Die Coro­na-Impf­stof­fe haben eine Mil­li­on Leben gerettet?

Gast­au­tor: Andy Pop­pen­berg

Dan­ke für die freund­li­che Erlaub­nis von Andy Pop­pen­berg, die­sen Bei­trag auch bei uns ver­öf­fent­li­chen zu dür­fen, mit dem wir unse­ren Lesern einen alter­na­ti­ven Blick auf ein The­ma ermög­li­chen wol­len. Auf Grund­la­ge die­ses Arti­kels ent­stand auch sein Video, auf­zu­fin­den u. a. unter hier.


In zahl­rei­chen Medi­en[1], ins­be­son­de­re im ÖRR[2], ist Mit­te April die­ses Jah­res ver­kün­det wor­den, dass die Coro­na-Impf­stof­fe in Euro­pa über eine Mil­li­on Men­schen­le­ben geret­tet hät­ten. Dies gehe aus einem Bericht der WHO her­vor, der auf dem Euro­päi­schen Kon­gress der Kli­ni­schen Mikro­bio­lo­gie und Infek­ti­ons­krank­hei­ten in Kopen­ha­gen vor­ge­stellt wur­de. Die ARD berich­tet: „Die in der Früh­pha­se der Covid-19-Pan­de­mie ent­wi­ckel­ten Impf­stof­fe haben nach Ein­schät­zung der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on WHO sehr vie­len Men­schen das Leben geret­tet. Aus einem Bericht der Orga­ni­sa­ti­on geht her­vor, dass auf Basis wis­sen­schaft­li­cher Ein­schät­zun­gen allein in Euro­pa und Län­dern der ehe­ma­li­gen Sowjet­uni­on seit Ende 2020 mehr als eine Mil­li­on Men­schen den Coro­na-Impf­stof­fen ihr Über­le­ben ver­dan­ken.“[3] Einer­seits han­delt es sich bei dem „Bericht“ um einen münd­li­chen Vor­trag bzw. des­sen schrift­li­che Zusam­men­fas­sung[4], ande­rer­seits um eine Schät­zung basie­rend auf mathe­ma­ti­schen Model­len, in denen die theo­re­tisch ange­nom­me­ne Wirk­sam­keit der Impf­stof­fe mit der Anzahl der Covid-19-Toten und Geimpf­ten zuein­an­der ins Ver­hält­nis gesetzt wur­den. Kli­ni­sche Stu­di­en lie­gen der Schät­zung nicht zugrunde.

Doch wel­che Erfah­run­gen oder empi­ri­schen Daten gaben Anlass für die The­se, dass über­haupt Men­schen­le­ben geret­tet wur­den? Wenn Leben geret­tet wor­den sind, dann sind genau­so vie­le Men­schen weni­ger gestor­ben, als ohne die Ret­tung gestor­ben wären. Es hät­te also ohne die „Imp­fun­gen“ mehr Tote geben müs­sen, als tat­säch­lich gestor­ben sind. Und wie vie­le das hät­ten sein sol­len, kann man aus den Zah­len der Schät­zung schlie­ßen. Min­des­tens 1.004.927 Leben sol­len in Euro­pa ab Ein­set­zen der „Imp­fun­gen“ Ende 2020 bis Anfang 2023 geret­tet wor­den sein. 95 % der geret­te­ten Men­schen waren über 60, was ohne­hin anzu­neh­men ist, weil gene­rell über 90 % der Ver­stor­be­nen älter als 60 sind. Des­halb wer­de ich mich in mei­ner Unter­su­chung allein auf die Alters­grup­pen der über 60-Jäh­ri­gen beziehen.

Die Regi­on Euro­pa der WHO umfasst ca. 50 Län­der und 730 Mio. Ein­woh­ner. Da Deutsch­land mit rund 77 % Impf­quo­te[5] eher im obe­ren Bereich liegt, wird die Schät­zung für Euro­pa sicher­lich auch auf Deutsch­land zutref­fen. Einer Mil­li­on geret­te­te Leben bei 730 Mio. Men­schen in ganz Euro­pa in den zwei Jah­ren 2021/22 ent­spre­chen in Deutsch­land mit 83 Mio. Ein­woh­nern 113.699 Leben, also 56.849 Men­schen pro Jahr, die sowohl 2021 als auch 2022 durch die „Imp­fun­gen“ geret­tet wur­den, mit­hin ohne die­se gestor­ben wären. Mir ist bewusst, dass die­se Metho­de wis­sen­schaft­lich höchst bedenk­lich ist, aber die Ergeb­nis­se wer­den sie am Ende rechtfertigen.

