Im Rahmen der privaten Haftpflichtversicherung besteht bei den leistungsstärkeren Tarifen regelmäßig Versicherungsschutz für gesetzliche Haftpflichtansprüche Dritter aus dem Gebrauch eigener Segelfahrzeuge bis zu einer Segelfläche von meist 15 bis 25 m² Segelfläche. Dabei wird im Allgemeinen nicht klargestellt, wie die jeweils maßgebliche Segelfläche definiert ist.
Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Segelfahrzeugen
So heißt es beispielsweise im Premium-Schutz der Adcuri / Barmenia wie folgt:
„1−6.22 Gebrauch von Wasserfahrzeugen
A1‑6.22.1 Versichert ist Ihre gesetzliche Haftpflicht wegen Schäden, die verursacht werden durch den Gebrauch ausschließlich von folgenden Wasserfahrzeugen:
[…]
c) fremde Segelboote ohne Begrenzung der Segelfläche – ohne Motor (auch ohne Hilfs- oder Außenbordmotoren) oder Treibsätze;
d) eigene und fremde Segelboote mit einer Gesamt-Segelfläche bis 20 m², auch mit Hilfs- oder Außenbordmotoren bis 15 PS/11,03 kW;
[…]“
In der Praxis ergibt sich bei der Definition der korrekten Segelfläche ein Problem daraus, dass ein Genuasegel anstelle, aber nicht zeitgleich mit einem Focksegel, gesetzt wird[1], so dass anzunehmen wäre, dass die Gesamtsegelfläche maximal jene Segel berücksichtigen dürfte, die gleichzeitig gesetzt werden können. Wenn bekannt ist, welche Segel bzw. Vorsegel jeweils zur maßgeblichen Segelfläche zählen sollen, finden sich im Internet konkrete Berechnungsformeln für die jeweiligen Segelarten[2].
Die Haftpflichtkasse und VHV: Fock- und Genuasegel gleichzeitig zu berücksichtigen
Beispielhaft wird auf der Website der Neubacher Boots-Yacht-Schiffsversicherungsmakler GmbH jedoch folgende Definition gegeben:
„Segelfläche am Wind errechnet sich aus Groß‑, Fock‑, evtl. Besansegel – ohne Spinnaker, Genua und weitere Zusatzsegel.“ [3]
Auslegung der Segelfläche uneinheitlich
Auf Nachfrage geben verschiedene Versicherer hierzu ihre jeweils eigene Definition. Die Haftpflichtkasse (siehe auch hier) schrieb:
„Es zählt die gesamte Segelfläche (Groß‑, Fock‑, evtl. Besansegel) – inklusive Spinnaker, Genua und weitere Zusatzsegel.“
Auch die VHV legt auf Nachfrage eine vergleichsweise restriktive Definition zugrunde. So schreibt das Unternehmen:
„wenn wir von der Segelfläche in den Bedingungen sprechen, dann ist für uns immer die Gesamt-Segelfläche (inkl. evtl. vorhandene und gesetzte Spinnaker, Genua und weitere Zusatzsegel) als Risiko wichtig und zu berücksichtigen.“
Weiter stellt die VHV auf Nachfrage klar:
„es sind grundsätzlich ALLE Segel gemeint, egal ob gesetzt oder nicht gesetzt. Es reicht das Vorhandensein.“
Barmenia und InterRisk weniger restriktiv
Im Gegensatz zu den Klarstellungen von Haftpflichtkasse und VHV deutlich kundenfreundlicher ist die Definition der Barmenia:
„Wir legen also die Gesamtfläche aller Segel zu Grunde, die gleichzeitig gesetzt werden können.
