52 % gegenüber Vorjahr)
Hinweis: aus Kapazitätsgründen haben die Alte Leipziger und die Gothaer keine Überprüfung der Aussagen zu diesem Beitrag durchgeführt. Die ebenfalls angefragten Unternehmen GDV und VHV haben bis Redaktionsschluss keine Rückmeldung gegeben.
[1] „Anpassungsfaktor der Wohngebäudeversicherung: So wird er ermittelt“ auf „heim-und-immoboilie.de“. Aufzurufen unter https://www.heim-und-immobilie.de/versicherungen/gebaeudeversicherung/ratgeber/anpassungsfaktor-wohngebaeudeversicherung/, zuletzt aufgerufen am 16.02.2024.
[2] „Wohngebäudeversicherung 2023: Beiträge steigen um rund 15 Prozent“ auf „versicherungsbote.de“ vom 22.09.2022. Aufzurufen unter https://www.versicherungsbote.de/id/4907954/Wohngebaudeversicherung-2023-Beitrage-steigen-um-rund-15-Prozent/, zuletzt aufgerufen am 16.02.2024. Nach eigener Berechnung abweichend um 14,74 %.
[3] „Wohngebäudeversicherung: Anpassungsfaktor steigt 2024 um 7,5 Prozent“ auf „gdv.de“, zuletzt aktualisiert am 13.10.2023. Aufzurufen unter https://www.gdv.de/gdv/medien/medieninformationen/wohngebaeudeversicherung-anpassungsfaktor-steigt-2024-um‑7 – 5‑prozent – 154648, zuletzt aufgerufen am 16.02.2024.
[4] E‑Mail an ein Mitgliedsunternehmen des GDV vom 29.09.2023. Aufzurufen (bei Vorhandensein der Zugangsdaten) unter https://gdv-portal.de/group/portal/detailseite?redirectURL=detailseite_statistik_info.xhtml&infoId=486099.
[5] E‑Mail an ein Mitgliedsunternehmen des GDV vom 29.09.2023. Aufzurufen (bei Vorhandensein der Zugangsdaten) unter https://gdv-portal.de/group/portal/detailseite?redirectURL=detailseite_statistik_info.xhtml&infoId=486099.
[6] „Verbundene Wohngebäude-Versicherung. Baupreisindex“ in Maklersoftware „Vokis“ der VHV. Die VHV verweist auf den Baupreisindex des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden als Quelle. Zuletzt aufgerufen am 20.02.2024.
[7] Lemberg, Jörg und Luksch, Andreas „Wohngebäudeversicherung“. Karlsruhe, 3. Auflage, Verlag Versicherungswirtschaft, 2023, S. 78
[8] „Wohngebäudeversicherung: Auch zum Jahr 2024 steigt der Anpassungsfaktor deutlich“ auf „hausundgrund.rlp.de“.. Aufzurufen unter https://www.hausundgrund-rlp.de/info-service-artikel/articles/23_11_wohngebaeudeversicherung, zuletzt aufgerufen am 08.03.2024.
[9] „Was versteht man unter dem gleitenden Neuwertfaktor?“ auf „check24.de“. Aufzurufen unter https://www.check24.de/wohngebaeudeversicherung/fragen/gleitender-neuwertfaktor/, zuletzt aufgerufen am 19.02.2024.
[10] „Gleitender Neuwertfaktor“ auf „wikipedia.org.“ Aufzurufen unter https://de.wikipedia.org/wiki/Gleitender_Neuwertfaktor, zuletzt aufgerufen am 19.02.2024.
[11] „Was versteht man unter dem gleitenden Neuwertfaktor?“ auf „check24.de“. Aufzurufen unter https://www.check24.de/wohngebaeudeversicherung/fragen/gleitender-neuwertfaktor/, zuletzt aufgerufen am 19.02.2024.
[12] „Wohngebäudeversicherung – Neue Faktoren und Indizes ab 2023“ auf „avw-gruppe.de“ vom 26.09.2022. Aufzurufen unter https://avw-gruppe.de/artikel/wohngebaeudeversicherung-neue-faktoren-und-indizes-ab-2023/, zuletzt aufgerufen am 19.02.2024.
[13] E‑Mail an ein Mitgliedsunternehmen des GDV vom 29.09.2023. Aufzurufen (bei Vorhandensein der Zugangsdaten) unter https://gdv-portal.de/group/portal/detailseite?redirectURL=detailseite_statistik_info.xhtml&infoId=486099.