In den Alters­grup­pen über 60 sind jähr­lich seit 2006 ca. 722.000 bis 976.000 Men­schen gestor­ben (Tabel­le links). Die Zah­len stei­gen an, weil die Grö­ße die­ser Bevöl­ke­rungs­grup­pen zunimmt, es jedes Jahr mehr alte Men­schen gibt, die die Lebens­er­war­tung erreicht haben. Wäh­rend sich die Grup­pe der über 80-Jäh­ri­gen seit 1990 mehr als ver­dop­pelt hat und die der über 70-Jäh­ri­gen noch um 50 % anwuchs, blie­ben die der 30 – 40 und 40 – 50-Jäh­ri­gen gleich groß und nah­men die der jün­ge­ren unter 30 Jah­ren deut­lich ab. Es gibt heu­te über 3 Mio. Men­schen mehr über 80 als 1990 und fast 3,8 Mio. weni­ger 20 – 30-Jäh­ri­ge (Tabel­le rechts).

Der in Euro­pa geret­te­ten eine Mil­li­on Men­schen ent­spre­chen in Deutsch­land knapp 114.000, also 57.000 Men­schen pro Jahr. Schaut man sich die Dif­fe­ren­zen der auf­ein­an­der­fol­gen­den Jah­re der Alters­grup­pen über 60 an, erkennt man, dass sich posi­ti­ve und nega­ti­ve Wer­te abwech­seln und der größ­te posi­ti­ve Wert 2015 mit 54.468 Gestor­be­nen zu fin­den ist. Im Jahr 2015 sind also (ganz ohne Pan­de­mie) knapp 54.500 Men­schen mehr gestor­ben als 2014, das eine sehr gerin­ge Sterb­lich­keit hat­te. Den zweit­höchs­ten Wert gibt es 2020 mit knapp 46.000 mehr Toten im Ver­gleich zu 2019, das eben­falls eine sehr gerin­ge Sterb­lich­keit hat­te. 2021 sind 35.000, 2022 42.500 Men­schen mehr gestor­ben als in den jewei­li­gen Vor­jah­ren, die aber schon eine sehr hohe Sterb­lich­keit hat­ten. Den­noch will die WHO gera­de da die lebens­ret­ten­de Wir­kung der „Imp­fun­gen“ sehen. Denn allein durch sie haben in bei­den Jah­ren je 57.000 Men­schen über­lebt, die ansons­ten auch noch gestor­ben wären. Ohne „Imp­fun­gen“ lägen die Wer­te 2021 bei 92.000 und 2022 bei fast 100.000.

Jeder sieht, dass die­se Wer­te völ­lig aus dem Rah­men fal­len, uto­pisch und unrea­lis­tisch sind. Sie lie­gen mehr als dop­pelt so hoch wie 2020, als es kei­ne „Imp­fun­gen“ gab, Men­schen, Behör­den und das Gesund­heits­sys­tem im Umgang mit dem Virus noch unge­übt waren, die Mas­ken­pflicht erst im Som­mer ein­ge­führt wur­de und zunächst Tücher, Schals und selbst gehä­kel­te Mas­ken getra­gen wer­den durf­ten und als das Virus so neu war, dass es jeden­falls weni­ger Immu­ni­tät als in den Fol­ge­jah­ren gab. Wie kann man auf die Idee kom­men, dass unter glei­chen Bedin­gun­gen wie 2020, also ohne „Imp­fung“, in den Jah­ren 2021 und 2022 jeweils 57.000 Men­schen mehr hät­ten ster­ben, die Pan­de­mie erst da so vie­le Tote mehr hät­te erzeu­gen kön­nen? Das Jahr 2020 ist ja die per­fek­te Kon­troll­grup­pe. Wie vie­le Tote die Pan­de­mie ohne Impf­stoff erzeu­gen kann, haben wir da gese­hen. Die Sterb­lich­keit ist erst nach Ein­füh­rung der „Imp­fun­gen“ auf Wer­te gestie­gen, die außer­ge­wöhn­lich hoch und nicht zu erwar­ten waren. Gera­de in den vul­ner­ablen Grup­pen über 80, bei denen jedes Leben geret­tet wer­den soll­te, sind beson­ders vie­le Men­schen gestor­ben, liegt der Anteil der Ver­stor­be­nen in der Alters­grup­pe beson­ders hoch.

Wie die Ent­wick­lung der Antei­le der Ver­stor­be­nen in den ein­zel­nen Alters­grup­pen von den 30 bis über 80-Jäh­ri­gen aus­sieht, habe ich im Bei­trag zur Sterb­lich­keit 2022 detail­liert beschrie­ben.[6] Seit min­des­tens drei­ßig Jah­ren gibt es eine ste­ti­ge Abnah­me der Sterb­lich­keit inner­halb jeder Alters­grup­pe. Es ster­ben also ten­den­zi­ell jedes Jahr weni­ger Men­schen rela­tiv zur Grö­ße ihrer jewei­li­gen Grup­pe in jeder ein­zel­nen Alters­grup­pe. So auch bei den über 60-Jäh­ri­gen: In den 1990er Jah­ren fal­len die Zah­len bestän­dig und schwan­ken seit dem Jahr 2000 um 3,5−3,7 %, wobei es nie mehr als zwei auf­ein­an­der fol­gen­de Jah­re mit stei­gen­den Wer­ten gibt. Auch das Jahr 2020 liegt mit 3,73 % noch in die­sem Bereich und zeigt trotz Pan­de­mie kei­ne Auf­fäl­lig­keit. Außer­ge­wöhn­lich sind die Wer­te 2021 und 2022, einer­seits weil sie Grö­ßen von über 3,8 % und 3,9 % errei­chen, die es seit dem Jahr 2000 nicht mehr gab, ande­rer­seits weil die Wer­te drei Jah­re in Fol­ge anstei­gen, was seit 1990 noch nie vor­ge­kom­men ist. Damit wur­de der seit drei­ßig Jah­ren wäh­ren­de, abfal­len­de Trend 2021/22 unter­bro­chen. Rein sta­tis­tisch und unter glei­chen Bedin­gun­gen wie bis 2020, also ohne „Imp­fun­gen“ hät­ten die Wer­te spä­tes­tens 2022 wie­der fal­len müssen.