Von den Segeln, die nicht gleichzeitig gesetzt werden können, muss das Segel mit der größeren Fläche in der Berechnung berücksichtigt werden.“
Die gleiche Definition setzt auch die InterRisk auf Nachfrage zugrunde:
„bei uns wird die Segelfläche in der PHV folgendermaßen festgestellt:
Die Segelfläche ist die größtmögliche Gesamtsegelfläche, die gleichzeitig gesetzt werden kann.“
Gothaer und Württembergische besonders kundenfreundliche Regelung
Unter den angefragten Unternehmen die kundenfreundlichste Auslegung der Segelfläche bieten die Württembergische Versicherung AG und die Gothaer. Hier die Klarstellung der Württembergische:
„In der PHV der Württembergischen Versicherung AG besteht Versicherungsschutz für den Gebrauch eigener Segelboote mit einer Segelfläche bis 25 m² (PremiumSchutz) bzw. 15 m² (KomfortSchutz). Die Segelfläche berechnet sich aus dem Hauptsegel (Großsegel, Fock – nicht Spinnaker), […]. Spinnaker und Genua als Vorwindsegel werden hierbei nicht berücksichtigt.“
Die Gothaer Finanzholding AG gibt eine vergleichbare Klarstellung ab:
„Die im Größenbereich bis 15 Quadratmeter Segelfläche überwiegend vorkommenden Segelboote dürfen einen Mast haben. Als Segelfläche zählen die Hauptsegel, d.h. Großsegel und Fock, nicht jedoch der Spinnaker als Begleitsegel.“
Versicherungsschutz im Zweifel nur bei Aufsichtspflichtverletzung
Generell entfällt der Versicherungsschutz für den Gebrauch eines Segelbootes, wenn die für den jeweiligen Vertrag maßgebliche Segelfläche überschritten wird. Hierbei gilt jedoch:
„Nach der „Kleinen Kraft‑, Luft- und Wasserfahrzeug-Klausel“, die in der Privathaftpflichtversicherung Verwendung findet, besteht nur für diejenigen Versicherungsnehmer oder Mitversicherten kein Versicherungsschutz, der das Fahrzeug selbst gebraucht oder den Gebrauch gestattet hat. Wenn daher der Sohn privathaftpflichtversicherter Eltern mit dem Kraftfahrzeug eines Dritten einen Schaden verursacht, so genießt zwar dieser als Mitversicherter keinen Versicherungsschutz, jedoch seine Eltern, soweit sie aus Aufsichtspflichtverletzung gemäß § 832 BGB in Anspruch genommen werden. Dies gilt aber nicht, wenn sie Eigentümer des Fahrzeugs oder Versicherungsnehmer sind, es geliehen oder gemietet haben.“[4]
Weitergehende Absicherung kann sinnvoll sein
Wer über ein eigenes Segelboot verfügt, sollte über den Umfang seiner privaten Haftpflichtversicherung hinaus über eine ergänzende Bootsversicherung nachdenken. Beispielhafte Leistungen, die sich darüber einschließen lassen, sind z. B. eine Skipperhaftpflicht, Versicherungsschutz für ein weiteres Beiboot, das im Zusammenhang mit dem Hauptboot verwendet wird oder Ansprüche von Crewmitgliedern untereinander. Aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher Vorgaben sollte im Rahmen einer eigenständigen Bootsversicherung auch auf das versicherte Fahrgebiet geachtet werden. Besteht beispielsweise Versicherungsschutz nur für deutsche Binnengewässer, Nord- und Ostsee, Mittelmeer, Atlantik sowie Schwarzes Meer oder auch weltweit?
Diese Fragen sollten Versicherungswillige vor ihrer Entscheidung über den für Sie optimal geeigneten Schutz zwingend beantworten können.
[1] Siehe z. B. „Genua (Segel)“ auf „wikipedia.org“. Aufzurufen unter https://de.wikipedia.org/wiki/Genua_(Segel), zuletzt aufgerufen am 20.02.2023.
[2] Siehe z. B. „Segelflächen berechnen“ auf „quantumsails.de“. Aufzurufen unter https://www.quantumsails.de/segelflaechen-berechnen/, zuletzt aufgerufen am 20.02.2023.
[3] „Segelfläche“ auf „neubacher-marine.de“. Aufzurufen unter https://www.neubacher-marine.de/glossar/segelflaeche/, zuletzt aufgerufen am 27.01.2023.
[4] Hugel, Carmen „Haftpflichtversicherung“. Begründet von Erich Wagner. Karlsruhe3 (Verlag Versicherungswirtschaft), 2008, S. 198 – 199.