[14] E‑Mail an ein Mitgliedsunternehmen des GDV vom 29.09.2023. Aufzurufen (bei Vorhandensein der Zugangsdaten) unter https://gdv-portal.de/group/portal/detailseite?redirectURL=detailseite_statistik_info.xhtml&infoId=486099.
[15] Lemberg, Jörg und Luksch, Andreas „Wohngebäudeversicherung“. Karlsruhe, 3. Auflage, Verlag Versicherungswirtschaft, 2023, S. 76
[16] Lemberg, Jörg und Luksch, Andreas „Wohngebäudeversicherung“. Karlsruhe, 3. Auflage, Verlag Versicherungswirtschaft, 2023, S. 82
[17] Lemberg, Jörg E. G. und Luksch, Andreas S. „Darf man die Versicherungssumme 1914 mit dem Baupreisindex multiplizieren?“ auf „versicherungslernen.de“. Aufzurufen unter https://www.versicherungslernen.de/die-hausratversicherung/, zuletzt aufgerufen am 08.03.2024.
[18] „Geschäftsentwicklung in der Verbundenen Wohngebäudeversicherung“ auf „gdv.de“, zuletzt aktualisiert am 27.09.2023. Aufzurufen unter https://www.gdv.de/gdv/statistik/statistiken-zur-deutschen-versicherungswirtschaft-uebersicht/schaden-und-unfallversicherung/geschaeftsentwicklung-in-der-verbundenen-wohngebaeudeversicherung-137968, zuletzt aufgerufen am 20.02.2024.
[19] Siehe z. B. Schier, Susanne „Gebäudeversicherung wird 2023 bis zu 30 Prozent teurer“ auf „handelsblatt.com“ vom 20.12.2022 um 12:51 Uhr. Aufzurufen unter https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/versicherer/wohngebaeudeversicherung-gebaeudeversicherung-wird-2023-bis-zu-30-prozent-teurer-/28872532.html, zuletzt aufgerufen am 19.02.2024.
[20] Siehe z. B. „Schadenrekord durch Leitungswasser in der Wohngebäudeversicherung“ auf „dasmaklermagazin.de“ vom 30.11.2020. Aufzurufen unter https://dasmaklermagazin.de/2020/11/30/schadenrekord-durch-leitungswasser-in-der-wohngebaeudeversicherung/, zuletzt aufgerufen am 19.02.2024.
[21] Siehe z. B. Schier, Susanne „Gebäudeversicherung wird 2023 bis zu 30 Prozent teurer“ auf „handelsblatt.com“ vom 20.12.2022 um 12:51 Uhr. Aufzurufen unter https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/versicherer/wohngebaeudeversicherung-gebaeudeversicherung-wird-2023-bis-zu-30-prozent-teurer-/28872532.html, zuletzt aufgerufen am 19.02.2024.
[22] ema „Klimakrise. Wie Hochwasser und Klimawandel zusammenhängen“ auf „deutschlandfunk.de“ vom 11.01.2024.Aufzurufen unter https://www.deutschlandfunk.de/ueberschwemmungen-hochwasser-klimawandel-100.html, zuletzt aufgerufen am 19.02.2024.
[23] Schulzki-Haddouti „Flut im Ahrtal: „Da gehört keine Siedlung hin““ auf „vdi-nachrichten.com“ vom 14.07.2022. Aufzurufen unter https://www.vdi-nachrichten.com/technik/umwelt/flut-im-ahrtal-da-gehoert-keine-siedlung-hin/, zuletzt aufgerufen am 19.02.2024.
[24] https://twitter.com/i/status/1417245004859383815 vom 20.07.2021, zuletzt aufgerufen am 19.02.2024.
[25] Schulzki-Haddouti „Flut im Ahrtal: „Da gehört keine Siedlung hin““ auf „vdi-nachrichten.com“ vom 14.07.2022. Aufzurufen unter https://www.vdi-nachrichten.com/technik/umwelt/flut-im-ahrtal-da-gehoert-keine-siedlung-hin/, zuletzt aufgerufen am 19.02.2024.
[26] „Gothaer ist nun Risikoträger bei InsurTech Enzo“ auf „asscompact.de“ vom 02.06.2023. Aufzurufen unter https://www.asscompact.de/nachrichten/gothaer-ist-nun-risikotr%C3%A4ger-bei-insurtech-enzo, zuletzt aufgerufen am 19.02.2024.
[27] Siehe z. B. „Was tun, wenn sich ein Unwetter ankündigt?“ auf „ergo.com“. Aufzurufen unter https://www.ergo.com/de/Newsroom/Extreme-Wetterereignisse/Schadenpraevention, zuletzt aufgerufen am 19.02.2024.