Um die Ein­gangs­fra­ge zu beant­wor­ten: Der Anlass zu ver­mu­ten, die „Imp­fun­gen“ hät­ten Men­schen­le­ben geret­tet, ohne sie wären mehr Men­schen gestor­ben, besteht bes­ten­falls in Wunsch­den­ken, schlimms­ten­falls in Pro­pa­gan­da. Ein Blick in die Sta­tis­tik hät­te gereicht, die Ver­mu­tung als absurd abzu­wei­sen. Die rea­len Zah­len der Ver­stor­be­nen bie­ten über­haupt kei­ne Kapa­zi­tä­ten mehr für die Annah­me, es hät­te auch nur ein ein­zi­ger mehr gestor­ben sein kön­nen. Und damit ist auch die unsau­be­re Metho­de, von einer Mil­li­on Geret­te­ter in Euro­pa auf 114.000 in Deutsch­land zu schlie­ßen, gerecht­fer­tigt, weil man die­se Zah­len anhand der ohne­hin außer­ge­wöhn­lich hohen Sterb­lich­keit gar nicht braucht, um zu zei­gen, dass sta­tis­tisch betrach­tet 2021/22 kein ein­zi­ges Men­schen­le­ben durch die „Imp­fun­gen“ geret­tet wur­de, son­dern sogar mehr als 2020 ohne die­sel­ben gestor­ben sind.

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[1] https://​www​.aerz​te​zei​tung​.de/​M​e​d​i​z​i​n​/​W​H​O​-​C​O​V​I​D​-​V​a​k​z​i​n​e​n​-​r​e​t​t​e​t​e​n​-​i​n​-​E​u​r​o​p​a​-​u​e​b​e​r​-​e​i​n​e​-​M​i​l​l​i​o​n​-​L​e​b​e​n​-​4​3​8​3​3​7​.​h​tml

https://​www​.zeit​.de/​g​e​s​u​n​d​h​e​i​t​/​2​023 – 04/­w­ho-coro­na-impf­stof­fe-euro­pa-eine-mil­li­on-leben-geret­tet

https://www.sueddeutsche.de/politik/corona-impfstoffe-pandemie-who-bericht-rettung‑1.5803612

[2] https://​www1​.wdr​.de/​n​a​c​h​r​i​c​h​t​e​n​/​w​h​o​-​c​o​r​o​n​a​-​i​m​p​f​e​n​-​k​a​m​p​a​g​n​e​-​1​0​0​.​h​tml

https://​www​.zdf​.de/​n​a​c​h​r​i​c​h​t​e​n​/​p​o​l​i​t​i​k​/​c​o​r​o​n​a​-​i​m​p​f​u​n​g​-​w​h​o​-​1​0​0​.​h​tml

[3] https://​www​.tages​schau​.de/​w​i​s​s​e​n​/​g​e​s​u​n​d​h​e​i​t​/​c​o​r​o​n​a​-​i​m​p​f​s​t​o​f​f​e​-​m​e​n​s​c​h​e​n​l​e​b​e​n​-​1​0​1​.​h​tml

[4] https://​dri​ve​.goog​le​.com/​f​i​l​e​/​d​/​1​8​Q​5​8​-​z​O​c​z​2​Z​_​B​Z​X​4​Y​w​J​1​9​o​e​k​S​q​w​A​k​k​2​4​/​v​i​e​w​?​p​l​i=1

[5] https://​de​.sta​tis​ta​.com/​s​t​a​t​i​s​t​i​k​/​d​a​t​e​n​/​s​t​u​d​i​e​/​1​2​0​3​3​0​8​/​u​m​f​r​a​g​e​/​i​m​p​f​s​t​o​f​f​a​b​d​e​c​k​u​n​g​-​d​e​r​-​b​e​v​o​e​l​k​e​r​u​n​g​-​g​e​g​e​n​-​d​a​s​-​c​o​r​o​n​a​v​i​r​u​s​-​n​a​c​h​-​l​a​e​n​d​e​rn/

[6] https://​www​.you​tube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​B​Y​i​j​V​1​T​J​uaQ

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